16. Juni 2006

"Alter, Wien war echt nicht jugendfrei!"

Interview geführt von

Ein Interview mit den Heartbreak Engines schiebe ich nun schon seit der Veröffentlichung von "Love Murder Blues" vor mir her. Das eine Mal klappts nicht, weil die Jungs nach dem Gig in Berlin direkt weiter müssen, das andere Mal leert man sich lieber ein paar gemeinsame Bier rein und ist danach irgendwie auch nicht mehr in Stimmung.Im Rahmen der Bad Boys For Life-Tour mit The Bones bleibe ich daher in Frankfurt hart und kralle mir Basser Grischa und Sänger Lou. Im Tourbus, den sich die Essener mit den alten Säcken von Demented Are Go teilen, quetsch ich die beiden schließlich aus.

Grischa: So, wat willste denn wissen, Junge?

Naja, erst mal so die ganz essentiellen Dinge. Habt ihr euch denn in der Band alle lieb? Kuschelt ihr gemeinsam bevors in die Koje geht, oder wie ist das?

G: Och, das kommt drauf an. Normalerweise schon, aber wir wissen natürlich auch alle, wo's beim anderen besonders weh tut und das nutzt man dann kräftig aus. Wir wissen allerdings auch genau, wo die Grenze liegt und überschritten wird die nicht. Zumindest selten ... manchmal, hahaha.

Das ist für euch jetzt die erste größere Tour für das People Like You-Label. Wie läufts denn bisher?

G: Super! Wir verstehen uns mit den Bands echt klasse, haben uns jetzt die Tage auch alle kennen gelernt und das sind alles supernette Leute. Auch Roger Miret und seine Disasters sind einfach nur locker drauf. Anstatt einen auf dicke Hose zu machen wegen seinem Background mit Agnostic Front ist der einfach nur locker und relaxt. Natürlich hochprofessionell, aber cool.

Lou: Ich hab noch nie jemanden erlebt, der so wenig Starallüren hat, nach dem was er erreicht hat. Roger Miret ist einfach nur nett und unglaublich cool!

Draußen am Fenster läuft The Bones-Basser Andi gerade mit ner netten Schnitte vorbei, was Lou offensichtlich immens ablenkt. Lou, du als Bandgroupie, wie kommst du damit zurecht, dass man dich einfach rumreicht?

L: Da kann ich noch gar nicht so mit umgehen, das verletzt mich innerlich total.

Kann ich verstehen, aber lassen wir die Schmuddelgeschichten mal außen vor. Ihr habt Klein-Daniel (eigentlich zweiter Gitarrist bei den Engines) auf dieser Tour nicht dabei. Warum?

G: Also zuerst mal, Klein-Daniel ist das nicht. Das ist'n ganz Großer, ja? So geht’s ja nicht! Die Sache ist nur die, er ist noch Schüler und bereitet gerade sein Abitur vor oder macht es gerade oder irgendwas in der Art.

Wahnsinn, wie du dich da auskennst. Welche Prüfungsfächer hat er denn?

G: Öh, was war das nochmal? Pädagogik-LK und äh, Häkeln, ich weiß es echt nicht. Aber das ändert ja nix dran, dass das Abi wichtig für den Kerl sein wird. Und bevor er da jetzt sein Abi verhaut, nur weil er mit uns auf Tournee gehen will, haben wir eben gesagt, dass er daheim bleiben und lernen soll. Nu isses aber so, dass die Tour für uns auch enorm wichtig ist und wir sie auf jeden Fall fahren wollten. Dan war so verständnisvoll zu sagen, dass das keine Frage ist und somit haben wir uns um einen Ersatzgitarristen für diese Tour gekümmert.

L: Genau, und das ist jetzt der Patrick von der Band Golden Cockring! Ein begnadeter Musiker, eine Rampensau par excellence und ein ganz toller Sänger!

G: Das war echt großes Glück! Ein Telefonat, er kam vorbei, hat kurz ne Nummer mitgespielt, sich die Konditionen angeschaut und war dabei. Wir haben ihm einfach ein Tape mit den entsprechenden Songs rausgesucht und ihm zugeschickt. Wir meinten dann: "Hör zu, du hast drei Monate Zeit, hau dir die Scheißdinger rein und dann proben wir zwei, drei Mal!" Das hat so perfekt geklappt und jetzt sind wir hier. Ohne dass wir das überhaupt angefragt hätten, hat er auch gleich noch ein paar Backing Vocals mit einstudiert und der Kerl hat echt ne richtig gute Stimme.

L: Kann ich nur unterschreiben. Wenn man den Mann mit uns auf der Bühne sieht, könnte man direkt glauben, er gehört fest zur Band.

"Was? Wir ham 'nen Fanclub in der Mongolei?"

Sprichts und stellt erst mal die Packung Impalat (jeder Sänger, der schon mal auf Tour war, kennt die Dinger) auf den Tisch. Ah, jetzt werden auch endlich die Drogen angeboten. Kenn ich, die Dinger. Schmeckt so'n bisschen nach altem Entenarsch.

G: Quatsch, die schmecken voll lecker, die Dinger. Die hab ich letztes Jahr schon dem Sänger von den Necromantix geschenkt, als er ein paar Probleme mit der Stimme hatte. Fand er ganz toll und ist seitdem Fan von dem Zeug.

Faszinierend! Kommen wir aber zu den wichtigen Dingen des Lebens: Wie ist der Stand der Dinge in Sachen neues Album. Schon was am Start?

G: Das läuft soweit ganz gut an und ist auch schon fest in Planung. Wir hatten uns letztes Jahr ja schon mal kurz 'ne Auszeit genommen und ein paar Sachen angecheckt. Im Proberaum haben wir schon ein paar Sachen aufgenommen.

L: Ja, wir haben auch schon einen ganz tollen Titel für die Platte, den wir hier jetzt aber nicht nennen können, weil der sonst sofort geklaut wird.

Is klar. Die Tür vom Bus geht auf und Gitarrist Syd kommt reingeschlappt, ohne zunächst auch nur zu bemerken, dass wir grad am Interview sitzen. Wenn ihr jetzt mit The Bones auf Tour seid, beeinflusst euch so ein Sound auch ein wenig oder wie müssen wir uns die neuen Sachen vorstellen?

L: Nö, gar nicht. The Bones sind in ihrem Stil einfach unnachahmlich und was hätte es da für einen Sinn, uns jetzt an denen zu orientieren. Ich denke, wir hatten auf unserer letzten Scheibe eine richt gute Mischung aus verschiedenen Stilen und die werden wir einfach soweit mal beibehalten. Da beeinflussen uns weder The Bones, noch Roger Miret oder Demented Are Go.

G: Ich denke, auf unseren beiden Alben ist nicht viel drauf, mit dem man das vergleichen könnte. Vielleicht in Ansätzen die Necromantix, wobei wir das auch erst nachher festgestellt haben, als wir zusammen auf Tour waren. Davor kannten wir die nicht mal wirklich. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass wir alle aus recht verschiedenen Musikrichtungen kommen und entsprechend unterschiedliche Einflüsse haben. Das gibt eben 'ne interessante Mischung, aber deswegen gehen wir natürlich nicht hin und sagen: Lass uns doch mal nen Song machen, der nach der und der Band klingt! Wär ja Schwachsinn.

L: Das versuchen wir auch schon allein dadurch zu vermeiden, dass wir noch nie eine Coverversion gespielt haben. Wir haben uns da auch noch nie drüber unterhalten, aber anscheinend sieht da auch keiner von uns eine Notwendigkeit drin.

Demented Are Go-Zombie Sparky kommt in den Bus und hat seine neuesten Klamotten-Einkäufe dabei, die er nachher noch auf der Bühne präsentieren wird. Grischa erklärt ihm kurz, dass wir gerade ein furchtbar wichtiges Interview machen, was Sparky zu dem kurzen Statement "Fuck Off!" hinreißt und schon isser wieder weg.

L: Ich war vorhin mit den Demented Are Go-Jungs in der Stadt und wir haben da ein paar Runden gedreht. Dabei meinte Sparky, dass er uns gerne für eine gemeinsame Tour in die Staaten rüberholen würde. Das wäre schon 'ne geile Sache, da Sparky anscheinend fest davon überzeugt ist, dass unsere Mucke auf dem amerikanischen Markt durchaus was reißen könnte. Da wir beide nun beim selben Booking-Partner sind, würde das eigentlich ganz gut passen.

Das glaub ich aber auch, dass ihr da gut ankommen würdet. Wo wurde "Love Murder Blues" eigentlich überall veröffentlicht?

G: Also in Europa ist die Scheibe wohl flächendeckend erschienen. In den Staaten hab ich das nicht so ganz gepeilt, aber da sind wohl auch ein paar Exemplare aufgetaucht. Das ist da 'ne ganz verworrene Geschichte, aber es ist in Arbeit. Von der Resonanz her kommt das meiste natürlich aus Europa und davon auch recht viel. Die letzten paar Monate bekommen wir aber auch immer mehr Feedback aus den Staaten, vor allem von der Westküste her. So blöd das jetzt klingt, aber ich denke daran hat myspace.com durchaus seinen Anteil. Man schaut dann ja auch immer mal auf die Page von dem, der einen da anschreibt und kann so immer weitere Kontakte knüpfen.

L: Ja und wir sind besonders stolz auf den ersten Heartbreak Engines-Fanclub, der in der Mongolei gegründet wurde!

Auf einmal wacht auch Drummer Rocco wieder auf.

Rocco: Häh, wo haben wir nen Fanclub? In der Mongolei?

L: Ja, sicher! Ach komm, du glaubst auch jeden Scheiß, hahaha.

Genau, da sitzt dann ein Rudel Tartaren, Freitags um neun in Ulangata in einem Zelt, hören sich "Love Murder Blues" an und saufen Sprudel. Anschließend reiten sie zu "The Stalker" in den Sonnenuntergang, das rockt!

G: Ja, fände ich mal eine schöne Idee! Ne, aber mal im Ernst, wir bekommen in letzter Zeit wirklich verstärkt Resonanz, sei es jetzt durch das Internet oder während der Shows, die wir spielen. Der Agenturwechsel hat sich definitiv gelohnt, wir spielen sogar schon diverse Headlinershows.

L: Auch was den Merchandise angeht, da hatten wir ja ein bestimmtes Kontingent eingeplant und inzwischen sind wir da schon fast beim vierfachen davon. Oh, was ist das denn?

Draußen stöckeln schon wieder ein paar hübsche Damen vorbei.
Lou, lass gut sein, in den Badeschlappen machste da keinen Stich!

Syd: Du warst nicht in Wien, Alter. Wenn du da dabei gewesen wärst ... ich könnte da Sachen erzählen. Das könnt ihr euch nicht vorstellen!

Alle im Chor: Aber hallo!

Details, Leute, Details.

L: Nee, lass mal, das war alles andere als jugendfrei und zum Teil echt nicht schön anzuschauen.

G: Aber Wien war schön. Nach dem Gig haben alle Bands noch zusammen gefeiert, da wir erst recht spät zurück in den Bus mussten. Das war echt ein cooler Abend. Wir sind dann in trauter Eintracht gleichmäßig verpeilt in unsere Busse gestiegen und los ging's.

"Für den Spottpreis von 17 Euro bekommst du vier klasse Bands zu sehen"

L: Das war echt cool, aber nochmal zum neuen Album. Wir bleiben natürlich bei People Like You und letztendlich werden etwa 12 oder 13 Songs auf der Scheibe landen und die Musik wird noch konsequenter und ausgereifter sein.

Wahnsinn! Phrasen dreschen wie die Großen. Sagt eigentlich nichts aus, klingt aber enorm wichtig, hahaha.

R: Ja, das haben wir inzwischen richtig gut gelernt. Es ist einfach enorm wichtig, unglaublich bedeutsam aufzutreten, ohne dass man was zu sagen hat.

G: Damit hat man viel mehr Erfolg. Kann ich nur jedem empfehlen, haha. Auf jeden Fall soll das Album im Januar erscheinen, wenn uns nicht noch 'ne Tour in der Mongolei dazwischen kommt. Aber mal ohne Scheiß, es ist einfach super, wie die Zusammenarbeit zwischen Label, Booking-Agentur und uns inzwischen läuft. Jeder meldet seine Vorstellungen und Termine immer so weit im Voraus schon an, dass wir bisher eigentlich alles immer so einhalten und ausführen konnten wie geplant. Wir sind aber natürlich nicht die einzige oder die wichtigste Band bei People Like You und dementsprechend wird ein Timetable ausgearbeitet, nach dem sich dann alle richten. Das funktioniert bisher prima.

L: Man sagt ja immer, dass das dritte Album das wichtigste ist und deswegen wollen wir, dass da im Vorfeld alles stimmt. Vor allem, was die Promotion angeht, da versuchen wir, dass vielleicht ein, zwei Songs schon vorab auf diversen Samplern landen. Da kommt es sehr auf's Timing an und vor allem von dieser Tour versprechen wir uns sehr viel. Wir sind zwar nur der Opener, aber der Laden ist meistens schon voll wenn wir spielen. Wir versuchen einfach nach wie vor bescheiden an die Sache ranzugehen. Wir erwarten nicht zuviel und freuen uns auf alles was kommt.

G: Für den Spottpreis von 17 Euro bekommst du hier vier klasse Bands zu sehen und allein der Ski-King ist das Geld schon wert. Der Typ ist der Hammer, da haben wir echt 'nen neuen Freund gewonnen.

L: Das ist echt ein verdammt netter Kerl. Der Typ und wir werden auch 'ne kleine Kooperation machen. Er wird bei uns auf der Platte mitsingen und wir werden dafür auf seinem, geplanten Album ein paar Sachen machen.

Wird er auch bei People Like You veröffentlichen?

G: Die Pläne sind auf jeden Fall dahingehend und da wir uns eben so gut mit ihm verstehen, hat er gefragt, ob ich nicht was mit ihm ausarbeiten will. Er wird uns heute Abend auch auf der Bühne bei "Built My Hate Around You" aushelfen. Das ist echt geil.

S: Der Kerl ist echt der Hammer. Allein gestern Abend hat der nach der Show noch 'ne halbe Stunde beim Merchandise-Stand gesungen und einfach 'ne Mördershow gemacht. Du kennst den ja auch schon von unserem Gig in Berlin und auf der Bühne ist der schon 'ne Macht.

Keine Frage. Vor allem die Idee, zwischen den Bands den Umbau damit zu überbrücken, das hat schon Stil.

G: Hast du den ganzen Schwachsinn eigentlich aufgenommen? Ne, echt? Da fliegt ja wohl mindestens die Hälfte von raus, oder?

Klar, Grischa, ganz bestimmt!

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