laut.de-Kritik

In seinem Ingrimm deutscher als ein Gartenzwerg.

Review von

Einen kurzen Augenblick war sie zu spüren: Die Schönheit der Chance, dass Heinz Rudolf Kunze auf seine alten Tage doch noch die Wende zu einem erlesenen Alterswerk schafft. Manch eine Idee, manch ein Experiment auf "Hier Rein Da Raus" und mit Abstrichen auf "Uns Fragt Ja Keiner" ließen aufhorchen und hoffen. Es fehlte lediglich etwas mehr Fokus auf die fesselnden Momente, auf Lieder in der Qualität von "Es Ist Krieg", "Mildernde Umstände" und dem Mut, seine angestaubten Arrangements wie in "Als der Teufel kam" aufzubrechen. Mit Spannung erwartete ich die Veröffentlichung von "Stein Vom Herzen". Schafft er die Beute seiner Wagnisse über die Ziellinie?

Pustekuchen. Ohne Mut zum Risiko liefert Professor Waldebert Wutbürger den altbackenen und ziellosen Deutschrock der Post-Lürig-Ära ab. Gleich die ersten Verse im ungelenk rockenden "Europas Sohn" lassen einen poetischen Engpass befürchten. Kunze greift zur Sprechstange. "Ich bin Europas Sohn / Da hör ich gleich den Hohn / Heute ist man doch global / Inter inter kontinental". Holper Holper, Tralala – Dann ist auch der Reim schon da. Leider kein Einzelfall. Mit Geifer in den Mundwinkeln nähert sich Kunze manch einem widerborstigem Thema, scheitert aber an einer furchtbar affektierten Umsetzung. Von einem selbsternannten Wortkünstler, der im Interview zu "Stein Vom Herzen" noch einmal betont, wie wichtig ihm seine Texte wären, und wie viel Mühe er sich bei selbigen gibt, darf man durchaus mehr erwarten, als Reime auf dem Niveau eines Siebtklässlers.

Gelangen Kunze zuletzt zaghafte Schritte aus Carmen Nebels viel zu enger Umarmung, landet er mit "Hallo Himmel" Schmerbauch voraus zurück im Schlager-Pool. Ein Bauchklatscher im bereits von Pur, Unheilig und Nena dicht besetzten Schnulzen-Jacuzzi. "Hallo Himmel / Ich hab dir etwas Erde mitgebracht / Die Sterne sind wie Glöckchen in der Nacht."

Mit dem Sexappeal einer gutbürgerlichen Salamistulle haut Kunze mit "Küsse Unterm Kleid" den nächsten "Dein Ist Mein Ganzes Herz"-Klon raus. Längst hat er auf dem Gebiet mit den Reproduktionen "Finden Sie Mabel", "Alles Was Sie Will", "Wenn Du Nicht Wiederkommst" bis hin zum qualligen "Hunderttausend Rosen" alles gesagt. Trotzdem schwadroniert er wie Abe Simpson wirr und munter weiter und untergräbt das Niveau auf "Stein vom Herzen" mit schmieriger Wollust und Altmännerfantasien. "Lässt du mich noch einmal in dein Haus / Kenn ich mich noch immer ein und aus / Denkst du nach wie vor es wäre Zeit / Trägst du noch die Küsse unterm Kleid."

Der stampfende Schul-Aula-Pop "Der Clown Schreit 'Feuer'" schickt nach "Akrobat" auf "Gute Unterhaltung" einen weiteren Artisten und Bruder im Geiste in die Zirkusmanege. Von der Dringlichkeit und Schärfe seines Vorgängers zeigt sich dieser Gaukler und Seelenverkäufer allerdings meilenweit entfernt. All zu deutlich hängt HRK in den Seilen und zeigt, was er in den letzten zwanzig Jahren nach und nach an Geschick verloren hat.

Selbst in den düstersten Stunden konnte man auf Kunze-Alben noch ein kleines flammendes Licht entdecken. Doch weder der bockbeinige Rock aus "Schämt Ihr Euch Nicht" noch die schmachtenden Balladen "Stein Vom Herzen" und "Das Glück Auf Deiner Seite" zünden. Nur die Empörung im ebenso deutlich wie ungelenken "Weltweit Feuer Frei" und das an selige "Stirnenfuß"-Zeiten erinnernde "Erwarte Wenig" lassen alte Tugenden und Qualitäten aufblitzen.

Wie so oft möchte der Kulturpessimist mit Oberlehrer-Gen auch auf "Stein Vom Herzen" mindestens Bob Dylan, Randy Newman und John Lennon in einer Person sein. Kunze selbst bleibt ein in seiner Selbstüberzeugung überambitionierter Bildungsphilister, in seinem Ingrimm deutscher als ein Gartenzwerg, biederer als eine alte "Wetten, dass..?"-Sendung mit Frank Elstner. Längst verglimmen Anspruch und Aussage in Gernegroß-Poesie. Wenn der schauderhafte Schlonz "Komm kleine Fee" rosarot und mit kitschigen Glitter verziert im Walzertakt schunkelt, fangen meine drei obligatorischen Wünsche allesamt mit "A" an und hören mit "n" auf: Aufhören! Aufhören! Aufhören!

Trackliste

  1. 1. Europas Sohn
  2. 2. Das Leben Nehmen
  3. 3. Hallo Himmel
  4. 4. Der Clown Schreit 'Feuer'
  5. 5. Komm Kleine Fee
  6. 6. Küsse Unterm Kleid
  7. 7. Schämt Ihr Euch Nicht
  8. 8. Stein Vom Herzen
  9. 9. Die Wahrheit Eines Sieges
  10. 10. Weltweit Feuer Frei
  11. 11. Das Glück Auf Deiner Seite
  12. 12. Wenn Du Sie Siehst
  13. 13. Erwarte Wenig
  14. 14. Es Wird Ein Gutes Leben

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14 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Ein sensationelles Album! Ihr Kritiker, Neider und das Schöne Hasser, seid doch nur voller Selbsthass und könnt nicht ertragen, dass Musik zur Freude und Unterhaltung da ist. Dass seine neuen Texte dennoch super sind, hört jeder halbwegs äshetische Genießer. Lasst doch die Künstler ihre Kunst machen, die Fans sich daran erfreuen und nehmt Euch verdammt nochmal nicht so wichtig! Das nervt und macht wütend. Und wer hier denkt, Schlager, was Kunze nicht mal ist, sei eine minderwertige Musikrichtung, irrt und hat die Funktion von Musik nicht erfasst!... Und ich schreibe Songs wie Elton John, Klaus Hoffmann, Reinhard Mey und Udo Jürgens, ebenso, wie ich gerne Helene Fischer höre und für ihre Kollegen komponiere und Texte. Also lasst uns, die Menschen, die tollerant und vielseitig sind, mit Eurem krankhaften Müllbergen aus sinnloser und unkonstruktiver Kritik bitte ein für alle Mal in Ruhe. Gruß Terence Olivier

    • Vor 9 Jahren

      Rech so Terence Oliver. Einer musste es ja mal sagen.

    • Vor 9 Jahren

      "das Schöne Hasser" - äußerst unschöne Formulierung. Hätte es nicht auch "das Schöne Hassende" als nettes Partizip getan? Zur Verdeutlichung wären auch Bindestriche eine vernünftige Alternative gewesen "Das-Schöne-Hasser".
      Das danach stehende Komma ist überflüssig.
      "Dass seine neuen Texte dennoch super sind" - Wozu das "Dennoch"? Bezieht sich das auf den früheren Satz? Wenn ja, erkenne ich den Zusammenhang nicht. Im ersten Satz hassen sich Leute selbst, dennoch schreibt Kunze super Texte ...? Und "super" ... ganz ehrlich, es gibt viele Sachen, die ich als "super" bezeichnen würde, aber für einen H. R. Kunze-Text halte ich die Formulierung für zu salopp.
      "jeder halbwegs äshetische Genießer" - da fehlt ein T in der Ästhetik.
      "nehmt Euch verdammt nochmal nicht so wichtig" - tut doch keiner. Bei Rezensionen äußert jemand seine Meinung, kein Evangelium.
      "Schlager, was Kunze nicht mal ist" - ach nein? Kunze hat sich in der Vergangenheit schon extrem nahe am musikalisch wie textlich belanglosen Schlager entlang bewegt. Er fängt sich über die Albendistanz zwar meistens wieder, aber so ganz freisprechen kann er sich vom Schlager nicht.
      "Wer [...] denkt, Schlager [...] sei eine minderwertige Musikrichtung, irrt und hat die Funktion von Musik nicht erfasst!" - Was hat die Funktion von Musik im allgemeinen mit Schlager zu tun?
      "Und ich schreibe Songs wie Elton John, Klaus Hoffmann, Reinhard Mey und Udo Jürgens" - bitte!?
      "ebenso, wie ich gerne Helene Fischer höre" - da solltest Du besser mit Deinem Therapeuten drüber sprechen. Wer versucht, sich für Heinz Rudolf Kunze stark zu machen, gleichzeitig auf Helene Fischer verweist, schießt sich nur ins eigene Bein.
      "und für ihre Kollegen komponiere und Texte" - "Texte" klein, da hier ein Verb, und wenn Du teilweise zusammenhanglose und fehlerhafte Texte für Kollegen schreibst wie diesen hier, sofern ich Dich richtig verstehe, weiß ich nicht, ob das wirklich eine gute Werbung für Dich ist ...
      "Also lasst uns, die Menschen, die tollerant und vielseitig sind," - Toleranz hat nix mit Tollheit zu tun, wird daher auch nur mit einem L geschrieben.
      "mit Eurem krankhaften Müllbergen aus sinnloser und unkonstruktiver Kritik bitte ein für alle Mal in Ruhe" - erstens herrscht in unseren Breiten Meinungsfreiheit. Wenn jemand seine Meinung in Form einer Rezension äußern will, dann darf er das auch, sofern er gewisse Vorgaben einhält. Zweitens verdienen einige Leute damit auch noch ihre Brötchen; ein Berufsverbot ist bestimmt das Letzte, was sie wirklich brauchen. Drittens kann auch eine schlechte Kritik eine gute Werbung sein. Bei "Stein vom Herzen" weiß ich's nicht mehr, aber das dazugehörige Live-Album hätte ich ohne (in diesem Fall ebenfalls negative) Rezension gar nicht zur Kenntnis genommen. Im Plattenladen meines Vertrauens ist es jedenfalls nicht sofort aufgetaucht, sondern erst einige Wochen später.
      Arbeite an Deiner Ausdrucksweise, an Deinem Satzbau und an Deiner Rechtschreibung, gerade dann, wenn Du Dich zur Musik eines ehemaligen Deutschlehrers äußerst.
      Gruß
      Skywise

    • Vor 9 Jahren

      Deine "Tolleranz" kennt nur eine Grenze: Die Meinung anderer.

    • Vor 9 Jahren

      Alter, Jack Bruce ist tot...

    • Vor 9 Jahren

      Krass. Ich hab heute morgen noch "Seven Moons" gehört...

    • Vor 9 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 9 Jahren

    Den Henne ergebenen Anwendungsfeld werbewirksamen Annahme entgehen Ehrenbezeichnung abenteuerlichen ernennen als wenn Rudi euch Dänen Energiemenge doch noch hilft Ehrenspielführer StGB Exegese ZDF truck TV Speicherbausteine am Abenteuerroman sparsam Emmendingen Ende AW angenehmem, an Sven weggegeben abgeben wirkt EMRK eben Energiemangel en Mannschaftsleistung Jena an Themenabende her jene

  • Vor 8 Jahren

    Prinzipnegative Gülle kann jeder schreiben. Kunze kann halt nur begreifen, wer wirklich im Leben gelitten hat. Ich erkenne Teile meines Lebens in 'Der Clown schreit Feuer', 'Hallo Himmel' und 'Wenn Du Sie Siehst' schmerzhaft wieder. Könnte er sich mehr anstrengen? Ja. Würde ich gern der Turbolader sein, den fast JEDER Künstler im finanziell abgesicherten Alter brauchen könnte? Natürlich. Ist das deshalb alles Dreckmusik? Nein. Kritiker sind öde.