laut.de-Kritik

Schottischer Spagat, sieben Tage die Woche.

Review von

Nach der selbst aufgestellten These Disco erschaffen zu haben, erklärt das schottische Wunderkind jetzt mit seinem Zweitwerk die Bereitschaft für das heilige Wochenende. Und wieder überzeugt die Mischung aus charakteristischen Synthiestakkati und poppigen Electrobässen vor allem einen Abnehmer: das Fernsehen.

Dudelte Heidi Klum mit ihrer unverzichtbaren Model-Ausschau-Show das nette "Acceptable in The 80s" vom Vorgänger bis zur gefühlten inneren Resignation aus, nimmt sich nun Coca Cola der Ohrwurm-Penetration an. Glücklicherweise mit einem Song, der auf "Ready For The Weekend" sowieso fast überflüssig erscheint.

"Yeah Yeah Yeah La La La" mag knuffige Gremlin-Glücksbärchis durch gelegentliche Drogenzufuhr zum Tanzen animieren, allerdings sucht jeder, der nicht gerade als Plüschtier mit seiner Bigband in einem frisierten Keyboard wohnt, bei dem Stück lieber das Weite. Als Werbehit geht das in Ordnung, als Song ist das jedoch so belanglos wie sein durchaus passender Titel. Schade eigentlich: Ohne diesen Refrain würden die Prince-ähnlichen Vocals darin der ganzen Geschichte noch Geschmack verleihen.

Calvin Harris versteht sein Handwerk natürlich. Zieht zielsicher einen Spagat zwischen verkaufskalkuliertem Popbusiness und Dancetracks, die ebenfalls in Clubs abseits des Mainstreams funktionieren. Nicht grundlos feilte er bereits an Produktionen für Kylie Minogue, Sophie-Ellis Bextor oder die Mitchell Brothers. Aufgrund einiger Ausrutscher in Gefilde der poppigen Eintönigkeit verliert das Album an Charme, obwohl eigentlich alles ordentlich anfängt.

"The Rain" eröffnet mit blubbernden Bässen, Saxophoneinlagen, verspielten Sirenen und Bleeps das optimistische und gutgelaunte Werk mit der Ansage "These are the good times in your life, so put on a smile, it'll be alright". Wie alle Songs mit inzwischen unverkennbarer 80s-Synthie-Duftmarke - a fragrence by Calvin Harris.

Mary Pearce, Backing-Sängerin für beispielsweise Lionel Richie oder Chaka Khan, verleiht den frühen 90er-House-Pianosounds im folgenden "Ready For The Weekend" Hymnencharakter. "I put on my shoes and I'm ready for the weekend" klingt zwar platt, aber stimmt doch. Gäbe es eine kommerzielle Disco-WM, dies wäre der offizielle Song dazu. Solchem Stadioncharakter kann gerade noch "You Used To Hold Me" standhalten.

Zwei Nr. 1-Kassenschlager zeugen jedoch erst von der wahren Qualität Harris'. Das großartige "I'm Not Alone" entpuppt sich wider den feierwütigen Hedonismus und die glamourösen Exzesse der Calvinschen Gesetze als nachdenkliche, verletzliche Beichte des Künstlers, als wunderbar gesungen und durchtränkt von ravigen Synthesizern mit langem Pop-Schweif. "If I see a light flashing, could this mean that I'm coming home / If I see an arm waving, does this mean that I'm not alone? / I can't do this anymore".

Dizzee Rascal zeigt dann über träumerische Flächen und einem holländischen Schifferklavier auf, warum "Dance Wiv Me" nicht als Fragestellung formuliert wurde. Von der Akustikgitarre begleitet und vom eigenem Gesang bringt Harris mit "Blue" ein gelungenes Äquivalent - eben ohne Gast-MC.

Dafür zeigen sich Schwächen im Songwriting in "Worst Day", das mit einem Outkastschen Uptempo-Beat ansonsten erfrischend abwechslungsreich klingt. Der Electro-Bouncer "Relax" wäre wohl instrumental ebenso besser gestaltet. Das Calvinsche Konzept - Dancetauglichkeit und Konsolenkunst - geht definitiv auf, präsentiert sich instrumental vielseitig in und klingt trotz starkem Popappeal eigentlich ziemlich gut. Geben wirs doch zu!

Trackliste

  1. 1. The Rain
  2. 2. Ready For The Weekend
  3. 3. Stars Come Out
  4. 4. You Used To Hold Me
  5. 5. Blue
  6. 6. I'm Not Alone
  7. 7. Flashback
  8. 8. Worst Day (feat. Izza Kizza)
  9. 9. Relax
  10. 10. Limits
  11. 11. Burns Night
  12. 12. Yeah Yeah Yeah La La La
  13. 13. Dance Wiv Me
  14. 14. 5iliconeator

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