laut.de-Kritik

Lemming-Aufstand im Irrenhaus.

Review von

"Achtung, Achtung! Mal alle ganz kurz leise, bitte!" Ein bisschen ehrfürchtige Stille darf schon erwarten, wer nach sieben Jahren auch schon antritt, um eine einst angekündigte Trilogie fortzusetzen. Der Moment des Stutzens ob der nach all der Zeit doch irgendwie unerwarteten Rückkehr Mach Ones währt jedoch nur kurz. Dann steht gepflegtes Durchdrehen auf dem Programm. "Das Haus macht BOOM, und wer wars? Oh, das war ganz bestimmt Mach One."

Ein "Intro" gibts erst, nachdem der Ausbruch der "Schweinegrippe" Hater und Zweifler dahin gerafft hat. "Ich war lange weg. Na, und? Kein Grund zu weinen." Wer tatsächlich dem Irrglauben aufsaß, Mach One sei "so unfassbar verpeilt, da kommt nie wieder Rap raus", darf sich spätestens jetzt eines Besseren belehren lassen.

"Sieben Jahre für ein Album? Ja, schon saukacke." Dafür flowt der Typ jetzt aber mit einer so unverfrorenen Selbstverständlichkeit, so herrlich respektlos gegenüber allem und jedem (außer vielleicht seinem einzigen Featuregast, dem "unmessbar großen T.A.K.T."), mit so viel Wahnsinn, so durchgeknallten Einfällen in derart rauen Mengen, man möchte niederknien.

"Hip Hop ist tot? Echt? Wann wird der Torch denn beerdigt?" So lange Typen wie Mach One der Versenkung entsteigen, um Rap aus der Kacke zu holen, geht das Genre allerdings noch nicht einmal als ansatzweise siech durch.

Mindestens 13 unterschiedlich weggeschossene Persönlichkeiten stecken in Mach One, wetteifern um Gehör und zetteln mit den Worten des Jokers - "Schon mal im blassen Mondlicht mit dem Teufel getanzt?" - einen hübschen kleinen Aufruhr im Irrenhaus an. "Nehmt euch an den Händen und springt wie die Lemminge." Um sich die durchdrehende Crowd vorzustellen, die dieser Order zweifellos brav Folge leisten wird, bedarf es wirklich nicht mehr viel Phantasie.

Die Therapieansätze des "Dr. M" legen den Grundstein für die Geschichte, die sich in "Melanie" fortsetzt. "Wie Brüder" saufen Mach und Moe, der inzwischen als "fester Bestandteil des Projekts Mach One" geführt wird, am Tresen, denn: "Dis Is Der Lifestyle", zumindest in den Straßen von "Junkytown".

Weinerliches Kreisen um den eigenen Bauchnabel liegt Mach One zum Glück so gar nicht. "Alles Stimmt", nimmt er (Vor-)Urteilen seine Person betreffend jedes noch so laue Lüftchen aus den Segeln und sich, die eigenen Unzulänglichkeiten und seine grinsend hinter jeder Ecke lauernde Paranoia dabei gleich gediegen auf die Schippe.

Das kann natürlich nur, wer keine Angst davor hat, sich den eigenen Dämonen zu stellen. "Hier Steh Ich Nun" markiert einen der entwaffnend ehrlichen Momente, in denen sich Mach One mit dem wohl ... ähem ... einschneidendsten Erlebnis seines Lebens befasst. "Diesen Track musste ich schreiben", das merkt man: Der wollte raus.

Statt aus dem Messerangriff auf seine Person, der ihn vor einigen Jahren beinahe das Leben kostete, zweifelhafte Straßen-Kredibilität zu schinden, geht Mach One dann aber doch nicht weiter darauf ein und nimmt statt dessen lieber das affige Gehabe der "Gangster Family" aufs Korn. Eine Ahnung, woher Verfolgungswahn und die eine oder andere fehlende Schraube stammen, lässt "Hier Steh Ich Nun" dennoch zurück.

"Brauch Ich Das"? Die Frage schlendert in Form eines Zweiminüters, der sich im Echo verliert, vorüber. Zuvor hat sich Mach One dem "Selbstzerstörungsmodus" anheim fallen lassen und anschließend mit leiser Ver- wie Bewunderung festgestellt, noch immer nicht das geistige Niveau einer "Topfpflanze" erreicht zu haben.

Zusammen mit Kev Beats schustert Mach sich die passenden Instrumentals gleich selbst auf den Leib: höllisch funktional, schlicht, wirkungsvoll, frei von ausgelutschter Ästhetik und überstrapaziertem Firlefanz, abwechslungsreich und voller Wendungen, trotzdem catchy wie Fliegenleim.

Ein ähnlicher Ideen-Geysir schwappte vor Jahren aus der Schädelbasis Lord Scans über mich hinweg. Bezeichnend, dass der - wie Mach One - eigentlich auch ein Writer ist. Vielleicht haben die malenden Jungs einfach die bunteren Farbkästen, die treffenderen Bilder sowieso.

Der völlig wahnsinnige Auftritt von Taktloss in einem mit Fug und Recht "Legendär" getauften Track setzt dem zweiten "Meisterstück", das seinen Titel (bis auf den "Rock'n'Roll", vielleicht) ebenfalls mit voller Berechtigung trägt, die Sahnehaube auf. "Wenn wir reden, dann schweigst du und lauschst den Ideen der Besten." Rapdeutschland wäre ein besserer Ort, träfe dieser Rat häufiger auf offene Ohren.

"Nicht Von Dieser Welt" macht am Ende einer arschcoolen, durch und durch vergnüglichen Platte noch einmal überdeutlich, dass es sich bei "Meisterstück 2" trotz allem nicht um hohles Halligalli handelt: "Das Glück liegt auf der Straße und spuckt Blut, und die ganze Welt hat sich versammelt und kuckt zu."

"Boah, dieses Album charten zu sehen" - eine schöne Vorstellung. Höchste Zeit, dass die kopfnickende Käuferschar kapiert, dass hier einer längst über seine Rolle als "der ewige Untergrund-Held im goldenen Cape" hinaus gewachsen ist, und ihm zum flatternden Umhang auch die Verkaufszahlen vergoldet, denn: "Mach? Is' King!"

Trackliste

  1. 1. Schweinegrippe
  2. 2. Intro
  3. 3. Alles Stimmt
  4. 4. Lemminge
  5. 5. Junkytown
  6. 6. Hier Steh Ich Nun
  7. 7. Dr. M
  8. 8. Selbstzerstörungsmodus
  9. 9. Topfpflanze
  10. 10. Sperrt Mich Ein
  11. 11. Legendär feat. Taktloss
  12. 12. Brauch Ich Das
  13. 13. Wie Brüder
  14. 14. Auch Schöne Frauen
  15. 15. Melanie
  16. 16. Dis Is Der Lifestyle
  17. 17. Nicht Von Dieser Welt
  18. 18. Topfpflanze Rmx

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30 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    So, habe dem Teil nun genug Durchläufe gegönnt, um ein eigenes Fazit zu ziehen. Gefällt mir sogar deutlich besser als der erste Teil, die Lückenfüller halten sich absolut in Grenzen, jeder Track ist irgendwie anders, ohne aber diese spezielle Mach One-Note zu verlieren. So ziemlich der Einzige zur Zeit, der es schafft, den typischen Berliner Untergrund Stil um die Jahrtausendwende zu bringen, ohne aber besonders ernst zu wirken. 4/5 und tatsächlich Album des Jahres. Punkt

  • Vor 11 Jahren

    Sehr geniales album, da passt einfach alles!

  • Vor 11 Jahren

    Bin auf Mach One erst durch den Splash-Jahresrückblick aufmerksam geworden. Schweinegrippe ist ja mal sowas von genial :D, Track des Jahres (ich geb zu, in meinem begrenzten HipHop-Horizont ;)). Album ist bestellt! Wenn das Niveau von Schweinegrippe und Dr.M auch nur annähernd gehalten werden kann, hab ich nichts falsch gemacht.