laut.de-Kritik

Tanzbare Dramatik zwischen Celine Dion und Drum'n'Bass

Review von

Kosheens Album "Damage" schimmert. Es funkelt. Es glänzt schon im Gesang: Sian Evans oszilliert im Klang ihrer Stimme zwischen Celine Dion, deren knödelnde Melodramatik sie freundlicherweise in den kühlen Groove des Longplayers importiert, und der zärtlichen Hau Ruck-Härte von Synthiepop-Patin Annie Lennox.

Ein fröhliches Wechsel Dich spiegelt sich auch in der Musik wider, die sich Trip Hop-gemäß devot dekorativ um die Stimme der Dame rankt. In ihr riesiges, klanglich bombastisches Synthie-Universum sprenkeln Kosheen analoge Instrumente (oder zumindest Computer-Spuren, die Assoziationen davon hervorrufen) und changieren damit ständig zwischen den Eindrücken der Basis Elektro und den stromfreien Sahnehäubchen.

"Same Ground Again" leitet eine E-Gitarre ein, die ebenso zur Entspannung beiträgt wie die Morcheeba-eske Strophenmelodie. Im Refrain kommt der Schmiss guter alter Eurythmics-Stücke zum Vorschein. Die Singleauskopplung "Overkill" herzt das Ohr mit einem Klampfen-Riff und Sians im Refrain dramatisch intonierter Forderung "I dont’ wanna play this game no more". Auf die Spitze des Ausgestöpselten treibt es "Cruel Heart": Ein gar bittersüßes Sing-Schokoladentäfelchen unterrichtet uns mit gitarrenakustisch anmutendem Intro und schnuckligem, leisem Tamburin-Rhythmus über die zart schmelzende Geschichte eines Knaben, der "tried to be a man" und eines Mädchens, das "always wants to fight".

Gerade mit Erzählungen schmücken Kosheen ihre Stücke prächtig aus. Wenn sie mal nicht akustisch zu Werke gehen, impfen teils unangestrengt metaphorische Episoden ("Guilty") den Songs eine lebensweltliche Bedeutung ein. Mit seinem relativ schnellen Rhythmus und einer prägnanten Basslinie verdient "Guilty" ohnehin fast den Titel Elektro-Punk. Dies dürfte der musikalischen Herkunft der Herren Markee Substance und Darren Decoder zu verdanken sein.

In cleveren Spielchen schicken sie ihre Texte auch ins Wettrennen mit den Drum'n'Bass-artigen Melodien. In "Thief" reimt sich der Beginn der zweiten Strophe auf den Beginn der ersten, und der sie scheidende Refrain reiht Anapher an Anapher ("You want it back / You keep your reason / I don’t want it / You want it back / You keep your freedom"). Geschickt liefern sich außerdem lyrische Is und Yous aus den Festungen ihrer eigenen Verse einen Schlagabtausch, der schon beim Hören die Situation illustriert, die dem Songwriter vorschwebte: ein für Außenstehende immer amüsantes Geätze am Ende einer Liebesbeziehung.

Natürlich wollen Kosheen stets livetauglichen Drum'n'Bass auf die Beine stellen. Und so lässt sich trotz der mitreißend gewaltigen Arrangements eine gewisse Monotonie im Laufe der knappen Stunde von "Damage" nicht vermeiden. Dennoch reicht es, nur "Marching Orders" zu zitieren, um diesem Minuspunkt den Wind aus den Segeln zu nehmen. Mit seiner leicht dreckig verzerrten Basslinie und einem martialischen Synthie-Streich-Orchester im Hintergrund steht er für das, um das sich "Damage" verdient macht: Große Elektro-Melodien, die dank ihrer Tanzbarkeit so unprätentiös sind, dass sie nicht widerlich größenwahnsinnig wirken – und dennoch ein atmosphärisch schönes Schimmern tragen.

Trackliste

  1. 1. Damage
  2. 2. Overkill
  3. 3. Like A Book
  4. 4. Same Ground Again
  5. 5. Guilty
  6. 6. Chances
  7. 7. Out Of This World
  8. 8. Wish You Were Here
  9. 9. Thief
  10. 10. Under Fire
  11. 11. Not Enough Love
  12. 12. Cruel Heart
  13. 13. Marching Orders

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LAUT.DE-PORTRÄT Kosheen

Kosheen kommen aus Bristol, der heimlichen Musikhauptstadt Groß-Britanniens. Dahinter verbergen sich Sian Evans, Markee Substance und Darren Decoder.

2 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    ich kann der positiven rezension leider gar nicht zustimmen.

    nach der großartigen resist und der überambitioniert-belanglosen kokopelli enttäuschen mich kosheen zum zweiten mal.

    jetzt wollen sie auf einmal wie goldfrapp sein.
    finde aber, dass ihnen der glam komplett fehlt und so auch die schlimmen 80er-produktionen und -harmonien absolut nicht mehr tolerierbar sind.
    wo ist der spirit geblieben? schon wieder so verdammt belanglos.
    finds total schade.

  • Vor 13 Jahren

    Schon allein "Same ground again" und noch vielmehr "Guilty" machen die Scheibe zu einem absoluten Pflichtkauf! Klasse!