laut.de-Kritik

"D'Wält bruucht Medizin" und mehr solchen Mundart-Rap.

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"Irgendetwas ist anders." Es scheint, als habe sich Big Zis die Erkenntnis aus "Groundhog Day" auf die Fahnen geschrieben. Diese Eidgenossin macht - von den Reimen über die Beats hin zu den abgedreht originellen Szenarien und Sichtweisen - einfach alles so dermaßen anders, dass sich "gut" als unangemessen schwache Vokabel entpuppt. Der Umstand, dass sie ihre Texte, Geschichten und Gedichte selbstredend im Züri-Slang kredenzt, bildet da noch eine der unwesentlicheren Abgrenzungen zum zu oft lieblos zusammen geklatschten Einheitsbrei.

"Min Chopf isch voll wines Waarehuus / Was da alles ine muus, ich staples uuf." Man möchte es angesichts der Fülle von Ideen, mit der Big Zis aufwartet, unbesehen glauben. Bei ihr verliert ein Biber sein Herz an ein Felsmassiv, spähen Bilder diejenigen aus, die sich gemeinhin als die Betrachter fühlen, verschwindet die Welt rund um einen Reisenden, bis nicht einmal mehr der Weg, nur mehr die Bewegung das Ziel ist.

Tropfen, ob sie nun in Form von "Suure Räge" oder aus dem undichten Hahn in der "Wiissi Chuchi" fallen, addieren sich zu steten Rhythmen, die mühelos die Alpen höhlen und jedem noch so morschen Tanzbein eine Politur verpassen. Vom warmen, groovigen Einstieg mit Jazz- und Funk-Anleihen, darf man sich ruhig einlullen, nicht aber in Sicherheit wiegen lassen: Die mörderischen Bretter lauern bereits hinter der nächsten Tür, "Ich Schwöör".

Lässig angeschlagene Basssaiten treffen auf grelle Elektrosounds, minimalistische Klänge, wabernde Synthies, Ambient-Elemente. Insbesondere sorgen Marton di Katz und Valentino Tomasi aus den Reihen des Rumpelorchesters (und damit eigentlich im House-Bereich zu Hause) dafür, dass ein "Discobluus" schabt, knarrt und blubbert oder die "Prrrdy" schnurgerade über den Dancefloor stapft: "Tanz en shrimp!

Big Zis verzichtet auf jegliche Anbiederei. Kantig rappt sie sich durch "Ich Schwöör", legt mit "Käis Probleem" einen veritablen Kopfnickertrack hin und gibt im Skit "Zis Big" das menschliche Metronom. Für ein solches bedeuten Rhythmuswechsel, so zeigt "S Isch All", einen Klacks, über den sich ohne Aufhebens hinweg flowen lässt.

Darüber hinaus beschwört Big Zis große Gefühle, wenn sie ihre Schallwellen gewordene Poesie durch den Raum rinnen lässt. Die unerfüllbare Sehnsucht des liebeskranken Bibers scheint dann so greifbar wie die den "Niil" versalzende Krokodilstränenflut, so unwiderstehlich wie die surreale Stimmung aus "Neggsht". Manchmal reicht als Begleitung eine Akustikgitarre, eine Cowbell aus: Big Zis ist sich in diesen Momenten selbst genug.

"D'Wält bruucht Medizin", mehr Mundart-Rap und mehr MCs, die sich trauen, ausgetretene Pfade zu verlassen. Wenn diese dann noch ein abwechslungsreiches, knallbuntes, vom kleinsten Zwischenspiel bis zur epischen Geschichte einfallsreich produziertes Umfeld mitbringen, fällt das gewöhnungsbedürftige Coverartwork nicht weiter ins Gewicht: "Irgendwas ist anders. Alles, das anders ist, ist gut."

Trackliste

  1. 1. Fett
  2. 2. Ich Schwöör
  3. 3. Neggsht
  4. 4. No (Skit)
  5. 5. Käis Probleem
  6. 6. Discobluus
  7. 7. Biberräis feat. Sophie Hunger
  8. 8. Zis Big (Skit)
  9. 9. Suure Räge
  10. 10. Zessi
  11. 11. I Love KMU
  12. 12. Prrrdy
  13. 13. Bisch Truurig? (Skit)
  14. 14. S Isch All
  15. 15. Alebale (Skit)
  16. 16. Wiissi Chuchi
  17. 17. Niil

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