laut.de-Kritik

Wie innovativ kann Indiepop eigentlich sein?

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Klar, die Erwartungshaltung hat sich mit dem letzten Album "Chutes Too Narrow" gesteigert. Und spätestens seit dem Film "Garden State" wissen auch nicht Indie-affine Menschen um die lebensrettenden Fähigkeiten der Shins. Aber kümmern sich Mercer und Co. überhaupt um sowas?

Es scheint kaum so, denn "Wincing The Night Away" beginnt gänzlich unaufgeregt. Bis auf einen kleinen, nur den Bruchteil einer Sekunde dauernden Ausbruch in der Stimme klingt "Sleeping Lessons", als würde es genau das fördern. Gesunden Schlaf - im allerbesten Sinne.

Schöner kann ein Einstieg in ein Album, an das man hohe Erwartungen stellt, nicht gelingen. Dezent steigert sich der Opener, bis er im letzten Drittel in eine flotte Halbakustiknummer mit Polkadrums erblüht. Ähnlich beschwingt geht es mit "Australia" weiter. Mercer spielt mit seiner Stimme, der Hörer merkt deutlich, dass dieser Song schon im Studio Spaß gemacht haben muss.

Die gute Laune, leise und wohldosiert, nicht laut und aufdringlich, überträgt sich vom Tonträger auf den Empfänger. Überhaupt, diese Unaufdringlichkeit. Die Shins haben es gar nicht nötig, marktschreierisch zu Werke zu gehen. Ihre Musik gewinnt durch Dezenz und Subtilität.

Das kurze "Pam Berry" leitet über zur ersten Single "Phantom Limb", spätestens hier lösen die Shins Begeisterung aus. Wenn der Frontmann über die "white girls of the North" singt, versinkt man unweigerlich. Je öfter man diese Nummer hört, desto mehr verliebt man sich, und ich frage mich wie einst Eisi Eis: Kann man auch Tracks heiraten in Dänemark?

Damit die Stimmung nicht auf den Siedepunkt steigt, folgt mit "Sea Legs" eine etwas behäbigere, langsam groovende Nummer mit Streichern und effektreich in Szene gesetzten Gitarren. In puncto Musikalität und Wandlungsfähigkeit entwickelt sich das Quintett (das bei den Aufnahmen wohl noch ein Quartett war) meisterlich.

Auch "Red Rabbits" betört mit entrückt-verzückenden Kinderzimmer-Sounds aus dem Synthesizer. Wie schön und innovativ kann Indiepop eigentlich sein? Die Combo aus Portland, Oregon, erteilt Lehrstunden. Mehr noch, sie setzen Maßstäbe. "Turn On Me" bewegt sich dann wieder im Midtempo-Bereich, und wieder verzaubern diese unwiderstehlichen Melodien.

Mit "Black Wave" kehrt wieder Ruhe ein - das darauf folgende "Split Needles" gibt sicherlich eine weitere Single her. Verträumt mag man den Regenwolken hinterher schauen, während sich schräge Synthiespuren mit Akustikgitarrenakkorden und geschlossenem Hi-Hat paaren.

Sänger James Mercer erbringt in "Sailor Girl" noch einmal Höchstleistungen, eine solch schöne wie lockere Gesangsmelodie gelingt sicher nicht jedem. "A Comet Appears" stellt nicht einfach nur einen Schlusspunkt dar, nein, der elfte Song auf "Wincing The Night Away" reiht sich als letzte Perle auf eine Schnur: sanfter und bedächtiger, als es die Shins hier vollbringen, kann man nicht gebettet werden.

Ein rundum wunder-wunderschönes Album findet nach nicht ganz 42 Minuten ein viel zu frühes Ende. Zum Glück gibts die Repeat-Funktion.

Trackliste

  1. 1. Sleeping Lessons
  2. 2. Australia
  3. 3. Pam Berry
  4. 4. Phantom Limb
  5. 5. Sea Legs
  6. 6. Red Rabbits
  7. 7. Turn On Me
  8. 8. Black Wave
  9. 9. Spilt Needles
  10. 10. Girl Sailor
  11. 11. A Comet Appears

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