laut.de-Kritik
Valium-Indiepop mit einer Überdosis Coolness.
Review von Magnus HesseAls Belgiens Indie-Aushängeschild gelten Balthazar seit 2010. Mit "Thin Walls" liefern sie ihr drittes Album ab und können sich darauf nicht so recht einigen zwischen mildem Britpop und eklektischem Rock'n'Roll.
Von vorne herein fällt da auf, dass das Fünfergespann einiges an Hirnschmalz und Experimentier-Expertise in die Ausführung ihrer Einfälle gesteckt hat. Nur ja nicht im Gleichschritt mit all dem Indiepop-Geseier verebben. Dafür vertraute die Combo sogar erstmals auf fremde Hilfe und engagierte Ben Hillier (Blur, Depeche Mode, Doves, Elbow).
Dafür werden in "Then What" altmodische Heimatfilmstreicher aufgefahren und Geigerin Patricia Vannestes gibt ab und zu ihren Senf dazu. Etwa im Auftakt "Decency", der sehr an den Sound der letzten Arctic Monkeys-Platte erinnert und durch Violin-Glissando im maximal bassigen und entschleunigten Refrain gar orientalisch anmutet. Als hätte man eine Tame Impala-Platte mit halber Geschwindigkeit abgespielt. Auch "Dirty Love" klingt nach kuscheligem Retro-Rock, Marke Albert Hammond Jr.
Über "Bunker" liegt aber dann wieder dieser archetypische, von Simon Casiers Tieftöner angeschobene Groove, den Gorillaz-Murdoc in unverkennbarer Zupf-Pose unbeeindruckt nachts auf einem Friedhof einspielen könnte, dessen Erdreich ausgewachsene Monsteraffen durchforsten. Definitiv eine der stärksten Nummern dieses Drittwerks. Hier wohnt der Trägheit ein Zauber inne, schimmernde Glam-Akkorde zerfallen da im Hintergrund über fasrigen Synthieflächen.
Oft dominieren aber eher die abgedämpften, angedeuteten Riffs. "Wait Any Longer" passt auf jeden gebrannten "Hits für die Insel"-Rohling. Da wird etwas zu sorgenfrei im lauwarmen Kinderpipi-Pool geplanscht. Statische Layer und das fast durchgehend bluesige Schlagzeug tauchen diese Songs manchmal leider in ein etwas zu fades Licht und egalisieren Tracks wie "Last Call" zu lighter Hängematten-Idylle.
In "So Easy" darf sich wieder Vannestes austoben, innovativ wirken ihre hervorgehobenen Schleifen und das überdrehte Griffbrettgerutsche allerdings da schon nicht mehr. Und auch hier erweckt der Chorus eher Bilder an Tui-Werbeclips für Direktflüge.
All diese Unbekümmertheit walzt allerdings "True Love" nieder. Stilistisch an den Opener anknüpfend, überbordet dieser Pathos das luftige Caprio-Sonnen-Feeling und beweist, was die fünf auf dem Kasten haben. Riesige Hallen will dieser Song mit Bläserbombast füllen, Heerscharen an sich liebenden Idealisten mobilisieren und Amore zum alleinigen, allmächtigen Herrscher küren. Nach so viel Sturm und Drang will man fast die Filler vergessen und summa summarum steht da am Ende auch kein mittelmäßiges, sondern ein außerordentlich engagiertes Album da.
Phasenweise wirkt Sänger Maarten Devoldere etwas zu sehr wie auf Valium hängen geblieben, zwischen affencool oder relativ uninspiriert. Und irgendwo in diesem Zwischenraum verortet sich auch "Thin Walls" - denn die Trennwände sind dünn.
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