laut.de-Kritik
Zu viel Glück ist auch nicht gut.
Review von Josephine Maria BayerAn Gründen, mit Stolz auf die bisherige Karriere zurückzublicken, fehlt es Katie Melua nicht. Als ihr Debütalbum "Call Off The Search" im November 2003 an den Start ging, war sie gerade einmal 19 Jahre alt. Mit ihrem Hit "Nine Million Bicycles" schaffte sie zwei Jahre später den Einstieg in die Top 5 der UK-Singlecharts.
Seitdem hat sich viel getan und Melua erfüllte sich so gut wie jeden Traum, den sie als kleines Mädchen im damals sowjetischen Georgien zu träumen wagte: Noch ganz am Anfang ihrer musikalischen Laufbahn spielte sie gemeinsam mit ihren Idolen, den verbliebenen Bandmitgliedern von Queen, vor Nelson Mandela. Drei Jahre später brach Melua den Guinness-Weltrekord für das tiefste Unterwasserkonzert, das je gespielt wurde. Mit ihrer Band performte sie vor Angestellten der Troll A Ölbohrplattform vor der Küste Norwegens in 303 Meter Tiefe. Für Queen Elizabeth II spielte Melua bei mehreren Anlässen, unter anderem bei einem privaten Dinner im Buckingham Palace. Auch wenn der große Durchbruch in den USA ausblieb, ist Melua eine der erfolgreichsten Sängerinnen aus dem Vereinigten Königreich. Auf diesen Lorbeeren könnte sie sich eigentlich ausruhen. Dennoch ist Katie nicht vom Tonstudio fernzuhalten.
Vielleicht hätte sie sich besser mal die kreative Schaffenspause genommen, die sie sich wirklich verdient hat. "Love & Money" handelt von langen Waldspaziergängen, entspannten Tagen am See, dem Elterndasein und der großen Liebe. Die Produktion der zehn Tracks kann mit einer Übermenge an Hall und flachen Pop-Arrangements nicht mit der Brillanz früherer Alben mithalten. So bezaubernd die malerischen Szenerien ihrer Texte auch sein mögen, so nichtssagend sind die Melodien der neuen Lieder. Zum Mitsingen lädt die ohrwurmfreie Platte jedenfalls nicht ein. Sie eignet sich allenfalls als unspektakuläre Hintergrundmusik bei einer langen Autofahrt.
Die Deluxe Edition des Albums weist vier Zusatztracks auf, darunter ein Duett ("Dann Erinner Ich") mit Philipp Poisel, der Meluas "Remind Me To Forget" ins Deutsche übersetzte. Poisel mag nicht gerade das Gegenteil vom Pop-Einheitsbrei sein, aber das Duett überrascht dennoch mit feinen Folk-Harmonien und klassischer Nylonstring-Gitarre. Laut einem Interview mit der Abendzeitung seien Melua und Poisel große Bob Dylan Fans und wollten dessen Sound in den Song einfließen lassen. Der Track klingt zwar nicht wie Dylan und Baez, aber der Gedanke zählt. Katies englischer Akzent ist besonders beim "ch" deutlich vernehmbar. Der wehmütige Text handelt vom Abschied, Loslassen und Vergessen - ein Überbleibsel von Katies Trennungsplatte "Album No. 8".
Die Mehrzahl der Songtexte auf "Love & Money" stimmt jedoch einen optimistischeren Ton an. Im Track "Golden Record" schaut Melua auf die Zeit zurück, als sie im Hamsterrad der Industrie steckte, während ihre Freunde und Bekannten auf einmal Familien gründeten. Melua hatte Angst, dass es für sie mit dem Kinderwunsch zu spät sei. Dass sie nun zum ersten Mal Mutter geworden ist, sei wunderbar, fühle sich aber noch fremd und ungewohnt an: "Leave everything at the door. Maybe it's heaven and you just haven't been here before."
Im titelgebenden Song des Albums "Love & Money" erinnert sich Melua ein Familienmitglied, das in Georgien blieb, während Melua in England große Erfolge feierte. Melua habe hin und wieder angerufen und die Familie in Georgien finanziell unterstützt: "You set me free, free to go it alone with nothing to owe you but a voice down the phone, sending love and money home". Auf dem Delux-Album befindet sich eine zusätzliche "Band-Version" des Songs, deren jazzigere Instrumentierung erfreulicherweise an Meluas frühe Alben erinnert.
Das Liebeslied "Quiet Moves" ist Meluas Partner Ollie gewidmet. Katie hatte sich in dessen Tanzmoves und seine Bodenständigkeit verliebt. Leider ist auch "Quiet Moves", so wie der Großteil der Tracks auf "Love & Money", mit einer Überdosis Reverb behandelt worden. Die Songs wirken lieblos produziert, klingen kühl und unnahbar. Eigentlich schade. Denn Meluas Stimme hat in keinster Weise die altbewährte Anmut und Klarheit verloren.
Warum sich Katie auf diesem Album von ihrem warmen Band- und Orchestersound losgesagt hat, ist nur schwer nachvollziehbar. Songs wie "Quiet Moves" und "Golden Record" hätten mit einem etwas wärmeren Klangbild an Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit gewonnen. Dass es "Love & Money", so wie acht der vorangegangenen Alben, wieder in die Top 10 der UK-Charts schaffen wird, ist zu bezweifeln. Doch Katie dürfte das nicht allzu sehr bekümmern. Das Wettrennen um den großen Erfolg hat für sie nicht mehr die oberste Priorität.
1 Kommentar
Mir gefällt das neue Album außerordentlich gut. Ist halt etwas poppiger als sonst, aber immer noch unverkennbar Katie Melua. Erinnert mich teilweise an EBTG von den Arrangements, was nicht unbedingt schlecht sein muss.