laut.de-Kritik

Stadiontauglicher Poprock mit schwülstigem Beigeschmack.

Review von

Mag man den Aussagen der Editors glauben, dann wollte der kreative Prozess vor dem vierten Album der Birminghamer einfach nicht ins Rollen kommen. Als Konsequenz musste Gitarrist Chris Urbanowicz seinen Hut nehmen. Schnell vervollständigten Justin Lockey und Keyboarder Elliott Williams die Band wieder. Nach "In This Light And On This Evening" also ein neuerlicher Schnitt im Sound? Der erste Output des neuen Fünfers stellt unverblümt klar: Bei "The Weight Of Your Love" handelt es sich um die Wiedergeburt der Editors. Sanft und sicher, inmitten eines weiten, ausverkauften Stadionrunds.

Gut vorzustellen, wie das cheesy Gitarren-Intro von "A Ton Of Love" zwischen Stadiondach und Hartschalensitz verhallt. Lediglich der Refrain, in dem Tom Smith mehrmals stimmgewaltig "Desire!" krächzt, lässt die alten Editors hier erahnen. Von Beginn an erinnern nur Nuancen an die junge Band aus dem englischen Hinterland, die so offensichtlich mit ihren New Wave-Helden verglichen werden wollte. Meist sind es die hymnischen Mitsing-Parts, die die "In This Light And On This Evening"-Gedächtnis-Synthies im sachten, kränkelnden Keim ermorden. Stattdessen folgend Armeen von Streichern. Oft glücklicherweise nur dezent im Hintergrund, an manchen Stellen aufdringlich und unerträglich, nur Smiths vornehmlich tiefe und durchdringende Stimme rettet die Songs dann mit dosierten Ausbrüchen.

Ganz in Strings gekleidet: "Nothing", in der Demo noch ein vielversprechendes Wave-Stück. "Every conversation within you / starts a celebration in me" - Trotz schönen Vocals rührt der Track wohl nur eingefleischte U2-Fans zu Tränen, die auf ihrer Suche nach Bono im falschen Stadion gelandet sind. Mit dem kühlen und berührenden Post-Punk aus Anfangstagen hat die Band wohl inzwischen abgeschlossen, warmer Pop-Rock ist jetzt die Devise. Ausnahmen gibt es, wenn auch verhalten. "Two Hearted Spider" hätte sich noch am ehesten auf den ersten beiden Editors-Langspielern wohl gefühlt.

Erstaunlich, dass ein Stück wie "Sugar" den Weg aufs Album (und bisher sogar in die Live-Sets!) gefunden hat. Der aggressive Bass und ausnahmsweise wohl temperierte Synths verpassen den vier Minuten eine wohlig dröhnende Verpackung. Für die Veredelung sorgt – wie immer – Smith, der mit seinem Gesang den Song beliebig glättet, aufbäumen lässt, zügelt. Vielleicht flammt hier ein klein wenig von der ursprünglichen, mystischen Editors-Gänsehaut auf. Spätestens beim auf den Refrain folgenden Akkord-Geschrammel wünscht man sich aber etwas mehr vom einfühlsamen Minimalismus eines Urbanowicz zurück.

Allgemein haftet dem Album ein schwülstiger Beigeschmack an. Sogar in Sachen Texte - bei Smith kam es zum Glück nie darauf an, was er singt, sondern wie er es singt. Zehrende Mittelklasse-Liebeslyrik (im Folk-Track "The Phone Book") lässt sich so ertragen. Ohne Zweifel: "The Weight Of Your Love" findet dank seiner American Rock-Attitüde schneller seinen Weg ins Ohr als jede andere Editors-Platte. Schließlich begab man sich für die Aufnahmen nach Nashville zu Jacquire King (u.a. Kings Of Leon, Billy Talent, Modest Mouse). Nicht an allem wird sich der fragile "The Back Room"-Fan direkt schneiden. Doch mit Joy Division oder Interpol haben die Editors noch so viel zu tun wie U2 mit einem Konzert im Kellerklub.

Trackliste

  1. 1. The Weight
  2. 2. Sugar
  3. 3. A Ton Of Love
  4. 4. What Is This Thing Called Love
  5. 5. Honesty
  6. 6. Nothing
  7. 7. Formaldehyde
  8. 8. Hyena
  9. 9. Two Hearted Spider
  10. 10. The Phone Book
  11. 11. Bird Of Prey

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Editors

Referenzen und Vergleiche dominieren so ziemlich jeden Artikel über die Editors, als im Sommer 2005 deren Debütalbum "The Back Room" erscheint. Zu offensichtlich …

11 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    ian curtis und coldplay. den vorgänger fand' ich sehr stark. irgendwas fehlt mir

  • Vor 10 Jahren

    Ihr bestes Album ist das hier sicherlich nicht, aber ein paar Tracks wie Hyena, Formaldehyde oder What is this thing called love sind schon stark, ist aber auch viel verzichtbares dabei und der Sound ist wirklich ziemlich weichgespült.

  • Vor 10 Jahren

    Ja, ein paar Tracks sind gut. Aber die Überdosis Streicher ist wirklich manchmal unerträglich.
    Und "What is this thing called love" geht bei mir gar nicht. Eunuchen-Gesang kann ich bei den Editors irgendwie nicht gebrauchen.
    Wäre vielleicht ein schönes Lied, wenn er nicht versuchen würde Paul Stanley in "I was made for loving you" zu übertreffen.

  • Vor 10 Jahren

    Sorry Leute - ihr habt keine Ahnung.
    DAS ALBUM IST DER VOLLE KNALLER!
    OK, anfangs dachte ich wie ihr. Hab die Scheibe einmal nebenher durchgehört - hat sich alles gleich angehört, kopfschüttelnd wieder ausgemacht und nie weider angehört.
    Vor drei Wochen bin ich durch meine Playlist durch und hab' eigentlich durch Zufall die Scheibe (wieder)entdeckt.
    Dann mal genauer angehört und völlig entzückt gewesen. Das Zeugs ist echt ausgefeilt. Basta.
    Und die Stimme ist ja wohl der Knaller und kommt auf der neuen Platte m.E. nach viel besser zur Geltung.
    Wirklich, ich mochte und mag die alten Editors - aber der neue Weg ist der absolut richtige.

    • Vor 10 Jahren

      kann ich so direkt unterschreiben.
      Unfassbar gutes Album, braucht aber ein wenig Zeit zum Zünden. Im besten Fall noch ein Konzert und ZACK! wieder im Bann von Mr. Smith.
      Wer anderes schreibt, hat wirklich keine Ahnung. Basta!

  • Vor 10 Jahren

    man kann zum neuen Sound sagen was man will - live gehen die neuen Tracks fast in Perfektion Hand in Hand mit den alten Songs. War gestern in München und es war einfach nur genialst! Da sie bei den langsameren Songs die Streicher ganz weglassen und diese parts anderweitig füllen kommen sie viel besser zur Geltung. Ab morgen läuft die Scheibe jedenfalls erstmal wieder auf Dauerschleife...