laut.de-Kritik

Zürich scheint von Zion nur einen Katzensprung entfernt.

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Zum wiederholten Male stelle ich fest: Lässt man das Mutterland Jamaika mal außen vor, befindet sich die Eidgenossenschaft auf bestem Wege, sich zu meiner Lieblings-Reggae-Export-Nation aufzuschwingen. Phenomden hats vorgemacht, Dodo zieht nach. Zürich scheint von Zion nur einen Katzensprung entfernt.

Ganz aus dem Nichts materialisiert sich Dodo zwar nicht: Den Auftritt im peinlichen Dschungelcamp-Abklatsch "Experiment Robinson" machte er spätestens durch "Schnee Vo Geschter" vergessen. Seine Version von Tekas "Crystal Woman" avancierte zum Klassiker in Schweizer Dancehalls und landete unter anderem auf dem entsprechenden One-Riddim-Sampler aus dem Hause Rootdown. Schon damals begeisterten mich Energie und Charme der Schweizer Beiträge über die Maßen. Schön, den wohlvertrauten Tune hier frisch ins Gedächtnis gerufen zu bekommen.

"Crystal Woman" bleibt nicht der einzige Beitrag Tekas. Er liefert darüber hinaus mit "Changes" die Grundlage für "Dis Pulli". Klagende Bläser bilden die passende Kulisse für ein schwermütiges Abschiedslied, während in "Falle Lah" eine einzelne Gitarre die Hauptrolle spielt. Wo man auf Teka trifft, ist Nosliw in aller Regel nicht weit. Stimmt! Gemeinsam mit Dodo besingt er über einem melodiebetonten Riddim von Payaz das "Mädchen Für Alles". Hoch- und Zürideutsch einträchtig nebeneinander: So klappts, EU hin oder her, auch mit der Einheit Europas.

Dodo verfügt zwar nicht über erwähnenswertes Gesangstalent, beherrscht aber zweifellos sein Mikrofon. In schnelleren, druckvolleren Nummern zu Dancehall-Beats, dann nämlich, wenn der Vortrag mehr und mehr einem Rap gleicht, überzeugt er mich daher um so stärker. Höchstselbt konstruierte er den Riddim zu "Peaceful Riot", neben dem seine und die kontrastierend dazu zückersüßen Vocals Namusokes gar trefflich zur Geltung kommen. Ebenso gehen "Mis Ding" und die blechern scheppernden Bässe des rhythmisch-finsteren "Murder Tune" auf Dodos eigenes Konto. Dem Mann aus Gambia, Rebellion The Recaller, hätte ich problemlos auch auf Albumlänge mit Freuden zugehört.

Wie gesagt: Dodo gewinnt mit steigendem Tempo. "Oh No" oder das Hip Hop-schwangere, Handclap-getriebene "Usrede" bilden beste Beweisstücke und bieten gesanglich wesentlich mehr Vergnügen als das zögerliche "Endlich", tränenreiche Good-Byes ("Din Pulli") oder gar endlose Beziehungs-Analysen ("Mis Ding", "Falle Lah"), die mich inhaltlich sogar dann anöden würden, wäre ich direkt involviert. Nö, Dodos Trumpfkarten sehen anders aus.

Beachtlich, weil originell, wird es, wenn er gewohnte Perspektiven aufgibt. Mit den Augen eines Penners betrachtet ("Leu Vo Züri") oder aus der Sicht eines Babys im Mutterleib ("Brief Vo Me Ungeborene") sehen vertraute Szenerien plötzlich ganz anders aus. Die obligatorische Danksagung an die beste Frau der Welt klingt, gewandet in afrikanische Freudengesänge ("Happy Birthday"), ebenfalls frisch. "Und i bin froh bini nöd de Eminem / Villicht heti Stutz aber lieber hani mis Mami gern." (Nach bereits abgehaltenen Lektionen in Berndeutsch hier die Verständnishilfe für Züri-Slang: "Und ich bin froh, nicht Eminem zu sein / Der hat zwar Geld, aber ich hab' lieber meine Mami gern.")

Recht so! Wenn das so weitergeht, wird noch der letzte Frikativ-Verächter einsehen müssen: Stimmungsvoller, amüsanter und witziger Reggae kommt - ebenso wie exzellentes Gras - nicht zwingend aus der Karibik, sondern manchmal auch "Vo De Berge", und die sind bei guter Wetterlage zum Greifen nah.

Trackliste

  1. 1. Endlich
  2. 2. Vo De Berge
  3. 3. Din Pulli
  4. 4. Peaceful Riot feat. Namusoke
  5. 5. Pimp My Soul feat. Andrew Robinson
  6. 6. Mädchen Für Alles feat. Nosliw
  7. 7. Mis Ding feat. Guillermo Sohrya
  8. 8. Murder Tune feat. Rebellion The Recaller
  9. 9. Oh No
  10. 10. Falle Lah
  11. 11. Brief Vo Me Ungeborene feat. Cali P
  12. 12. Happy Birthday feat. Salt Of The South
  13. 13. Schnee Vo Geschter
  14. 14. Leu Vo Züri
  15. 15. Usrede

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