laut.de-Kritik

Wie Michael Jackson zu besten "Thriller"-Zeiten.

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Die Gewissheit, bereits in derart zartem Alter zu den gefragtesten Songwritern der Stunde zu zählen - wie schwer wiegt diese, verglichen mit dem unmittelbareren Ruhm, den das Rampenlicht verheißt? Wer möchte sich schon immer nur im Hintergrund halten? Ne-Yo jedenfalls nicht, was sein Debüt-Album aus dem vergangenen Jahr recht deutlich machte.

Mit "Because Of You" holt er zum zweiten Schlag aus. Bedauerlich eigentlich, dass er, der anderen die Hits auf den Leib schreibt, selbst auch diesmal wieder keinen rechten Treffer landet. Vermisste ich auf "In My Own Words" Seele und Individualität, stelle ich nach den frischen 50 Minuten des Sinnierens über nicht besonders originelle Zwischenmenschlichkeiten fest: Dieser Mangel lässt sich nicht dadurch kompensieren, dass hier jemand täuschend echt den Gesangsstil Michael Jacksons zu besten "Thriller"-Zeiten inklusive dessen markanten Keuchens kopiert.

Ne-Yo liefert über weite Strecken des Albums eine verblüffend gelungene Imitation des Mannes, der damals zugegebenermaßen noch der unbestrittene King of Pop war. Jahrzehnte später lässt sich so allerdings kein Innovationspreis mehr abgreifen. Nein, auch dann nicht, wenn zusätzlich eine Prise Prince untergeschoben wird.

Die Instrumentals, mit einer Ausnahme sämtlich von Ne-Yo mitproduziert, kranken vielerorts an wuchernder Unausgewogenheit. Die hübsch luftige Konstruktion und die schlichte Melodie würden dem Titeltrack durchaus Charme verleihen, stampfte sie nicht ein penetrant durchgehaltener Beat rücksichtslos in Grund und Boden. Ähnliches geschieht in "Can We Chill": Auch hier wummert der Bass den filigranen Hintergrund platt.

Bei etlichen Tracks vermisse ich im schwammigen, aus vielen sich überlagernden Elementen zusammengesetzten Sound eine klare Richtung oder wie auch immer geartete Entwicklungen. "Ain't Thinking About You" beispielsweise kommt nicht nur nicht in die Gänge, es dreht sich statt dessen minutenlang im Kreis. Das mag zu dem hier präsentierten Gedankengang passen - Hörvergnügen spendet solcherlei Konfusion kaum.

Was Jay-Zs Rap-Part und der wuchtige Einstieg zu Beginn der Nummer mit dem restlichen "Crazy" zu tun haben: Ich verstehs nicht. Nach zwei Minuten hat Ne-Yos lieblicher Gesang die Erinnerung an den doch recht brachialen Einstieg vollkommen ausgelöscht. Schade eigentlich, der hatte mir nicht übel gefallen.

"Sex With My Ex": Selten eine gute Idee. Wie im richtigen Leben sollte man auch hier davon besser Abstand nehmen. Piano und gar nicht uncoole Gitarren versacken in um so uncooleren Handclaps aus der Retorte, die bedauerlicherweise nie aus der Mode kommen und genau wie Ooooh-uuuh-aaah-Backgroundchöre immer Saison zu haben scheinen. Letztere nisten sich im Refrain zu "Say It" ein: Mit Verlaub die wohl verunglückteste Schlafzimmernummer, die ich je hören musste. Mal ehrlich, auf die meisten Menschen wirkt die Gegenwart eines halben Gesangsvereins nicht gerade stimulierend. Oder?

Durchschnittliche R'n'B-Liedchen wie "Make It Work", "Go On Girl" oder das pianoballadeske "Do You" glätten die tiefe Scharte, die "Say It" in mein Wohlwollen gerissen hat, nicht wirklich. Lediglich "Addicted" mit wesentlich energischerer Herangehensweise, zur Abwechslung einmal interessantem Rhythmus und ungewöhnlichem Groove versöhnt mich ein wenig.

Und natürlich die großartige Jennifer Hudson. Sie beweist mit einem dynamisch gefühlvollen Auftritt in "Leaving Tonight", dass es unter den zahllosen austauschbaren Plastik-Hühnern aus der Legebatterie Black Music tatsächlich noch Sängerinnen gibt, die diese Bezeichnung verdienen.

Trackliste

  1. 1. Because Of You
  2. 2. Crazy
  3. 3. Can We Chill
  4. 4. Do You
  5. 5. Addicted
  6. 6. Leaving Tonight
  7. 7. Ain't Thinking About You
  8. 8. Sex With My Ex
  9. 9. Angel
  10. 10. Make It Work
  11. 11. Say It
  12. 12. Go On Girl

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