laut.de-Kritik

Futur III-Pop, aus dem 19. Jahrhundert und doch Lichtjahre voraus.

Review von

Wir alle befinden uns im tiefsten Dornröschenschlaf. Obwohl wir glauben, um die Klangräume und Genrekontexte unserer Zeit zu wissen, treiben wir tatsächlich mit geschlossenen Sinnen durch die Musikwelt. Wer sich mit diesem Zustand nicht zufrieden geben mag, findet in "Mirrored" das einzig probate Gegenmittel.

Erste Reaktion nach der Battlesschen Adrenalinspritze: ungläubiges Ohrenreiben. Die Diskrepanz zwischen der eigenen Idee von Gegenwartspop und diesem Futur III-Gegenentwurf wirkt schlicht unüberwindbar. Anschließend folgt für gewöhnlich die Verzweiflungsphase. Wo sind nur die gefühlten letzten 15 Jahre Musikgeschichte geblieben, die einem die Platte voraus hat? Nach ausgiebiger Forschung am Objekt erwächst dann die Erkenntnis, dass es sich ungefähr folgendermaßen zugetragen haben muss.

2003 schließt sich eine illustre Runde von ADH-Gestörten (ehemalige Mitglieder von Helmet, Lynx und Don Caballero) zusammen. Ihr vermutliches Ziel: Math Rock und der Zukunft zugewandten Sequenzer-Avantgarde-Funk auf der Basis von Crystal Meth zu vereinen. Mittel zum Zweck: die Konversion bestehender Rollenverteilungen.

Die Stimme steht nicht länger über den Tonwerkzeugen - sie ist verzerrtes Rhythmusinstrument. Der Drummer wird digitalisiert - 200 BPM von Menschenhand. Dazu zwei Gitarren, die wie Kolibris in totaler Ekstase im gleißenden Licht flattern.

Einige hilflose Allegorien: Alvin und die Chipmunks, führerlose Kettenkarussells, ein Streichelzoo, bizarre Schamanismen, ein Kuriositätenkabinett, der Akira-Soundtrack, Surrealismus, Dadaismus, Hypnose und eine Dampflok, die zu gleichen Teilen nach 19. Jahrhundert und Lichtjahre voraus klingt.

Ihr atemloses Rennen laufen Battles nur gegen sich selber, also versuch gar nicht erst, die Strukturen zu durchschauen. Vergiss den roten Faden. Warte auch nicht auf die Killerhook. Das wäre so 2007. Lass dich überrunden, halte eine Weile den Rhythmus, lass sie wieder ziehen und lauf ihnen am besten rückwärts wieder entgegen. This is how to catch a glimpse of maximum weirdness.

Trackliste

  1. 1. Race:In
  2. 2. Atlas
  3. 3. Ddiamondd
  4. 4. Tonto
  5. 5. Leyendecker
  6. 6. Rainbow
  7. 7. Bad Trails
  8. 8. Prismism
  9. 9. Snare Hangar
  10. 10. Tij
  11. 11. Race:Out

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