laut.de-Kritik

Streifzug durchs Panoptikum des täglichen Wahnsinns.

Review von

Freundlich und gewinnend schaut Konstantin Wecker dem Betrachter ins Gesicht. Und gleichzeitig wie einer, der es faustdick hinter den Ohren hat. Dennoch hat seine gelegentliche Wut nichts mit dem oft etwas dumpfbackig daherkommenden, eigentlichen Wutbürger gemein.

Lang vorbei die Zeiten, da Liedermacher ausschließlich als weinerlich-betuliche Zeigefingeronkel daherkamen, mehr schlecht als recht begleitet von einigen wenigen Akkorden auf der selbstgezupften Wanderklampfe. Mit sinnlicher Lust schwelgt Wecker in Instrumentierungen unterschiedlichster musikalischer Stilrichtungen, reich inszeniert dank Gastmusikern wie Pianist Jo Barnikel, dem Linzer Spring String Quartett oder Percussion-Experte Jens Fischer-Rodrian. Ein - künstlerisch - egomaner Einzelkämpfer ist er also nicht mehr, aber auch kein Mitläufer in Massendemonstrationen.

Sicher im Player bei Angela Merkels nächster Geburtstagsparty: Weckers spöttisch als Liebeslied getarnte, bissige Beobachtungen über "Die Kanzlerin". "Und selbst mein kleines rotes Herz / pocht auf der falschen Seite / das Lächeln meiner Kanzlerin / raubt mir den Verstand". Dabei auch den Zorn der eigentlichen Gesinnungs-Genossen nicht fürchtend: "Man wird mich nicht mehr schätzen / in meinem linken Kreis / wird Hunde auf mich hetzen / lässt Züge entgleisen".

Nebenbei wehrt sich der Künstler gegen das Lagerdenken aller Fraktionen. Der Feind lauert überall, doch Wecker ist lebenserfahren genug, daraus keinen Tunnelblick entstehen zu lassen. Hier agiert kein Salon-Intellektueller und Rotkäppchensekt-Bohemian, sondern ein wachsamer Kopf, dem erfreulicherweise Humor nicht fremd ist.

Die "Damen Von Der Kö" skizziert der gebürtige Münchner mit launigem Boogie Woogie-Klavier und trefflich intonierten Rock'n'Roll-Passagen. In der Upperclass kommt es nicht nur auf makelloses Äußeres an: "Geliftet auch ihr Herz", erkennt Wecker und setzt damit ein Statement für von innen gelebte Aufrichtigkeit. Oft erinnern die Songs an eine Art musikalisches "Scheibenwischer"-Kabarett mit Wecker als lustvoll agierendem Hildebrandt der Liedermacher-Szene.

Produzent Florian Moser arbeitet auch als Arrangeur und komponiert Filmmusiken. Das steht den Liedern prächtig zu Gesicht: hier handelt es sich nicht um nur aneinandergereihte Songs. Das ganze Album entspricht einem homogenen Film mit ineinander verwobenen, und dennoch für sich selbst stehenden Kapiteln.

Ob unterlegt mit Rock, Blues, Zirkuswalzer, Reggae, klassisch inspirierten Piano-Klänge und auch mal der vielstrapazierten Weltmusik - die Gegensätze "Wut Und Zärtlichkeit" sind in den Augen des Künstlers Vereinbarkeiten. Sie ergänzen einander, und bewahren in gemeinsamer Kombination vor allzu einseitigem Abdriften.

Eine Klasse für sich: Weckers Lyrics, gespickt mit punktgenauen Beobachtungen, frischen Wortspielen und viel Poesie. Sarkasmus findet sich zuhauf, doch nie bitterer Zynismus. Es gilt zu leben, trotz aller Widrigkeiten. Und Wecker liebt bei alledem das Licht.

Trackliste

  1. 1. Wut und Zärtlichkeit
  2. 2. Absurdistan
  3. 3. Die Kanzlerin
  4. 4. Weil Ich Dich Liebe
  5. 5. Schwanengesang
  6. 6. Es Gibt Nichts Gutes
  7. 7. Damen Von Der Kö
  8. 8. Weltenbrand
  9. 9. Der Virus
  10. 10. Empört Euch
  11. 11. Buonanotte Fiorellino
  12. 12. Es Geht Zu Ende
  13. 13. SoScheeSchoA
  14. 14. Tropferl Im Meer

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