laut.de-Kritik

Sofia Coppola hätte ihre helle Freude.

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Der "One last shot at mass communication" ist längst verhallt. So hatte sich Nicky Wire im Vorfeld des letzten Albums "Postcards From A Young Man" geäußert. Die erhofften Radiohits blieben aus, die Manic Street Preachers auf dem gleichen kommerziellen Niveau wie vorher.

Nicht, dass sie am Hungertuch nagen würden. Ihre Platten erscheinen schließlich immer noch im Majorlabel-Vertrieb, ihre Touren in England sind gut besucht, die paar Deutschland-Gigs letztes Jahr waren proppenvoll.

Auch "Rewind The Film" wird die sympathischen Waliser nicht in die höchsten Sphären der Charts katapultieren - es sei denn, ein Wunder geschieht: Das neue Album kommt dazu schlichtweg zu ruhig, zu wenig marktschreierisch und nicht hip genug rüber.

Gott sei Dank! Die Ankündigungen im Vorfeld stimmen: Es finden sich fast ausschließlich sanfte, melancholische Lieder auf der Scheibe. Die schnelleren Rocker haben die Manics auf ein weiteres Album ausgelagert, das irgendwann 2014 erscheinen soll.

Ruhig hin oder her: Was die Band aus Blackwood auf dieser Platte abliefert, könnte nicht perfekter zur beginnenden Jahrezeit passen. Während sich die Blätter draußen allmählich braun verfärben und regnerisches Wetter über Deutschland hinweg zieht, sinniert James Dean Bradfield über sein Verhältnis zum Kampf für soziale Gerechtigkeit - und zum Leben.

Die Zeit der großen Revolution ist passé, ab jetzt geht es nur noch darum, die Welt im Kleinen zu verändern. Und um die Suche nach dem persönlichen Glück.

"I don't want my children to grow up like me" - mit diesen Worten beginnt Langspieler Nummer elf. Slogans konnten sie schon immer gut. "This Sullen Welsh Heart", aus dem diese Worte stammen, eröffnet einen Reigen von 12 Liedern, die vor Kreativität fast überfließen. Obwohl grundverschieden im Charakter, ergeben diese Songs zusammen eine überaus stimmige Mischung.

Das Album wirkt zunächst reduzierter als der Vorgänger, doch der Schein trügt. Bei genauerer Betrachtung finden sich viele Finessen und charmante akustische Spielereien. Sean Moore bläst Waldhorn und Kornett, eine Fülle von Instrumenten kommt in zum Einsatz, "30-Year War" lässt gar mit elektronischen Beats aufhorchen.

Die elektrische Gitarre bleibt mit einer Ausnahme im Schrank. "Postcards From A Young Man" war beileibe kein schlechtes Album, aber seine süße Zuckrigkeit lag zum Teil schwer im Magen. "Rewind The Film" hat glücklicherweise deutlich weniger und vor allem wohldosiertere Streicherpassagen im Angebot.

"(I Miss The) Tokyo Skyline" betört mit wunderschönem Erhu-Spiel - zwar eigentlich ein chinesisches Instrument, aber wir wollen mal nicht so kleinlich sein. Nicht nur der Text spielt auf Sofia Coppolas Meisterwerk "Lost In Translation" an, der ganze Song hätte wunderbar zur Atmosphäre dieses Films gepasst.

Gleich drei Gastsänger luden sie ins Studio, was eine echte Neuheit im Manics-Kosmos darstellen dürfte. Richard Hawley bekommt im Titelsong viel Raum und drückt der Nummer mit markanter Stimme seinen Stempel auf.

"4 Lonely Roads" steht sogar ganz im Zeichen Cate Le Bons - Bradfield ist auf dem Stück nur im Hintergrund zu vernehmen. So viel Raum bekommen andere Stimmen sonst nie. Im Gegensatz dazu kommt "Manorbier" im letzten Drittel der Platte komplett ohne gesungene Worte aus.

Man merkt: Die Manic Street Preachers wollten einiges anders machen - und hätten es nicht besser hinbekommen können. Mit "Rewind The Film" fügen sie ihrem an Höhepunkten nicht gerade armen Katalog ein weiteres Prachtexemplar hinzu.

Trackliste

  1. 1. This Sullen Welsh Heart
  2. 2. Show Me The Wonder
  3. 3. Rewind The Film
  4. 4. Builder Of Routines
  5. 5. 4 Lonely Roads
  6. 6. (I Miss The) Tokyo Skyline
  7. 7. Anthem For A Lost Cause
  8. 8. As Holy As The Soil (That Buries Your Skin)
  9. 9. 3 Ways To See Despair
  10. 10. Running Out Of Fantasy
  11. 11. Manorbier
  12. 12. 30-Year War

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