Während Country-Musik in den USA die erfolgreichste Musikrichtung darstellt, ist der Ruf dieses Genres in Europa eher ambivalent. Häufig wird es als wertekonservativ und reaktionär disqualifiziert oder belächelt, und das, obwohl der Country-Pop als Schlagerform fest etabliert ist. Schon 1979 hätte die deutsche Countryformation "Truckstop" beinahe den Grand Prix d'Eurovision gewonnen und allen Moden zum Trotz hat Country immer wieder zeitlose Texte ("Freedom is just another word for nothing left to loose", Kris Kristofferson) und zeitlose Musik hervorgebracht.

Ihre Anfänge hat die Country-Musik in den Liedern und Instrumenten, die die frühen Einwanderer aus Irland, England oder Schottland mit in die neue Welt bringen. Die Bundesstaaten Kentucky und Tennessee gelten als deren Ursprungsregion. Die in diesen ländlichen Bergsiedlungen beheimatete Musik entwickelt sich Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss der zunehmenden Urbanisierung und der Übernahme von Elementen des Blues, der seine Wurzeln in der afroamerikanischen Bevölkerung hat, zur Country-Musik.

Zu Beginn der Zwanziger Jahre prägen viele lokale und regionale Stilrichtungen die amerikanische Musiklandschaft. Massenmedien wie Radio und Schallplatte treten ihren Siegeszug an, ohne vorerst der ländlichen Musik ihre Aufmerksamkeit zu schenken.

Erst 1923 sind auch Country-Musiker im Radio zu hören. Gespielt wird live, von Schallplattenaufnahmen dieser Oldtime-Musik ist noch nicht die Rede. Die Zuhörer regieren begeistert auf diese Musik und bald werden regelmäßige Radio-Shows eingerichtet die sich dieser neuen Stilrichtung widmen, die sogenannten "Barn Dance Shows". Der texanische Sender WBAP macht am 4. Januar den Anfang, 1924 folgt der Chicagoer Sender WLS.

Das Instrumentarium der Live-Radio-Bands umfasst traditionell Gitarre, Banjo, Bass, Mandoline und Geige. Auch Klavier, Akkordeon oder Mundharmonika finden sich in den Arrangements wieder. Ebenso die Autoharp (ein Zither-ähnliches Musikinstrument) und die Steel-Gitarre, die außerhalb des Country-Kontextes sehr selten in Erscheinung treten.

Als kommerzielle Geburtsstunde der County-Musik gilt der 14. Juni 1923. An diesem Tag fährt der Produzent Ralph Peer mit einem transportablen Aufnahmestudio nach Atlanta, um mit dem Fiddler Johnny Carson zwei Songs einzuspielen. Nach überraschend guten Verkaufszahlen bietet die Firma Okeh Records ihm einen Vertrag an. Das neue Genre erfährt so seine Anerkennung.

Ralph Peer führt 1925 die Bezeichnung "Hillbilly" für das neue Genre ein, das bis dato noch keinen Namen hat. Die legendäre "Grand Ole Opry Show", eine vom Sender WMS aus Nashville konzipierte, vorerst regionale Samstagabend-Show, geht erstmalig am 28. November 1925 auf Sendung. Ab 1928 versorgt sie den gesamten nordamerikanischen Kontinent mit Country-Musik.

Die steigende Popularität geht mit einem enormen Zuwachs an Sängern und Musikern einher, die sich an dieser Stilrichtung probieren. Ab 1925 treten die ersten "Singing Cowboys" auf, die romantisch verklärt in Kostümen die Bühne betreten. Carl T. Sprague ist der erste, von dem eine Platte aufgenommen wird. Diese Variation des Country erfährt in den 30er-Jahren einen enormen Zuspruch und spitzt sich in den 40er Jahren mit den ersten Western-Filmen zu, in denen ein nostalgisches Cowboy-Klischee (Tex Ritter, Roy Rogers, Gene Autry) immer stärker zum Symbol der nationalen Identität der USA gerät.

Noch immer ist Ralph Peer die treibende Kraft, die die Kommerzialisierung des Country vorantreibt. Die von ihm 1927 initiierten "Bristol-Sessions", bei denen insgesamt 76 Musiker auftreten, ist ein Meilenstein dieser Entwicklung. Hier werden Jimmy Rodgers und die Carter Family entdeckt, die anschließend Plattenverträge erhalten und die noch heute von vielen Musikern als Vorbilder angegeben werden.

In den dreißiger Jahren beginnt eine Ausdifferenzierung des Country: Bob Wills prägt den Western-Swing durch die Übernahme jazziger Elemente, in Kneipen und Bars im Umfeld der texanischen Ölfelder entsteht die raue Richtung des Honky Tonk, der erstmals 1937 im Al Dexter-Song "Honiky Tonk Blues" Erwähnung findet. 1940 entwickelt Bill Monroe den anspruchsvollen, weil schwer zu spielenden Bluegrass.

Ab 1945 beginnen die "Goldenen Jahre" der Country-Musik. Die dominierenden Größen dieser Zeit sind Ernest Tubb und Hank Williams, dem mit seinem Auftritt in der Grand Ole Opry am 11. Juni 1949 der Durchbruch gelingt.

Seinen Namen erhält das Genre erst 1949 durch das Billboard-Magazin, das die Bezeichnung "Hillbilly" durch "Country & Western" ersetzt.

Mitte der 50er Jahre gerät der Country durch die Entstehung des Rockabilly und des Rock'n'Roll in seine erste Krise, Bill Haley, Jerry Lee Lewis, Buddy Holly, Elvis Presley oder Eddie Cochran prägen das musikalische Geschehen.

Auf diese Entwicklung reagieren die führenden Produzenten mit einer Annäherung des Country an den zugänglicheren Pop. Der Geige wird weniger Platz eingeräumt, Studiomusiker und Chöre werten die musikalische Qualität auf, die musikalischen Präsentationen büßen aber an Originalität und Authentizität ein. Diese Entwicklung firmiert in den 50ern und frühen 60er Jahren unter der Bezeichnung "Nashville Sound", dessen erfolgreichste Vertreterin Patsy Klein ist und in den 80er Jahren einen Aufschwung erlebt durch radiotaugliche, glattgebügelte Stars wie Linda Ronstedt, John Denver oder Olivia Newton-John.

1955 feiert Johnny Cash seine ersten Erfolge, und auch der Fingerpicking-Gitarrist Chet Atkins spielt fernab vom Nashville-Mainstream erfolgreich gegen die Krise an.

Merle Haggard richtet sich in den 60er und 70er Jahren explizit gegen die Vereinnahmung des traditionellen Country durch den Nashville-Sound. Durch seinen Song "Oakie From Muscogee" (1969) gilt er jedoch auch als Auslöser eines reaktionären Trends gegen Hippies und Liberale in der Country-Musik.

In den 60ern treten Country-Ladies wie Tammy Wynette, Dolly Parton und Dottie West ins Rampenlicht, gleichzeitig erlebt die Folk-Musik (Pete Seeger, Bob Dylan, Joan Baez) ein Revival.

Bob Dylan und vor allem die Byrds mit ihrem Album "Sweetheart Of The Rodeo" prägen den Country-Rock, dem sich später auch Bands wie die Eagles, Dire Straits oder Keith Urban zuordnen lassen.

Auch Willie Nelson, Waylon Jennings oder Tompall Glaser verlassen in den 70er Jahren Nashville Richtung Texas, wo bereits eine frische und lebendige Country-Szene existiert, die sich aus den starren Konventionen entzieht - von einer Outlaw-Bewegung ist die Rede.

Ab 1990 blüht der New Country auf, eine Generation um Garth Brooks, Alan Jackson und Tim McGraw nähern sich mit ihren mit Rock-Instrumentarium vorgetragenen Kompositionen mit Erfolg wieder dem Pop, ohne die grundlegenden Wurzeln des Country zu verleugnen.

Eine weitere Spielart des Country findet sich im eher rauen Alternative Country, der Elemente des Punk mit ursprünglicher amerikanischer Musik, mit Country, Folk und Blues, verbindet. Klassischstes Beispiel hierfür sind Johnny Cashs "American Recordings", produziert vom Hip Hop- und Heavy Metal-Produzent Rick Rubin. Die Texte sind düsterer geworden, der Alternative Country setzt sich mit der Kehrseite des amerikanischen Traums auseinander: mit Verlust, Scheitern oder dem Tod.