laut.de-Kritik

Will Oldham gibt sich zufrieden wie noch nie.

Review von

Will Oldham alias "Bonnie 'Prince' Billy" ist eine merkwürdige Erscheinung. Mit dem ungepflegt wuchernden Vollbart, hinter dem er letztens sein hageres Gesicht versteckt, sieht er eher aus wie ein durchgeknallter Einsiedler als wie ein Musiker mit poetischem Flair.

So falsch ist der erste Eindruck allerdings nicht. Genauso wenig der zweite, denn genau in Gegensätzlichkeiten und Widersprüchen liegt die Faszination seiner Musik. Ein erneuter Beweis dafür ist sein neuestes Werk "Ease Down The Road." So gut produziert wie keiner der Vorgänger, gewinnt man Oldhams hoher und brüchiger Stimme immer wieder neue Facetten ab, gut unterstützt von akustischen Gitarren und dem Werkeln einer ganzen Reihe von Gastmusikern, die dezent mal ein Klavier, mal angelische Backgroundvocals oder gar ein paar Synthienoten einbringen, ohne zu belasten.

Das Ergebnis ist ein Sound, der sich zwischen Folk und Country ansiedelt. Man kann sich Oldham gut als einen Barden wie Woody Guthrie oder Townes Van Zandt vorstellen, der durch die Bars Amerikas zieht und Geschichten über Frauen, Alkohol, die harten und die schönen Seiten des Lebens vorträgt; seine Stimme wirkt fast genauso beruhigend, die Gitarre ist kaum abwechslungsreicher. Hört man sich jedoch die Texte genauer an, findet man sich in einer ganz anderen Welt wieder.

Handeln die ersten zwei Lieder von Liebe, einmal von ewiger, das andere von gescheiterter, findet sich in "A King At Night" mit Gott, blutbedeckten Händen, Oralsex und wüsten Drohungen eine typische Oldham-Assoziierung, die wie immer ohne merkliche Differenzierungen in Gesang oder Begleitung auskommt, und sich anhört wie ein melancholisches Gute-Nacht-Lied. Eine Eigenschaft, die sich durch das gesamte Album zieht.

Immer wieder erscheinen Elemente, die eine Situation in einem neuen Licht erscheinen lassen. Geschichten wie die von Evil Jack und der wunderschönen Sarah ("Just To See My Holly Home") wechseln sich mit Beschreibungen von Gefühlen und Gemütszuständen ab ("Break Of Day" oder "Grand Dark Feeling Of Emptiness"), ohne sich jemals in kitschige oder pubertäre Gefilde zu verirren. Das schönste Lied ist vielleicht das namengebende "Ease Down The Road." "I took her on a simple trip/To see her husband's family/And on the way upon her hip/I was laying my head down gently," lauten die ersten Zeilen, ein Beispiel für die Kunst, mit wenigen Worten eine ganze Geschichte erzählen zu können. "Mrs. Williams" handelt, genauso wie "After I Made Love To You", von Ehebruch und Leidenschaft, das abschließende, fröhliche "Rich Wife Full Of Happiness" endet in einem morgendlichen Bett, "my finger in her behind."

"Ease Down The Road" ist bislang das ausgereifteste Album Oldhams, zudem ist es einfach schön anzuhören, egal, ob man auf die Texte achtet oder nicht. Wenn man ein bisschen darin wühlt, trifft man auf eine bei ihm bisher unbekannte Zufriedenheit. Zwar ist die Frage, warum seine Musik in ihren Bann zieht, nach wie vor schwer zu beantworten. Wenn man sie sich aber einmal angehört hat wird es schwer, ihr zu entrinnen.

Trackliste

  1. 1. May It Always Be
  2. 2. Careless Love
  3. 3. A King At Night
  4. 4. Just To See My Holly Home
  5. 5. At Break Of Day
  6. 6. After I Made Love To You
  7. 7. Ease Down The Road
  8. 8. Lion Lair
  9. 9. Mrs. Williams
  10. 10. Sheep
  11. 11. Grand Dark Feeling Of Emptiness
  12. 12. Rich Wife Full Of Happiness

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Will Oldham

Stößt man bei der Informationssuche über einen Musiker auf Vergleiche mit toten Philosophen, Begriffe wie "failed transcendence" oder seitenlange Interpretationen …

Noch keine Kommentare