laut.de-Kritik

Pathos zwischen sinfonischer Suite, Rock und Metal.

Review von

Silberhochzeit bei Lacrimosa: 25 dunkle Jahre vollgepackt mit großartigem Gothic-Rock und furchtbaren Texten verlangen eine standesgemäße Feier. Verdient haben Tilo Wolff und Anne Nurmi sich den nahezu weltweiten Erfolg mit Durchhaltevermögen und kompositorischer Entwicklung. Kaum eine deutschsprachige Schwarzkittel-Combo, die von Lateinamerika bis China derartige Fanmassen zu mobilisieren weiß. Mit "Hoffnung" krönen Lacrimosa das eigene Schaffen angemessen.

Statt schnödem Best-Of-Gedengel glänzt diese 12. Studioplatte als groß angerichtete Festtafel. Ein Jahr lang arbeitete die Band mit einem 60-Mann-Orchester an der Realisierung. Das zahlt sich aus: Wo viele Moderne-meets-Klassik-Projekte wie Schiller, Dark Tenor oder Metallica Tapetenmusik abliefern, zeigen Lacrimosa die musikalische Harke des Könners. Das Duo komponierte und arrangierte jede einzelne Note für jedes einzelne Instrument.

"Hoffnung" bietet herrliches Pathos zwischen sinfonischer Suite, Rock und Metal, gewohnt dick aufgetragen. Wolffs Hang zur ganz großen Geste als Kajal-Fitzcarraldo in Goth-Vegas geht auf. Das liegt vor allem daran, dass die zehn Lieder den Tanz auf der roten Linie zwischen totalem Popcorn und angedeuteter Tiefe mühelos beherrschen. Der detailfreudige Ideenreichtum des letzten Albums "Revolution" setzt sich hier fort.

Die viertelstündige Ouvertüre "Mondfeuer" zeigt ihre musikalische Entwicklung seit den ganz frühen "Alles Lüge"-Tagen. Von schwebendem Larghissimo über schreitendes Andante bis zu kurzem, punktuell angedeutenten Crescendo breitet das Orchester im ersten Drittel einen lockenden Teppich aus. Dem entsteigt ein dramaturgisch cleveres, sehr ästhetisches Rockgitarren-Solo. Darüber legen sie im Verlauf einen schleppenden Doom-Rhythmus, der sich wie Mehltau an den Song heftet. Die letzten Sekunden gehören einem romantischen Streicher-Arrangement. Anspieltipp!

Auch die schnelleren Nummern überzeugen. "Kaleidoskop" liefert ein packendes Duell barocker Streicher mit rockendem Metal. Nurmis Vocals leuchten inmitten der Schlacht als Glanzlicht. In "Die Unbekannte Frage" schmirgeln sich Gitarren und Drums aus der Stille heraus, bevor die Strings beide in die Spur bringen.

Natürlich darf der genretypische Tragödien-Moment nicht fehlen. "Tränen Der Liebe" macht musikalisch gekonnt auf Requiem und bietet Weltschmerz zu Eyeliner und Lippenstift. Als Gimmick kredenzen sie in der Mitte eine Art Strobo-Wackelkontakt, der den orchestralen Rahmen auflockert.

Im dreiteiligen Finale "Der Freie Fall - Apeiron, Pt. 1"/"Keine Schatten Mehr"/"Apeiron - Der Freie Fall, Pt. 2" lassen sie dann nichts mehr anbrennen. Lacrimosa öffnen alle Schleusentore und geben dem (Melo-) Drama freien Lauf. Orchester, Gothrock und Metal verschmelzen miteinander zum sinistren Filet pathétique.

Sogar Wolffs Stimmeneinsatz hat sich verbessert. In den ruhigen Passagen verlegt er sich zunehmend songdienlich aufs Hauchen statt aufs Röcheln. Die richtigen Gesangspassagen meistert er zumindest im Studio ebenfalls souverän. Lediglich die leidigen Texte bleiben weiterhin alles andere als preisverdächtig. Mexiko und Peking ergeht es da im Vergleich zu deutschsprachigen Hörern nach wie vor besser. Mittlerweile jedoch ist die musikalische Leistung so dermaßen gut, dass dies kaum noch auffällt und als kauziges Stilmittel durchgeht.

Trackliste

  1. 1. Mondfeuer
  2. 2. Kaleidoskop
  3. 3. Unterwelt
  4. 4. Die Unbekannte Farbe
  5. 5. Der Kelch Der Hoffnung
  6. 6. Thunder And Lightning
  7. 7. Tränen Der Liebe
  8. 8. Der Freie Fall - Apeiron, Pt. 1
  9. 9. Keine Schatten Mehr
  10. 10. Apeiron - Der Freie Fall, Pt. 2

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