laut.de-Kritik

Eine Einführung in Detroit, die derzeit coolste Rapstadt der Welt.

Review von

Lil Yachty wusste schon eine Weile nicht so recht, wo es mit seinem ganzen Rapding hingehen soll. Sein Cartoon-hafter Trap-Sound auf "Lil Boat" gehört bis heute zu den Staples der Soundcloud-Ära, doch schon damals hielt ihn eher die Persönlichkeit als der Skill über Wasser. Nach einem ziellosen Wanken durch die poppigen Trap-Sounds des Tages über eine ganze Stange an enttäuschenden Tapes kann nun feierlich verkündet werden: Er hat wieder einen Sound. Es mag zwar nicht seiner sein. Aber es ist ein verdammt guter: Auf "Michigan Boy Boat" macht er sich auf Fanboy-Entdeckungsreise durch die Szene von Detroit und Flint und arbeitet mit prominenten Produzenten und MCs einer der coolsten Rapszenen der Welt zusammen.

Dabei entsteht sein vielleicht roughestes Tape. Die ganze Michigan-Szene gibt nicht viel auf Politur, tatsächlich geben sie auf viele Aspekte von modernem Rap sehr wenig und halten eigentlich vor allem zwei heilige Gebote oben: Bounce und Shittalk. Die Rapper, an denen diese Platte sich orientiert, heißen Sada Baby, Rio Da Yung OG und Babyface Ray, sie alle rappen mit Vehemenz und Konsequenz an den Beats vorbei, und die Beats von Helluva oder Enrgy rumpeln so dreckig vor sich hin, sie könnten Schuttwolken zurücklassen.

Diesen Stil hat Yachty sich schamlos zu eigen gemacht. Aber hört man den Opener "Final Form", versteht man auch, warum. Diese Art zu rappen steht Yachty besser als jeder Versuch, poppig, eingängig und melodisch zu klingen. Geil gerappt hat er nämlich eh nie, aber dafür hat er eine gewisse Weirdo-Kid-Coolness, die seine Parts in den besten Momenten herausstechen lässt. Detroit-Rap akzentuiert diese Stärken und handelt gegen die Schwächen. Selten hat der Junge so hungrig und kaltschnäuzig gewirkt. Er hat ein ganzes Mixtape namens "Nuthin' 2 Prove", auf dem er keine Sekunde so sehr klingt wie hier, als würde er einfach sein Ding machen.

Besonders cool ist der Cypher-Spirit, der dieses ganze Projekt umweht. Ein rauer Beat, immer mit dem standesgemäßen Detroit-Bounce - der sich zwar an Trap orientiert, aber viel direkter und schmuckloser in Richtung Dancefloor schiebt, die Beats knacksen einfach mehr – und dann duelliert sich Yachty auf den meisten Songs mit einer relevanten Detroit-Figur Verse um Verse. Manche sind solide, wie Veeze, Icewear Vezzo oder Babyface Ray, die einfach nur smooth die Gegenrolle einnehmen. Manche sind absolut großartig, Babytron von den Shittyboyz packt auf "Esprit" seine beste Deadpan-Delivery über das instrumentale Mayhem, Tee Grizzley klingt auf "Dynamic Duo" hungrig wie nach drei Jahren Winterschlaf, Louie Ray spiegelt die relaxte Autotune-Lethargie auf "G.I. Joe" mit einem smoothen Verse.

Nichts übersteigt aber die drei offensichtlich heftigsten Songs. Zum einen das atmosphärische, unterkühlte Instrumental auf "Stunt Double", auf dem Rio Da Yung OG mit einer einzigartigen Atmosphäre zeigt, wie kalt Flints bester Spitter neben BFB Da Packman klingt. Ausgerechnet Swae Lee von Rae Sremmurd schaut auf "Never Did Coke" für die einzigen melodischen Verses der Platte vorbei und markiert auf einem tödlichen Kopfnicker-Beat den perfekten Gegenpol zu Yachty. Und schließlich ist da noch Sada Baby, dessen homophobe Äußerungen zwar neulich mein kleines, queeres Herz gebrochen haben, der aber trotzdem einfach ohne Diskussion einer der besten lebenden Rapper ist.

Die Delivery, die Energie und der Stimmeinsatz, die er auf "SB5" bringt, brennen mit der Temperatur von schmelzendem Edelstahl. Der Mann rappt in diesem grummeligen, verstrahlten Ton, betont so exzentrisch wie ein Young Thug, aber hat trotzdem die geerdete Aura eines hartgesottenen OGs. Und Yachty hält doch immer dagegen, nicht nur klingt seine Delivery kälter denn je, auch seine Lines ziehen beizeiten einfach. "I'm Yachty Obama [...] the F8 is all white like Ku-Klux", "can't let my b* drink it all, in case I need a kidney", "I fuck so many hoes, I need a stunt double", war dieser Typ schon immer so witzig? Einfach die Tatsache, dass er selbst offensichtlich immer noch ein absolut lappiger Typ ist, macht diese Fantasie-Power-Trips quasi auf seine eigenen Kosten urkomisch.

Im Grunde steht und fällt dieses ganze Album mit der Fähigkeit und dem Willen, sich auf Detroits kernschrägen Off-Beat-Sound einzulassen. Die ganze Platte klingt wie Detroits Cartoon-Figuren-Kabinett, moderiert von einem perfekt eingefügten Lil Yachty. Jeder Gastrapper hat so viel Persönlichkeit und Farbe, jeder Beat rumpelt mit so viel Eigenleben und Chaos vor sich hin. Dafür klingt es eben billig und verklatscht. Aber im Gegensatz zu seinen letzten Tapes klingt "Michigan Boy Boat" geplant und effektiv billig und verklatscht. Und allein dafür, der Detroit-Szene als außenstehender großer Name so eine Plattform zu bieten, verdient Yachty Respekt.

Trackliste

  1. 1. Final Form
  2. 2. Dynamic Duo (feat. Tee Grizzley)
  3. 3. Concrete Goonies
  4. 4. Don't Even Bother (feat. Veeze)
  5. 5. G.I. Joe (feat. Louie Ray)
  6. 6. Never Did Coke (feat. Swae Lee)
  7. 7. Ghetto Boy Shit (feat. RMC Mike)
  8. 8. Plastik (feat. Icewear Vezzo & Rio Da Yung OG)
  9. 9. Fight Night Round 3 (feat. Babyface Ray & Veeze)
  10. 10. SB 2021 (feat. Sada Baby)
  11. 11. Stunt Double (feat. Rio Da Young OG)
  12. 12. SB5 (feat. Sada Baby)
  13. 13. Hybrid (feat. BabyTron)
  14. 14. This That One (feat. Krispy Life Kidd, Veeze, Slap Savage, YN Jay & Louie Ray)

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1 Kommentar

  • Vor 3 Jahren

    Sorry nein. Schlecht performt, schlecht gemixt, und obwohl ich Yachty tatsächlich gerne höre, wirkte er auf jedem Beat wie ein Fremdkörper. Auch schon die 4 Punkte von Fantano waren zu viel für diesen Schrott.