Der Begriff des Singer/Songwriters (auch Singer-Songwriter) war ursprünglich eng definiert: Ein Musiker, der seine Lieder nicht nur selbst schreibt, sondern auch singt und umsetzt, meist mit einer Gitarre. Ob er in Zusammenhang mit Bob Dylan entstanden ist, lässt sich nicht eindeutig beweisen. Fest steht, dass der Mann aus Duluth, Minnesota vor seinem "Wandel" zu rockigeren Klängen Mitte der 1960er Jahre als Prototyp des Singer/Songwriters galt.

Am Beispiel Dylans lassen sich weitere Merkmale festhalten: Die Ernsthaftigkeit der Themen, denen oft reale Ereignisse (so genannte "Topical Songs") und kaum verschleierte persönliche Erfahrungen zu Grunde liegen, einen gewissen Abstand vom Glamour der Popwelt und eine Herkunft aus Nordamerika, bevorzugt aus den USA.

In der New Yorker Tin Pan Alley drängten sich bis in die 1950er Jahre die Büros der Songwriter-Agenturen, die am Fließband Lieder komponierten. Oft kümmerten sich Arrangeure um die Musik, schließlich spielten Sänger die Texte ein. Im Singer/Songwriter sind diese drei Aspekte theoretisch vereint.

Doch so einfach ist es nicht. Schon vor Dylan gab es die Figur des furchtlosen Anprangerers widriger Verhältnisse: Pete Seeger etwa, Leadbelly und allen voran Woody Guthrie – nur eben nicht so bekannt und erfolgreich, dass man für sie eine eigene Genrebezeichnung gebraucht hätte. Außerdem scheuen sich die wenigsten, die Lieder Anderer zu interpretieren, womit sie streng genommen aus der Kategorie wieder herausfallen.

Einen ersten Höhepunkt erreicht die Bewegung mit den Studentenprotesten in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, um anschließend nach den ersten großen weiblichen Vertretungen, Joni Mitchell und Carole King, in der ersten Hälfte der 70er Jahre unterzutauchen. Rock und Disco sind zu diesem Zeitpunkt eben sexier.

Doch ausgestorben ist die Bewegung nie. In Großbritannien tritt Billy Bragg zu Beginn der 80er Jahre auf Gewerkschaftsveranstaltungen in Erscheinung, Bruce Springsteens Solowerk "Nebraska" verhilft dem Genre 1982 zu neuer Aufmerksamkeit. Doch sind es vor allem Frauen, die ab Mitte der 80er Jahre die Fahne des Singer/Songwritertums hoch halten. Allen voran Tracy Chapman und Suzanne Vega, wobei Vega eher in anspruchsvollen Pop-Gefilden siedelt.

Die Grenze zu ziehen ist eh nicht einfach. Gehört Paul Simon dazu, obwohl er zu den kommerziell erfolgreichsten Musikern zählt? Was ist mit Ani diFranco? Sie spielt Klavier und steht auf Indie-Klänge. Wo steht Sheryl Crow, die mit jedem neuen Album die oberen Etagen der Charts erklimmt? Wie steht es mit Dave Matthews oder Ben Harper? Der Stoff für Diskussionen geht nicht aus, wie man im Internet leicht feststellen kann.

Ebenso kontrovers ist das Ziehen nationaler Grenzen. Obwohl viele der genannten Musiker aus New York stammen oder dort ansässig sind, sind deutsche Liedermacher wie Reinhard Mey oder Franz Josef Degenhardt von der Einstellung her mit ihnen verwandt, ebenso französischsprachige Chansonniers wie George Brassens und Jacques Brel oder Italiener wie Gino Paoli und Fabrizio De Andrè. Mit ihren anspruchsvollen Texten erlangten in den jeweiligen Heimatländern alle große Aufmerksamkeit, obwohl sie im Ausland kaum bekannt sind.

Fest steht, dass die Figur des Singer/Songwriters im engen Sinne im neuen Jahrtausend wieder dort gelandet ist, wo sie anfing: in Eckkneipen und kleinen Clubs und nur bei wenigen Festivals auf der großen Bühne. Hart verdientes Brot. Doch wer vorrangig von den Schattenseiten des Lebens berichtet, hat nicht unbedingt Interesse am großen kommerziellen Erfolg.