laut.de-Kritik
Natur-Oden, Beschwörungsformeln und dunkle Flüche.
Review von Andrea TopinkaDas wohlklingende Wort "Tookah" entsprang Emiliana Torrinis Fantasie. Die Wortkreation umfasst in ihrer Welt "Spiritualität, Reinheit der Seele und Dankbarkeit", stellt eine Art Gottheit dar. Diesem Gedankenkonstrukt widmet sie die neun Songs ihrer aktuellen Platte.
Fünf Jahre sind seit dem letzten Album der Isländerin, seit ihrer Hitsingle "Jungle Drum", ins Land gezogen. Statt zu versuchen, so schnell wie möglich an diesen kommerziellen Erfolg anzuknüpfen, stellte sie fest, dass die Luft raus war. Sie musste sich erst einmal eine kreative Pause gönnen. Richtig verzweifelt soll Torrini gewesen sein, da sich ihre Song-Basteleien zu keinem Ganzen fügen wollten, das ihren Vorstellungen entsprach.
Die Krisenbewältigung und der dreijährige Aufnahme-Prozess lieferten als Ergebnis ein ungewohnt elektronisches Album. Ihre charakteristischen sanften Melodie-Bögen und folkigen Akustik-Stücke enthält die Platte zwar noch zu Hauf, doch Torrini entdeckte auch den Synthesizer für sich und spielte ein wenig damit herum.
Richtig krass fällt dabei "Speed Of Dark" aus ihrem bisherigen Schaffen heraus. Mit buntem 80er Synthie-Pop erinnert sie an die Damen von Ladytron. Auch wenn der Titel für weitere Unruhe im ohnehin schon wechselhaften Klangbild sorgt, einen potenziellen Hit beschert er der Sängerin allemal. Noch dazu geht er nach mehrfachem Hören weitaus weniger auf die Nerven als "Jungle Drum" seinerzeit.
Der Titeltrack "Tookah" hingegen bewegt sich mit der seiner feinen Elektronik abseits des Repertoires der populären Radiostationen. Dafür nähert er sich mit seiner hypnotischen Wirkung und dem beschwörenden Anruf der selbst geschaffenen Gottheit den weniger experimentellen Stücken von The Knife an.
"Caterpillar" und "Autumn Sun" lullen den Hörer in eine verträumte Akustik-Wolke ein. Diese beiden reduzierten Stücke huldigen sanft der Schönheit der Natur. Kurze Zeit später verdunkelt sich allerdings die harmonische Stimmung auf "Tookah".
In "Elísabet" breitet sich die Melancholie mit erstickenden Synthies wellenförmig aus. In "Animal Games" zerfetzt die Isländerin über jagenden Percussions die idyllischen Naturbilder, die sie in den ruhigeren Stücken zeichnete: "Now you're scaring off the doe / Killing off the sparrow / Howling like a wolf / Poisoning the arrow."
Ganz gelingt der Spagat zwischen Synthie-lastigen Tracks und ihrer zerbrechlichen Folk-Seite leider nicht. Ein fesselnder Spannungsbogen mag sich nicht so recht aufbauen, dafür wirkt die Zusammenstellung etwas zu beliebig.
Eine großartige Songwriterin steckt in Emiliana Torrini aber ohne Frage nach wie vor, weshalb jeder ihrer Songs vom Disco-Kracher "Speed Of Dark" über den gefrickelten Sieben-Minüter "When Fever Breaks" bis zu einem schlichten Pop-Song wie "Home" für sich allein glänzt, selbst wenn sie sich nicht zu dem stimmigen Hörerlebnis zusammenfügen, das man sich vielleicht erhofft hatte.
Am Ende bleibt ein heterogenes Gesangbuch voll lebensbejahender Natur-Oden, mystischer Beschwörungsformeln und - etwas überraschend und unterschwellig - dunkler Flüche: "I will kill you", flüstert sie zum Abschied.
4 Kommentare
9 Tracks..
Die Jungle-Drum-Tante gibts ja noch o.O
Mit der werde ich einfach nicht warm, tut mir leid.
Ich hab' das Album zwar nicht ganz gehört und die anklingenden Synths sind im Rahmen ihres bisherigen Schaffens schon 'n schöner Wechsel. Bei mir kommt sie aber trotzdem nicht über "nett" hinaus.
neues album, hurra!!
emiliana hat ja schon immer recht unterschiedliche alben gemacht, das singer-songwriter-folk-gewand passt aber immer noch am besten zu ihr.
dennoch ist ihr ja auch aus früherer zeit das elektronische nicht ganz fremd, wenn auch damals noch in viel mainstreamiger form (in ihren frühzeiten), ich finde, es passt gut zu ihr.
generell stimme ich aber zu, ganz homogen ist das album nicht, aber dennoch bereits nachm ersten hören sehr interessant und vielschichtig.