laut.de-Kritik

Die stilistische Bandbreite kaschiert manchen Mangel.

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Mit den ersten beiden Avantasia-Langrillen erwies sich Tobias Sammet als legitimer Helloween-Erbe. Speedige Momente, angetrieben von Alex Holzwart an den Drums und von Michael Kiskes glasklarer Stimme veredelt, finden sich auch auf der Doppel-Veröffentlichung "The Wicked Symphony/Angel Of Babylon". Tobias Sammets musikalische Sozialisation in den Achtzigern hinterlässt jedoch immer größere Spuren. Viele Songs klingen nach Melodic-Rock, allerdings mit vielen unterschiedlichen Einflüssen und Zitaten.

Der hohe Sammet-Output - in den vergangenen sechs Jahre hagelte es jeweils drei Edguy- und Avantasia-Alben - hat einige stilistische Überschneidungen und kompositorische Analogien zur Folge. "Promised Land", vielleicht der stärkste Song der Scheibe, erschien in fast identischer Form auf der "Lost In Space"-EP.

Auf "Angel Of Babylon" fallen einige Nummern in ihrer Ausrichtung auf die jeweilige Gesangsbesetzung zu typisiert aus. Bob Catleys Reibeisenorgan wird vom folkigen Gitarren umgarnt und schnurrt sich wie auf "Cry Just A Little" vom Vorgänger "The Scarecrow" in die Herzen der weiblichen Hörer. Allerdings bettet Sammet den Magnum-Gnom in einen anderen Kontext und fügt so dem abschließenden Epos "Journey To Arcadia" einen weiteren Farbtupfer hinzu.

Auch die Besetzung des dämonischen Klassik-Rock-Opus "Death Is Just A Feeling" mit Ober-Weirdo Jon Oliva (Savatage, TSO) scheint vorhersehbar, überzeugt dann aber doch mit einer gelungenen Komposition.

Der Titeltrack, "Alone In Remember" (coole Gitarrenarbeit!) und das angesprochene "Promised Land" gehören zu den Highlights derzeitiger Heavy-Rock-Musik. Dem Gothic-Rocker "Symphony Of Life" und der balladesken Gefühlsduselei "Blowing Out The Flame" kann man hingegen auch nach mehreren Durchläufen nichts abgewinnen.

Die typischen Bombast-Elemente verwebt Tobias Sammet mit seinem Haus- und Hofproduzenten und verlängerten Arm an der Gitarre, Sascha Paeth, gekonnt mit Ohrwurm-Melodien. Harmonische Wendungen salzen einige zu formelhaft klingende Passagen gehörig ein. Und der heimliche Star Jorn Lande dominiert mit seiner kraftvollen Röhre wie auf "The Scarecrow" das Geschehen. Auch wenn sich Mastermind Sammet weitgehend von der gepressten Gesangsweise verabschiedet hat und mehr stimmliche Variabilität zeigt, stellt ihn der Norweger in den Schatten.

Dennoch: Die im Falle des Edguy-Frontmanns in dieser Form noch nicht aufgebotene stilistische Bandbreite kaschiert manchen Mangel, das All-Star-Ensemble garantiert Kurzweil, und so reiht sich auch "Angel Of Babylon" in die Abteilung absolut hörenswert ein.

Der größte Unterschied zwischen den Alben "The Wicked Symphony" und "Angel Of Babylon" liegt in der leicht variierten Gästeliste. Die musikalisch allenfalls im Nanometerbereich festzustellenden Abweichungen lassen die Frage aufkommen, ob der 32-jährige Projektkopf die besten Songs nicht auch auf einer Veröffentlichung hätte platzieren können.

Trackliste

  1. 1. Stargazers
  2. 2. Angel Of Babylon
  3. 3. Your Love Is Evil
  4. 4. Death Is Just A Feeling
  5. 5. Rat Race
  6. 6. Down In The Dark
  7. 7. Blowing Out The Flame
  8. 8. Symphony Of Life
  9. 9. Alone I Remember
  10. 10. Promised Land
  11. 11. Journey To Arcadia

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