laut.de-Kritik
Ein einziger vierzigminütiger Schrei.
Review von Sven KabelitzWenn Charles Bradley mit einschneidender Stimme auf einer deutschen Autobahnraststätte eine Linsensuppe bestellt, dann hat das Soul. Wenn Charles Bradley Spandau Ballets Best Of hoch und runter singt, dann hat das Soul. Selbst wenn Charles Bradley den Müll raus bringt, hat das Soul. Dieser Mann kann einfach nicht anders. Dieser Mann schwitzt Soul.
Mit "No Time For Dreaming" erschien vor zwei Jahren eines der besten Genrealben der letzten zehn Jahre. Kurz darauf legte er für das "Nevermind"-Tribute des SPIN-Mags das umwälzende Nirvana-Cover "Stay Away" nach.
Für "Victim Of Love" entwickelt der Spätberufene seinen Sound nun gemeinsam mit Menahan Street Band-Mastermind Thomas 'TNT' Brenneck weiter. Der ehemaligen Küchenchef einer psychiatrischen Klinik richtet sich sein eigenes "Psychedelic Shack" ein. Aus der Baracke nebenan grüßen freundlichst die Temptations. "You can have your fortune told / You can learn the meaning of soul."
Nicht nur das amerikanische Vokalquintett hat auf "Victim Of Love" seine Spuren hinterlassen. Deutlich bedient sich "Confusion" bereits in den ersten Sekunden beim Wahnsinn von Curtis Mayfields "(Don't Worry) If There's A Hell Below, We're All Going To Go". Der dröhnende Bass, die vom eigenen Rückschall überholten Vocals sowie die erhitzen Bläser verfolgen den eingeschlagene Weg Richtung Schattenreich konsequent weiter.
Der akustische Nachdruck des Titeltracks lässt dem "Screaming Eagle Of Soul" jeglichen Platz um seine mächtigen Schwingen zu entfalten. Aloe Blacc, Michael Kiwanuka und selbst Lee Fields in allen Ehren - doch jedes gekeuchte "Uhh", jedes geschriene "Aaahhh" weist diese in ihre Schranken.
Während sich die Herren nach getaner Arbeit zum netten Kaffeeplausch um die Ecke treffen, buddelt Bradley noch weiter in den Tiefen meiner Seele herum. Da kann er es sich sogar leisten, mit "Dusty Blue" einen der besten Tracks komplett der Menahan Street Band zu überlassen und einfach mal die Klappe zu halten.
Bradley, das Opfer der Liebe, atmet die Tradition aus siebzig Jahren Soul in jeden Winkel seiner voluminösen Lungen und keift sie in einem einzigen vierzigminütigen Schrei heraus. Mit "Victim Of Love" vergrößert er seine emotionale Bandbreite nochmals um ein Vielfaches, spielt demutsvoll und nachhaltig mit jeder Saite des Lebens. "When The World Gives You Love / It Frees Your Soul."
13 Kommentare
Der Typ ist King.
Sehr zu empfehlen das "Durch die Nacht mit.." Charles Bradley und Sharon Jones!
Oh ja, das ist - obwohl ich kein Soul-Connaisseur bin - wirklich durchgehend stark!
Die Rezension bringt das gut zum Ausdruck.
@akademiker
Guter Tipp!
Großatrtig! Hab ihn gerade auf einem Club-gig in Berlin gesehen und wurde direkt von ihm umarmt
http://www.youtube.com/watch?v=Ot0SvgMleJc
Krass, Roberto Blanko macht solche Musik?
Morphi
Nicht der Satz, sondern meine Empfehlung ist einen Blindkauf wert.. und das Debut bitte gleich mitkaufen. Und alles von Sharon Jones the Dapking ebenso.
Foxi
Aight.