laut.de-Kritik

Hymnenhafter Rock fürs Kinderzimmer.

Review von

Mitunter geben das Design des Covers und Album-Titel die Tendenz des ganzen Werkes vor. So auch bei "Infinity On High". Für den Titel braucht es schon ein gehöriges Maß an Selbstbewusstsein. Oder aber an Konzeptlosigkeit. Denn in was kann man sich schöner verlieren, als in der Unendlichkeit der Pop-Konserven? Thematisch legt man sich auf jeden Fall, in keinem Fall fest. Dies ist nicht weiter tragisch, macht es ja für jedermann sofort sichtbar, dass "Infinity On High" mit konkreten Aussagen spart.

Das nette Schäfchen auf dem Cover trägt Flügel. Die Farbwahl ist kitschig, überall wurde mit dem Computer nachgeholfen. Da die Szene mit der kindsgroßen Riesenheuschrecke in einem Kinderzimmer angesiedelt ist, erinnert sie an eine moderne Version von Peterchens Mondfahrt. Auffällig steril, überzeichnet, konsequent poppig.

Genau diese Attribute treffen auch für die musikalische Gestaltung in "Infinity On High" zu. Handwerklich astrein, sitzt hier jeder Einsatz, wie geschaffen für das Harmoniebedürfnis des Produzenten. Alles ist aufeinander eingestimmt, die Variationen in der Stimme passen sich jenen der Instrumente perfekt an. Chor und Backgroundvoices füllen die Lücken, und es entstehen Songs, die, prall gefüllt mit süßlicher Melodie, jeden Pop-Barden vor Neid erblassen lassen.

Fall Out Boy gehören nun zur Crème de là Crème des Musikbiz. Also leisten sie sich auch gleich mal Jay-Z als Marktschreier im Intro. "We dedicate this album to anybody who said we could't make it." Harr! Patrick Stump, Joe Trohman, Andy Hurley und der zuletzt auch schon nackt gesichtete Peter Wentz haben es geschafft! Hier ihr Beweis!

Der Opener gibt musikalisch die Richtung vor. Der hymnenhafte All-American-Rock kann mit ruhigem Gewissen auf jeder Major-Radiostation gespielt werden. Jimmy Eat World lassen grüßen. Die Folgenummer "Take Over, The Breaks Over" hat da schon mehr Spitzen, gleitet gegen später aber leider ins fast Kitschige ab. Hätte man das Piano nicht so dezent im Hintergrund gehalten, hätte vielleicht sogar Meat Loaf Gefallen daran gefunden. Die Single "This Ain't A Scene, It's An Arms Race" hat die nötige Einprägsamkeit. Der Refrain wird einem aber auch förmlich eingehämmert.

Zu viele Songs sind nach folgendem, einfachen Muster gesponnen: Strophe, dann Stimme hoch und ab mit dem Refrain, ein paar Wiederholungen und fertig ist der Salat. Klar kommen noch ein paar Croutons obendrauf. In "Carpal Tunnel Of Love" wird ein bisschen Screaming eingebaut, bei "You're Crashing But You're No Wave" dienen sakrale Chöre als Geschmacksverstärker. Die Zubereitung der leichten Zwischenmahlzeit erfolgt mit schärfsten Skalpellen, entsprechend hoch die Präzision, aber eben auch der Geschmack von Synthetik. Und von Croutons und Dressing werden die Salatblätter ja bekanntlich auch nicht knackig, besonders wenn man sie vorher in Weichspüler einlegt.

Bei manchen Gitarreneinlagen, zum Beispiel in "I'm Like A Lawyer With The Way I'm Always Trying To Get You Off (Me + You)", spielt man schon näher an Jackson Five als am Emo-Punk. In "Golden" wird dann auch balladesk auf dem Piano geklimpert. Wunderbar einschläfernd. Aber gut, ist ja auch Musik fürs (Kinder-)Schlafzimmer.

In "Fame < Infamy" kommen Fall Out Boy an den Speed von Panic! At The Disco heran. Hier setzen sie die Gitarren würzig ein, und auch die Stimme passt. Klar darf die "Fall Out Boy"-typische Verspieltheit in Form von Kastagnetten nicht fehlen. Textlich besticht hier auch die Passage: "I'm a salesman selling hooks and plans and myself". Die Band scheint sich ihrer Stellung recht bewusst, das ist angenehm zu bemerken.

Generell hat man nicht den Eindruck, Fall Out Boy wollten irgendein Image von sich verbreiten. Hier wird massentaugliche Gitarrenmusik produziert, harte Rock-Plattitüden werden sauber umschifft, man gaukelt sich und dem Publikum nicht unnötig etwas vor. Trotzdem kann der Genuss von "Infinity On High" sich durchaus unterhaltsam gestalten.

Als Konsument muss man sich aber ganz klar im Bewusstsein verankern, dass man ein professionelles Marketingprodukt in den Händen hält. Emotionen werden nicht geweckt, und so verliert sich das Album in seiner eigenen Unendlichkeit. Also definitiv "Infinity On High". Das verleiht (Schafen) Flügel!

Trackliste

  1. 1. Thriller
  2. 2. Take Over, The Breaks Over
  3. 3. This Ain't A Scene, It's An Arms Race
  4. 4. I'm Like A Lawyer With The Way I'm Always Trying To Get You Off (Me + You)
  5. 5. Hum Hallelujah
  6. 6. Golden
  7. 7. Thnks Fr Th Mmrs
  8. 8. Don't You Know Who I Think I Am?
  9. 9. (After) Life Of The Party
  10. 10. Carpal Tunnel Of Love
  11. 11. Bang The Doldrums
  12. 12. Fame<Infamy
  13. 13. You're Crashing, But You're No Wave
  14. 14. I've Got All This Ringing In My Ears And None On My Fingers

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82 Kommentare, davon 10 auf Unterseiten

  • Vor 17 Jahren

    1. Thriller
    2. The Take Over, The Breaks Over *
    3. This Ain't A Scene, It's An Arms Race
    4. I'm Like A Lawyer With The Way I'm Always Trying To Get You Off (Me & You)
    5. Hum Hallelujah
    6. Golden
    7. Thnks Fr Th Mmrs
    8. Don't You Know Who I Think I Am?
    9. The (After) Life Of The Party
    10. The Carpal Tunnel Of Love *
    11. Bang The Doldrums
    12. Fame < Infamy *
    13. You're Crashing, But You're No Wave *
    14. I've Got All This Ringing In My Ears And One On My Fingers

    mainstream pop größtenteils. gefällt mir trotzdem teilweise sehr gut. :)

  • Vor 17 Jahren

    Will mir gar nicht vorstellen wie die klingen. ;)