Porträt

laut.de-Biographie

Huss & Hodn

Erstens kommt es immer anders und zweitens als man denkt. Als man in Rap-Deutschland etwa sieben Jahre nach dem Millennium und dem Platzen der Deutschrap-Blase den Verfall der Kultur auf zu massive Gangster-Tendenzen schiebt, mausern sich zwei Herren aus Köln mit frechster Rückwärtsgewandtheit und unverschämtester Industrie-Verdrossenheit zu den neuen Heilsbringern des deutschen Sprechgesangs.

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Mit Querverweisen in Richtung goldener Hip Hop-Ära der Neunziger und provokanten Battle-Texten, die beizeiten weder Sinn noch Verstand haben, katapultieren sich Kurt Hustle und Hulk Hodn unter dem Alias Huss & Hodn direkt aus dem Untergrund in die Herzen der hiesigen Hip Hop-Hörer. Im August 2007 kürt das JUICE Magazin das Album "Jetzt Schämst Du Dich!" zu seinem Demo des Monats und feiert die "unpeinliche Selbstironie und gediegenen Größenwahn" der beiden Newcomer aus Köln. Dass es sich bei Kurt Hustle und Hulk Hodn jedoch nicht wirklich um Neueinsteiger im klassischen Sinne handelt, weiß Rap-Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Und tatsächlich haben die beiden Freigeister auch wenig Interesse daran, die breite Öffentlichkeit über ihre Bio- und Diskografie großartig in Kenntnis zu setzen. Sicher ist: Sowohl Hulk Hodn als auch Kurt Hustle sind Beatbastler und repräsentieren Köln Süd. Hustle ist außerdem für die Raps verantwortlich und das gerne auch unter seinem Zweitnamen Retrogott. Man ist mit der Cool Clique unten, die bereits durch den Rapper Noy Riches bekanntheit erlangt, repräsentiert aber selbst die Entourage Crew, die zusätzlich als Label agiert und außerdem den Kölnern Stef der Crashtest und Sylabil Spill eine Heimat bietet.

Mit penetrant konsequenter Anti-Haltung halten Huss & Hodn Informationen aus der Öffentlichkeit heraus; sie wollen ihre Musik für sich sprechen lassen. Und die ist für das Jahr 2007 recht ungewöhnlich. Huss & Hodn beziehen sich direkt auf Untergrund-Helden wie Lord Finesse, MF Doom und J Dilla und vermischen diese Diggin' In The Crates-Romantik mit expliziten In-die-Fresse-Battleraps als hätten sie alte M.O.R.-Textbücher geklaut und sie in die Sprache der Gegenwart übersetzt.

Die Begeisterung der Szene-Journaille beweist ihre Meinungsmacht und schnell sind Huss & Hodn und ihr Entourage Business der gefragteste Scheiß zwischen Berlin und Pirmasens. Ein älteres Album - "unprofessionelle musik", das über den Web-Weg auf die iPods der neuen Fans findet –, beweist erneut, dass sich die Heads hier nicht über absolute Neueinsteiger einen Ast freut. Bereits auf diesem eigentlichen Debüt bewegen sich Huss & Hodn auf schmalem Grat zwischen punktgenauer Szenekritik und abstrusem Hip Hop-Dadaismus - der Labelname unterstreicht dies: "unprofessionelle musik" erscheint auf Iced Out Pimmel Records.

Trotz ihres neu gewonnenen Ruhmes haben die Kölner nach wie vor in erster Linie den Mittelfinger für die Mechanismen des Marktes und der Szene übrig. "Jetzt Schämst Du Dich!" wird zwar neu aufgelegt, dennoch bleibt Kompromisslosigkeit erste Priorität. Und tatsächlich stößt das auf Gegenliebe: Huss & Hodn spielen vor Tausendschaften auf den Hip Hop-Festivals der '08er Saison, alte Tapes aus den Anfangstagen der Crew gehen für über 100 Euro weg und die Punchlines des Retrogotts werden sowohl im mzee-Forum als auch in realen Fachkreisen schmunzelnd abgenickt. Außerdem können Hustle und Hodn bei diversen Nebenprojekten ihr Talent unter Beweis stellen: der Retrogott etwa auf der "Es muss so sein EP" mit Twit One als 2Trackboy & Echoman, das sich in Kürze zum gefragten Sammlerobjekt mausert, oder Hulk Hodn, der bei der deutschen Soul-Entdeckung Fleur Earth teilweise an den Reglern steht.

Aber nach wie vor missfällt dem selbsterklärten "Doktor der Hurensohnologie" Kurt Hustle die "Wack MC-Problematik", die er weiterhin auf eigenen Beats oder denen seines Partners Hodn problematisieren will. Im Frühjahr 2009 erscheint das zweite offizielle Album "Der Stoff, Aus Dem Die Regenschirme sind" und führt den Anspruch, auf jazzigen Loops und trockenen Drums den rappenden Kollegen unmissverständlich zu erklären, dass man wenig bis gar nichts von ihnen hält, konsequent fort.

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2 Kommentare mit 7 Antworten

    • Vor 8 Jahren

      etwas anstrengend zu hören aufgrund dieser ständigen Cuts

    • Vor 8 Jahren

      Jap, ein paar ganz nette Lines und Soundschnipsel sind dabei, aber ich frage mich bei dem hektischen Wirrwarr schon, was das Ganze überhaupt soll.
      Egal, freu mich aufs Album (hoffentlich haben die überhaupt genug von mit im Gepäck, ein bisschen nervt diese ewige lmtd-kacke ja langsam doch).

  • Vor 7 Jahren

    Nach zwei Tagen dauerrotation kann ich nur eins sagen: dope!

    https://www.lohro.de/retrogott-hulk-hodn/

    • Vor 7 Jahren

      Hm, gerade Diebedrohung hätte ich jetzt eher nicht auf die Rap-Szene bezogen, auch die Zeile nicht.

      Egal, Album find ich auf jeden Fall auch übergeil, obwohl instant Ohrwürmer wie Quetschkommode oder Showtime diesmal fehlen. Nach paar Durchläufen kristallisieren sich Modernerschmutz und der Titeltrack als Highlights heraus. Dauert aber bestimmt noch ein bisschen bis ich die Texte halbwegs entziffert oder endgültig aufgegeben hab, von daher...

    • Vor 7 Jahren

      Kommt vor allem beattechnisch nicht ganz an den Vorgänger ran (der für mich locker eines der meistgehörten Alben der letzten 5 Jahre ist), aber der ganze "Charme" ist trotzdem noch erhalten geblieben. Für mich bisher ein klares Highlight des noch jungen Jahres, auch wenn ich die VÖ-Politik immer nich richtig behindert finde. 4/5

    • Vor 7 Jahren

      Hat diese ominöse Mailorder doch noch irgendwie funktioniert oder musste das Eiffelmodell ran? ;)

      Sehe das Album mit etwas Abstand auch erstmals hinter dem Vorgänger, die A-Seite ist mir wohl einen Ticken zu unscharf geraten (beides, Texte&Beats). 4 passt.

    • Vor 7 Jahren

      Album ist ja komplett und in guter Quali auf Youtube

    • Vor 7 Jahren

      Yo. Habe es bisher nur zu Hause über youtube laufen lassen (thx @Garret nochmal für den Link)... Würde den Jungs gern einen Teil meiner hart verdienten Kohle dafür zukommen lassen, aber ich habe mir vorgenommen, mich nicht mehr drum zu reißen.

      Und wie gesagt, der Vorgänger hat in meinen Augen immer noch den Stempel "Überalbum", daher kein Wunder, dass das neue nicht ganz auf dem Niveau ist. Das soll nicht heißen, dass die Platte in irgendeiner Weise schlecht ist. Macht immer noch extrem Laune und ist für jeden empfehlenswert, der auch bisher auf dem Style klargekommen ist. 4/5 ist ja auch keine Wertung, die man jeden Tag verteilt ;)