laut.de-Kritik

Die Schwedin liebt die Nacht - und die Nacht liebt sie.

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Als schemenhafter Schatten steht Anna Ternheim auf dem Cover in einem großen, dunklen Raum allein am Fenster. Draußen wartet "The Night Visitor" auf Einlass und womöglich führt er nichts Gutes im Schilde. Bewusst legt die Schwedin hier falsche Fährten, denn sie liebt die Nacht - und die Nacht liebt sie.

Als Momentaufnahme aus dem Dämmerlicht nach Sonnenuntergang zieht "Solitary Move" sofort in seinen Bann. Ein Gespinst aus einfühlsamen Folkgitarren legt sich sanft um die lockende Stimme Anna Ternheims. Verspielte Licks und dezente Hintergrund-Percussion sorgen für viel Abwechslung. "Walking Aimlessly" verzaubert als atmosphärische Verführung mit wärmend intoniertem Gesang.

Das in Nashville eingespielte Album gewährt allerlei Country-Elemente Einzug, doch sie gewinnen nie die Oberhand und harmonieren bestens mit skandinavisch geprägtem Folk. Immer hält Ternheim die Zügel fest in der Hand. Eine Reihe Cash-erprobter Gäste wie Jack Clement und Matt Sweeney üben sich nicht in Dominanz, sondern agieren als Teamplayer. Da macht Will Oldham alias Bonnie "Prince" Billy mit seinen Background-Einlagen keine Ausnahme.

Wie man in einem Duett aufeinander eingeht zeigt Anna im Verbund mit Dave Ferguson auf dem countryesken "The Longer The Waiting (The Sweeter The Kiss)". Fergusons knarrige, altersrauhe Stimme ergibt einen reizvollen Kontrast zu Annas fragilem Wispern. Die Chemie zwischen beiden stimmt - klarer Volltreffer! Wenn die Musik der Schwedin mal zur Heiterkeit ansetzt ("Lorelie-Marie"), meidet sie dennoch allzu ausgelassene Fröhlichkeit.

In den Lyrics zieht Anna Ternheim mit ihren immer glaubwürdig umgesetzten, kleinen Stories den Hörer in den Bann. Und man wundert sich gleichzeitig, aus welch ergiebigem Füllhorn sie immer wieder diese wunderschönen und unwiderstehlichen Melodien herausholt.

E-Gitarren-Sounds agieren nur verhalten im Hintergrund. Trotz aller Zurückgenommenheit passiert viel innerhalb eines Songs: Sound-Details und kleine Akzentuierungen verleihen den Titeln Dichte und Intensität.

"What Remains?" vereint vielleicht am besten als Einzel-Beispiel die Herangehensweise und einzigartigen Qualitäten der Schwedin. Wie stets schwingt hier viel Melancholie mit, doch betrübliche Schwermut findet nie statt. Schließlich leuchet immer irgendwo ein Licht da draußen, und Anna Ternheim weiß, wie man es findet. "I will count your tears", verspricht sie tröstlich auf "All Shadows". Keine Frage: diese Nachtbesucherin ist ein willkommener Gast.

Trackliste

  1. 1. Solitary Move
  2. 2. The Longer The Waiting (The Sweeter The Kiss)
  3. 3. Lorelie-Marie
  4. 4. Ghost Of A Man
  5. 5. What Remains?
  6. 6. Bow Your Head
  7. 7. Walking Aimlessly
  8. 8. God Don't Know
  9. 9. Black Light Shines
  10. 10. All Shadows
  11. 11. Come To Bed
  12. 12. Dearest Dear

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4 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    stimmt, "the longer the waiting" z.B. ist zum heulen schön.

  • Vor 12 Jahren

    Juhuuu das neue Album von Anna ist da. Ich liebe diese Künstlerin die einfach nur grossartige Musik macht. Ich hatte leider noch keine Gelegenheit richtig ins Album reinzuhören aber das wird sofort nachgeholt.

    Ich wurde Fan durch das Album Somebody outside. Auf ihrem debut Album findet sich so viel Wärme in den Melodien das man daheim sogar die Heizung ausschalten kann.

    Ueberragend kommt Anna auf ihrem zweiten Album daher. Separation Road gehört zu meinen Alltime Lieblingsalben. Dann hat sie ja noch diese Mini Alben eingespielt in denen die Songs nochmals reduziert wurden nur mit Akustikgitarre. Da wollte man doch glatt ein Lagerfeuer im Wohnzimmer zünden.

    Leaving on a Mayday wann dann doch ein etwas enttäuschendes Album. Das erste tief sozusagen. Um so mehr freu ich mich zu lesen das sie auf dem Album zu alter Form zurückfindet.

    Live hatte ich bisher leider noch nicht die Gelegenheit soll aber geil sein.

    Diese Lobeshymne musste jetzt einfach mal sein da es Künstlerinen von ihrem Schlag leider nicht so häufig gibt. Diese Musik ist für mich ein echter Seelenstreichler.

    Lieber Artur, wieder einmal begegne ich dich beim rezensieren einer meiner Lieblingskünstler. Das scheint eine angenehme Gewohnheit zu werden. Wieder einmal findest du die absolut richtigen Worte für ein Album das es auch sicher verdient beachtet zu werden. Das Lob an die luftig leichte und hauchende Stimme von Anna kann man nur unterstreichen. Es pass alles perfekt zusammen.

    Natürlich würde man der Ternheim in der öffentlichen Wahrnehmung mehr Aufmerksamkeit wünschen aber sie macht nun mal keine massenkompatible Radiomusik um Kasse zu machen sondern Musik für Liebhaber und die wissen Anna auf jedenfall zu schätzen.

  • Vor 12 Jahren

    hab früher mal in separation road reingehört und fand's nicht so prickelnd. aber das hier - wow! her damit!