laut.de-Kritik

Die Pforten der Autotune-Hölle bleiben weit geöffnet.

Review von

In den frühen Morgenstunden des 19. August 1998 schlug Cher das Necronomicon Ex-Mortis auf und brabbelte die folgenschweren Worte: "Do you believe in life after love." Mit den letzten Tönen ihrer Hit-Single "Believe" öffneten sich die Pforten zur Unterwelt der Dance-Pop-Musik, und all die Untoten und Nichtsänger erhoben sich aus ihren Gräbern.

Seitdem nutzen die Wiedergänger das damals noch als "Cher-Effekt" bekannte Auto-Tune, die Geißel der Menschheit, auf ihrem Weg in die Gehirne ihrer Opfer. Damit zeigt sich Cher als Großmutter der Black Eyed Peas, von Kesha und The Script direkt verantwortlich für einige der größten Verbrechen an den Ohren der Menschheit. Gegen diese Zombies helfen keine Pflanzen.

Anstatt auf "Closer To The Truth", ihrem ersten Longplayer nach zwölf Jahren, den alten Dämonen abzuschwören, greift die mittlerweile 67-jährige Sängerin ein weiteres Mal in die alte Vocal-Trickkiste. Unter Mithilfe von Paul Oakenfold ("Woman's World"), Tim Powell ("Take It Like A Man"), Timbaland ("I Don't Have To Sleep To Dream"), MachoPsycho ("I Walk Alone") und vielen vielen anderen liefert Cher etliche der schrecklichsten Bumms-Disko-Stampfer des Jahres 2013.

Dabei ist es im Grunde vollkommen egal, wer genau ihr gerade die Songs auf den maßgeschneiderten Leib schreibt. Eine eigene Handschrift hinterlässt noch nicht einmal der sonst alles überdeckende Timbaland. Das Resultat klingt jedes einzelne Mal gleich scheußlich. Fänden Stock Aitken Waterman wieder zusammen und produzierten an einem wirklich schlechten Tag ein Album, heraus käme "Closer To The Truth". Selbst Rick Astley, Jason Donovan, Samantha Fox und Mandy Smith wären diese Songs zu mies.

Einer einzigen Ibiza-Schaum-Party gleich durchziehen "Woman's World", "My Love" und all die anderen Schreckenstaten jene Sounds, die Charts in den 1990ern so unerträglich machten. "Red" könnte ebenso aus der Hit-Schmiede des Dieter Bohlen stammen. Das abgeschmackte "Dressed To Kill" wäre Madonna zu "Ray Of Light"-Zeiten selbst für eine B-Seite zu peinlich vorgekommen. (Heute würde sich die Queen Of Pop wahrscheinlich über dieses naive Liedlein freuen.) Die theatralische Synth-Pop-Karikatur "Lovers Forever", eine übel entstellte Fratze alter Pet Shop Boys-, Erasure- und Fancy-Hits, setzt dem ganzen Schauder noch die schiefe Krone auf.

Erst im letzten "Closer To The Truth"-Drittel findet Cher den Ausgang aus der sich immer weiter im Kreis drehenden Autoscooter-Chaise. Unterhalb des Effekt-Wirbelsturms verfügt Cher nach wie vor über ein mächtiges Stimmvolumen. Das macht das vorherige Versteckspiel nur noch unausstehlicher. Ein paar so vorhersehbare wie belanglose Balladen ("I Hope You Find It", "Lie To Me") beenden ihren mittlerweile 26. Longplayer. Zu diesem Zeitpunkt ist das Kind aber bereits längst in den Brunnen gefallen.

Sich offensichtlich bewusst, dass man keinem Musiker für "Closer To The Truth" Anerkennung zollen kann, grüßt Cher in ihren Danksagungen lieber Rebecca, "for trying to keep my ass in shape". Zudem verneigt sie sich vor Lindsay Scott, der sie immer wieder zurück ins Studio schickte. "Without his 'Cher why aren't you in the studio?' there would be nothing to listen to or read. You'd just be staring into dead air." Ach, wäre das schön.

Trackliste

  1. 1. Woman's World
  2. 2. Take It Like A Man
  3. 3. My Love
  4. 4. Dressed To Kill
  5. 5. Red
  6. 6. Lovers Forever
  7. 7. I Walk Alone
  8. 8. Sirens
  9. 9. Favorite Scars
  10. 10. I Hope You Find It
  11. 11. Lie To Me
  12. 12. I Don't Have To Sleep To Dream
  13. 13. Pride
  14. 14. You Haven't Seen The Last Of Me

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28 Kommentare mit 72 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    ich finde das album ok, es macht gute laune und man kann es zb gut beim autofahren hören. es ist very 90er, aber ist es deshalb schlecht? ich finde nicht. es ist eher geschmacksache wie immer bei musik im übrigen. ich finde es vollkommen lächerlich dass sich die redakteure und offensichtliche fans von laut.de hier so aufspielen und zynische und abwertende texte schreiben. meint ihr ihr seid das wort des (musik)gottes? dass eure meinung irgendeine bedeutung hätte? dass ihr mehr ahnung von musik habt? oder dass dieses portal mehr sinn macht als unzählige andere musik-kritik-portale? ich kann euch nur bemitleiden dass ihr es nötig habt euch so aufzuspielen. sucht euch mal ein hobby!

    • Vor 10 Jahren

      laut.de ist tatsächlich besser als alle anderen wenn alle anderen so einen Schund auch noch in den Himmel loben.
      btw. ich hör das Album gern beim Autoscooter.

    • Vor 10 Jahren

      Wonach bemisst sich eigentlich ein gutes Album? Das ist doch persönlicher Geschmack ob es einem gefällt. Wenn jemand Autotune mag warum ist das falsch oder schlecht? Das ist genauso als wenn man sich darüber streitet ob man lieber Wein oder Sekt trinkt. Ich mag zum Beispiel überhaupt keine Rockmusik, und würde deshalb mir aber auch niemals herausnehmen ein Rockalbum zu kritisieren, weil es niemals objektiv wäre.
      Dass Laut nicht objektiv ist merkt man übrigens an vielen Stellen, z.B. das Album von Adele -21- hat zig Grammys gewonnen und die gesamte Fachwelt ist sich darüber einig dass es einfach großartig ist von Anfang bis Ende und Adele ist eine der wenigen Sängerinnen die live genauso gut singen können. Dieses Album hat keine Schwächen und hätte normalerweis mit 5 Sternen bewertet werden müssen. Wenn man die Beurteilung liest dann hat man das Gefühl derjenige der es geschrieben hat hat die Titel allenfalls mal kurz angespielt, wahrscheinlich dabei eben noch ne Pizza gemampft und Geschirr abgetrocknet.
      Eine höhere Auszeichnung als den Grammy kann wohl nicht mehr erreicht werden. Also soviel nur zur Objektivität von Laut.

  • Vor 9 Jahren

    Das Cher-Album, kurz: Müll. Eine Belastung für die Ohren. Mehr nicht.

  • Vor 7 Jahren

    War mein erstes Cher-Album. Bin durch "Dressed To Kill" darauf aufmerksam geworden. Es ist ein gutes aber nicht überragendes Album das manchmal aber auch echt anstrengend wird.

    Favoriten: Dressed To Kill (!!), I Hope You Find It (!!), You Haven't Seen the Last Of Me(!!) & Woman's World