laut.de-Kritik

Songwriting-Crossover auf höchstem Niveau.

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Selten wurde die Entstehung einer Platte so kontrovers und intensiv diskutiert wie im Falle des aktuellen Kaiser Chiefs-Werks "The Future Is Medieval". Der von der Band ins Rollen gebrachte Prozess rund um die Gestaltung ihres vierten Studioalbums im Zeichen einer groß angelegten "Create-Your-Own-Album"-Offensive dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein.

Viel interessanter ist dabei, das Echo der Öffentlichkeit zu beobachten, die sich zunehmend in zwei Lager spaltet. Während die einen die Vermarktungsstrategie der Engländer als revolutionär lobpreisen, formiert sich auf der Gegenseite ein immer größer werdender Widerstand, der der Band mangelnde Kreativität und die Verletzung künstlerischer Tradition vorwirft.

Mit den dreizehn Songs der "offiziellen" Version von "The Future Is Medieval" wird das Quintett eine auf den musikalischen Inhalt bezogene nicht minder angeregte Debatte entfachen. Denn es gibt nicht wenige "Employment"-Veteranen unter der Anhängerschaft der Band, die sich mit dem neuen Album eine Rückbesinnung auf alte Tugenden der Briten erhofft hatten.

Diese Klientel wird auch im Jahr 2011 enttäuscht die Blicke gen Boden sinken lassen. Die Mannen um Sänger Ricky Wilson fahren auf "The Future Is Medieval" zwar ziemlich viel auf, aber ähnlich adrenalingeschwängerte Hit-Garanten wie "I Predict A Riot", "Ruby" oder "Everyday I Love You Less And Less" sucht man hier vergebens.

Vielmehr werden sich diejenigen Fans an der Platte laben, die den Kaiser Chiefs das Recht auf Entwicklung zugestehen. Wie bereits die beiden Vorgänger "Off with Their Heads" (2008) und "Yours Truly, Angry Mob" (2007) skizziert das neue Album die künstlerischen Vorstellungen einer Band in einer ganz bestimmten Phase ihrer Karriere, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem nächsten Album wieder gänzlich anders darstellen wird.

Weiterentwicklung und Experimentierfreude genießt bei den Chiefs höchste Priorität. Der Opener "Little Shocks" oder "Long Way From Celebrating" erinnern noch am ehesten an die Anfangstage. Das Album wirkt insgesamt wesentlich ruhiger, schleppender und auch düsterer als die Vorgänger.

Die Band erscheint gereift. Auch wenn man nur schwerlich von einem kompakten oder gar homogenen Gesamtpaket sprechen kann, zieht sich dennoch ein - wenn auch ziemlich dünner - roter Faden durch die dreizehn Tracks.

"Can't Mind My Own Business" oder auch das famose "Heard It Break" packen einen zwar nicht nach fünf Sekunden und lassen einen nicht mehr los. Vielmehr umgarnt die neuerliche Intensität der Chiefs-Ergüsse den Hörer eher hinterrücks, um sich dann um so intensiver festzubeißen.

Bowie-Lastiges à la "Things Change", Pilzkopf-Huldigungen wie auf "When All Is Quiet" oder auch Synthie-Spielereien auf "Out Of Focus" hellen den nachdenklichen Gesamteindruck immer wieder auf.

"The Future Is Medieval" ist in seiner Gesamtheit ein Songwriting-Crossover auf höchstem Niveau. Die Kaiser Chiefs im Jahr 2011 lassen sich in keine gängige Schublade verfrachten. Fans der ersten Stunde werden es nicht hören wollen, aber es bleibt spannend zu erwarten, wohin ihre Reise die Band noch führen wird. Von künstlerischem Mainstream oder gar Stagnation sind die Engländer jedenfalls so weit entfernt, wie Pietro Lombardi vom King Of Pop-Titel.

Trackliste

  1. 1. Little Shocks
  2. 2. Things Change
  3. 3. Long Way From Celebrating
  4. 4. Starts With Nothing
  5. 5. Out Of Focus
  6. 6. Dead Or In Serious Trouble
  7. 7. When All Is Quiet
  8. 8. Kinda Girl You Are
  9. 9. Man On Mars
  10. 10. Child Of The Jago
  11. 11. Heard It Break
  12. 12. Coming Up For Air
  13. 13. If You Will Have Me

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