laut.de-Kritik

Ein würdiger Erbe der großen Dichter und Denker: "Das hier sind goldene Bars".

Review von

"Irgendjemand hat mal gesagt: Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es auch nicht das Ende." Wie schade, demnach muss Cr7z' Karriere wohl vorbei sein: "Sieben Weltmeere" ist ohne jeden Zweifel verdammt gut.

Die nicht ganz so guten Aspekte, ohnehin Meckern auf erhabenstem Niveau, lassen sich an einer verstümmelten Hand abzählen: Cr7z präsentiert sich zwar als technisch exquisit flowender Rapper, besonders abwechslungsreich gerät sein Vortrag auf Albumlänge betrachtet trotzdem nicht.

Noch mehr stören mich die beiden Featureparts von Xavier Naidoo, dessen Sympathiewerten der ausgesprochen fragwürdige Blödsinn, den er immer wieder in die Runde blubbert, auch nicht gerade zuträglich ist. Mannheims reichsbürgerfreundlicher Sohn macht mir mit seinem gewohnt schmalzigen Gesülze im Chorus den Genuss von "Zurück An Den Anfang" echt schwer. In "Jetzt Oder Nie" klingt er zwar dunkler, nicht ganz so klebrig. Auch hier wäre ich bestens ohne Naidoos seltsam sprechgesungene Parts ausgekommen.

Doch das Leben ist eben kein Wunschkonzert. Cr7z immerhin hat sich mit dem Kollabopartner Naidoo einen Jugendtraum erfüllt, wie "Ich Erinner Mich" durchblicken lässt. Dort legt er zu zugleich dramatischer und lieblicher Klavierbegleitung ein Mosaik aus den unterschiedlichsten Momentaufnahmen, die aus den Nebeln des Gedächtnisses auftauchen, spürt nach, was aus den vielen Details geworden ist, und sinniert im Zuge dessen über die Vergänglichkeit des Lebens: poetisch, emotional, einfach zauberhaft.

Zu diesem Zeitpunkt hat der Tsunami aus Wortgewalt, Bilderreichtum, Tiefgang, Hingabe und "Ehrlichkeit vom fernen Stern", den Cr7z über seine Hörerschaft hinweg branden lässt, jede Mäkelei längst mit sich fort gerissen. Titel und Coverartwork illustrieren es prächtig: Cr7z, voll in seinem Element, beherrscht und bändigt die Fluten und macht sie sich Untertan. Der Typ selbst ist eine Naturgewalt, und beeindruckt (wie der an mehreren Stellen beschworene Eminem) immer dann am meisten, wenn er sich in ein Thema oder Gefühl rückhaltlos hineinsteigert.

"Die Welle, die mich mit sich zieht, ist riesig": Offenbar zahlt sich die über die Jahre investierte Beharrlichkeit nun endlich aus. Cr7z rechtfertigt jedes bisschen der "Euphorie", die ihm dieser Tage entgegen schlägt. Er hat eine Menge zu sagen, verfügt über den Wortschatz dazu, und - auch nicht unwichtig - ihn treibt der unbedingte Wille, diejenigen, an die sich seine Botschaft richtet, auch zu erreichen, eine echte Verbindung aufzubauen.

Wer sich für Cr7z, sein Leben, seine Gedanken- und Gefühlswelt und seine Erkenntnisse nicht interessiert, zieht ihm dagegen meilenweit am Arsch vorbei. Wer glaubt, ihm von dort aus auch noch an den Karren fahren zu müssen, sollte sich warm anziehen: "Im Sog", ein knallhartes Stück Battlerap, schlachtet Miesmacher und eventuelle Konkurrenz so virtuos, dass die es vermutlich erst registrieren, wenn sie in kleinen Würfeln zu Boden fallen. Als so höllisch scharf entpuppt sich Cr7z' Klinge, man bemerkt die Schnitte erst, wenn sie schon übel bluten.

Cr7z weiß um seine Fähigkeiten und sagt das auch. Sein hier und da eingestreutes Eigenlob müffelt trotzdem nicht nach plakativer Selbstüberhöhung, sondern wirkt viel mehr wie die beiläufige Erwähnung einer anerkannten Tatsache: "Tu mir den Gefallen und hör' dir das in Ruhe an ohne zu schnell zu urteilen", rät "Vereinigung", und liefert die Begründung gleich hinterher: "Das wär' idiotisch bei so 'ner Urgewalt an rohem Rap ohne Chorus."

In Ruhe anhören empfiehlt sich, um die Tiefe von Cr7z' vielschichtiger Lyrik auszuloten. Er strebt nach Erkenntnis, Erleuchtung, Weitsicht, Weisheit, und, ja, nach Liebe. Die Sehnsucht, die ihn befeuert, packt er in wunderbar unverbrauchte Bilder und geschliffene Worte: ein würdiger Erbe der großen Dichter und Denker, fürwahr. "Das hier sind goldene Bars."

Wieder lässt Cr7z jeden, der das möchte, an seinen Erfahrungen teilhaben. Er wirkt menschlich, voller Mitgefühl und Dankbarkeit, und schämt sich weder seiner Tränen noch seiner zahlreichen Fehltritte. Cr7z weint um zehn verlorene Jahre, fordert aber, mindestens so kompromisslos wie sein Brutalo-Buddhisten-Kumpel Absztrakkt, auch von anderen, was ihm selbst gelungen ist: "Übernimm' endlich die Verantwortung für dein Leben!" Den Schwarzen Peter einfach mal nicht weiterschieben, dann klappt auch alles andere, irgendwie: "Leute, zusammen können wir die Biester fangen. Ich fang' schon mal an, in der Musiklandschaft."

Die ausufernde Lyrik findet ihren Ankergrund in durch und durch atmosphärischen, gewaltigen Beats. Der leisen Melancholie, die Cr7z auf Schritt und Tritt begleitet, räumen die Produzenten, allen voran Cr7z' anderer ständiger Begleiter, DJ Eule, immer ein Plätzchen frei. So lässt es sich leicht eintauchen in das Atlantis in Cr7z' Kopf und Herz, zuweilen auch darin ersaufen.

Unter den schwelgerischen Streichern, die DJ Eule für "Zurück An Den Anfang" zurechtloopt, meint man, das Meer rauschen zu hören. Das verfremdete Gesangssample aus "Bis Auf Den Grund Des Ozeans" beschwört Bilder von Nixen und Sirenen herauf, während sich "Über Wasser Laufen" mit schrägen, orientalisch angehauchten Melodien ins Ohr schraubt. Mikosbeatz' "Vereinigung" erinnert vom Vibe her an Falcos "Jeanny" und passt ebenfalls wie angegossen zu Cr7z' Flow.

Von Karrierehöhepunkt will der indes nichts wissen: "Dass das mein Zenit ist, möchte ich verneinen." Erst zwanzig Prozent seiner Möglichkeiten habe er ausgeschöpft. Da geht also noch Einiges. Gut ist Cr7z eben nicht gut genug, deswegen markiert "Sieben Weltmeere" auch noch nicht das Ende. Gut so!

Trackliste

  1. 1. Rean7mation
  2. 2. Zurück An Den Anfang feat. Xavier Naidoo
  3. 3. Vereinigung
  4. 4. Bis Auf Den Grund Des Ozeans
  5. 5. Jetzt Oder Nie feat. Xavier Naidoo
  6. 6. Über Wasser Laufen
  7. 7. Verantwortung
  8. 8. Schneller Als Das Licht
  9. 9. Euphorie
  10. 10. Im Sog
  11. 11. 360° feat. Raptoar
  12. 12. Ich Erinner Mich
  13. 13. Am Ende Wird Alles Gut

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