laut.de-Kritik

Von der Traurigkeit im Raum zwischen Kommen und Gehen.

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"Es war die Zeit dazwischen, bevor der Tag endet und die Nacht beginnt. Diese Zeit hat mich schon immer berührt, wegen der Traurigkeit, die im Raum zwischen Kommen und Gehen schwebt", schreibt die Autorin Sue Monk Kidd in ihren Roman "Die Bienenhüterin". Ein Zitat, das Mary Gauthier zum Titel ihres fünften Albums und zu dessen Inhalt inspiriert hat.

Auch wenn sie sich weitaus mehr mit der Finsternis als mit dem letzten Flackern des Tageslichts beschäftigt. "Die Kinder weinen, sie haben nichts zu essen bekommen. Aber sie können nirgendwo hin, in der Dunkelheit der Nacht. Sogar die Schatten fürchten sich vor jeder Bewegung. Sie versammeln sich um mich im Kerzenlicht", heißt es in der ersten Strophe des Openers "Snakebit", in dem es um einen Mord geht. "Oh Gott, was habe ich getan? Alles, was sich festzuhalten lohnt, rinnt durch meine Finger, während meine Hände eine Waffe halten", singt Gauthier mit tiefer, todtrauriger, aber sachlicher Stimme. Eine Verzweiflung, die dem gesamten Album zugrunde liegt.

Obdachlose sind heutzutage nur noch Alkoholiker und nicht mehr die Idealisten von einst ("Last Of The Hobo Kings"). Liebe und Geborgenheit erzeugen nur vorübergehende Glücksgefühle und stürzen einen nur noch tiefer ins Loch der Depression ("Before You Leave", "Please", "Same Road"). Lediglich im letzten Stück kommt so etwas wie Vorfreude auf. Unter den Wartenden, die ihre Angehörigen an Thanksgiving im Knast besuchen.

Die Frage, ob es sich lohnt, sich mit all dieser Trostlosigkeit auseinander zu setzen, ist berechtigt. Die Antwort lautet: Ja. Nicht nur wegen den Formulierungen der Texte, sondern auch wegen der Begleitung, die sie stützt, unterstreicht, aber auch erleichtert. Madonnas Schwager Joe Henry ist es gelungen, einen passenden musikalischen Rahmen für Gauthiers Gespenster zu schaffen. Dabei bedient er sich weitgehend der gleichen Musiker, die 2007 auf seinem Album "Civilians" spielten, unter ihnen Van Dyke Parks. Die Instrumentierung, bestehend aus akustischen Gitarren, Perkussionen, Klavier und gelegentlichen Streichern, liegt irgendwo zwischen balladeskem Folk und ruhigem Country und schafft eine entspannte Stimmung, die den Liedern einen Teil ihrer Finsternis nimmt, ohne sie zu verharmlosen.

"Ich möchte lächeln, aber ich kann nicht. Ich suche nach einem Ort, an dem ich sanft landen kann", singt Gauthier in "Soft Place To Land". Nach einer zerrütteten Jugend schrieb sie mit 35 ihr erstes Lied. Nun, zehn Jahre später, veröffentlicht sie ihr fünftes Album und hat sich in den USA einen Namen gemacht. Doch es reicht nicht, Drogen, Alkohol und Gewalt erfahren zu haben, um überzeugende Musik zu machen. Der Frau aus Louisiana ist es gelungen, gefühlvoll, nachdenklich und ohne Pathos. "Between Daylight And Dark" ist ein Album, das man nicht allzu oft anhören kann, aber das lange im Gedächtnis hängen bleibt.

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