laut.de-Kritik

Wie in einer Schneekugel wirbelt diese Stimme immer neue Flocken auf.

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Wochenlang brutzelte Deutschland unter der glühenden Sonne wie ein Grillwürstchen auf dem heißen Grill. Doch wie um Nadine Shahs Debüt gebührend zu begrüßen, setzte der Regen ein. Der Himmel verdüsterte sich und mit den ersten Worten dieses Textes grollt sogar ein erster Donner. Zu "Love Your Dum And Mad" spielen die Götter Bowling.

Um das gute Wetter zu feiern taugt Shahs Erstling, produziert von Ben Hillier (Depeche Mode, Blur, The Horrors) nur wenig. Die Stimme der Nordengländerin, rau und nüchtern, lässt keinen Spielraum für Fisimatenten. Die klaustrophobischen Songs umgibt eine dunkle Bitternis. Mit Nachdruck erbittet Shah Einlass in den Club der großen Melancholiker. Cave, Gibbons, Harvey und Faithfull beraten sich noch über das Bewerbungsschreiben.

Wie einst Massive Attacks "Angel" wabert "Aching Bones" um einen beklemmenden Basslauf. Ein kratzendes Geisterpiano und das mechanische Ticken der Gitarre, scheppernd wie Hui Buhs rostige Rasselkette, entwickeln ein schauriges Szenario. Shah zetert und klagt über die vergebliche Suche nach Glück. Von hier an wird "Love Your Dum And Mad" nicht fröhlicher.

"Run away to your whore": Der Groll einer getäuschten und verlassenen Ehefrau durchzieht "Runaway", das die Fähigkeiten der Engländerin als Geschichtenerzählerin und Songwriterin verdeutlicht. Die Entwicklung der Charaktere und der Musik dieser gleichzeitig einprägsamen wie auch zermahlenden Weise gehen Hand in Hand. Deutlich lässt Shah Trauer und Verachtung spüren.

Ab "All I Want" schaltet "Love Your Dum And Mad" nochmals eine Stufe zurück. Im Walzerschritt wankt Shah durch "Dreary Town", eine Erinnerung an ihren Ex-Freund, geschrieben zwei Tage nach dessen Selbstmord. Die angedeutete Disharmonie des Arrangements verstärkt die deutliche Zerrissenheit in Shas Gesang. Was eben noch mit dem fröhlichen Leben in London beginnt, endet gallenbitter. "Dreary Town" führt zu einem finstereren Ort, gleichzeitig erfüllt von funkelnder Schönheit. Eine Flut der Emotionen aus Angst und Verzweiflung. Letztlich entscheidet sie sich für das Leben. "I'm not going to follow you to the ground, Darling / I'm leaving this dreary town."

Wie in einer Schneekugel wirbelt sie in "Winter Reigns" mit jedem Vibrato ihrer Stimme neuen Schnee auf, tanzt in ihr als schwarzer Schwan in Leidenschaft und Sinnlichkeit. Liebevoll, zart und doch zeitgleich befremdlich. Die Götter packen ihre Bowlingkugeln ein. Der Sommer schlägt zurück, hart und unerbittlich. Es war nur ein Zwischentief, ein Tag der Entspannung und der Besinnung.

Aber der nächste Herbst kommt bestimmt. Bis dahin sollte man sich Nadine Shahs Longplayer unbedingt vormerken. Die Engländerin kann warten. Denn am Ende hat Shah die Möglichkeit, mit ihrem Debüt einen langlebigeren Eindruck zu hinterlassen, als so manch fröhlich feierndes Sommerliedlein.

Trackliste

  1. 1. Aching Bones
  2. 2. To Be A Young Man
  3. 3. Runaway
  4. 4. The Devil
  5. 5. Floating
  6. 6. All I Want
  7. 7. Used It All
  8. 8. Dreary Town
  9. 9. Remember
  10. 10. Filthy Game
  11. 11. Winter Reigns

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