laut.de-Kritik

Die Kölner Beatbastler verlegen ihr Zielpublikum ins Wohnzimmer.

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Das Kölner Duo Air Liquide hat schon mit seinem letztjährigen Jubiläumsalbum "X" gezeigt, dass es sich keine Einfallslosigkeit vorwerfen lassen will. Das elfte Album "Music is a Virus" ist fast so facettenreich wie der Vorgänger, entbehrt aber dessen runden Gesamteindruck.

Dr. Walker, seines Zeichens Urgestein der Kölner Techno- und Elektroszene und sein Partner Jammin' Unit stecken ihre Nasen wieder in recht unterschiedliche Farbtöpfe. Mary S. Applegate, die schon schmückend die weiblichen Vocal Parts auf "X" übernahm, haucht dieses mal leicht unterkühlt zum klinisch klaren Sound von "Fuckitup". "Mezdeke" und "Me So Chacha" verbinden orientalische, beziehungsweise Latino-Rhytmen auf recht unoriginelle Weise mit zugegebenermaßen ausgeklügelten Beatfundamenten, aber die wahrscheinlich erwünschte Exotik bleibt allzu berechenbar.

Dass Air Liquide auch vor komödiantischen Einlagen nicht zurück schrecken, haben sie schon mit Nummern wie "Fishes in the Sky", oder dem Stereo Total Mix von "If There Was No Gravitiy" gezeigt. Diesen Part übernimmt dieses Mal "Diener des Satans", das aber eher nervt als amüsiert. Weder das musikalische Gewand noch die nasale, ewig plappernde Stimme können überzeugen.

Positiv aufgefallen sind mir "Der Eiswagen Song" und "Who Killed Goofy", die in ihrer simplen Schönheit wohltuend vor sich hin blubbern. "The Bedlands Of The Ice" hat dann in seiner besänftigenden, ätherischen Art schließlich gar nichts mehr mit dem Air Liquide-Sound zu tun, den ich kenne, klingt aber trotzdem (oder gerade deshalb?) angenehm. So etwas wie DEN Air Liquide-Sound gibt es wahrscheinlich sowieso nicht, wie jedes Album aufs Neue verdeutlicht.

Perfekt und punktgenau produziert erschöpft sich "Music Is A Virus" aber in seinen wohl arrangierten Tracks, ohne Aufsehen erregen zu können. Man kann Air Liquide wohl nur schwer einen Vorwurf daraus machen, dass sie sich kontinuierlich weiter entwickeln, aber ich vermisse manchmal einfach den clubbigen Bunkergeist, der noch vor ein paar Jahren ihrer Musik innewohnte. Schon mit "X" haben sie sich davon weg bewegt, und mit "Music Is A Virus" verlegen sie ihr Zielpublikum gänzlich ins Wohnzimmer. Erwachsenwerden ist ihr gutes Recht, für mich hätte das noch Zeit gehabt.

Trackliste

  1. 1. Fuckitup
  2. 2. Cracker Jack
  3. 3. Music Is A Virus
  4. 4. Tennisarm
  5. 5. Mezdeke
  6. 6. Der Eiswagen Song
  7. 7. Me So Chacha
  8. 8. Meine Familie
  9. 9. Who Killed Goofy?
  10. 10. Diener des Satans
  11. 11. Hijackin' And Seek
  12. 12. Talking Easy About The Taxes
  13. 13. Lärm Der Stille
  14. 14. Bedlands Of The Ice
  15. 15. Shoes Off!

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