laut.de-Kritik
Verfrühter Nachruf von Oscar-Preisträger Jonathan Demme.
Review von Giuliano BenassiBei Mitschnitten seiner Liveauftritte legt Neil Young die für ihn typische Eigenwilligkeit an den Tag. Vertraut er meist seinen eigenen Regie-Fähigkeiten (etwa bei "Live Rust", 1978 oder "Weld", 1990), übergibt er den Job gelegentlich an Profis.
Der prominenteste unter ihnen war bislang Indielegende Jim Jarmusch ("Down By Law" oder "Night On Earth"), der 1996 das biographische "Year Of The Horse" (1996) drehte. Beim vorliegenden Werk (2006) setzte der Kanadier dagegen etwas überraschend auf Hollywoodgröße Jonathan Demme, der mit "Das Schweigen Der Lämmer" und "Philadelphia" Oscars und Kassenschlager vorweisen kann.
Auf "Heart Of Gold" ist natürlich weder Schockierendes zu finden, noch traurig endende Freundschaften zu erwarten. Es handelt sich um die Aufzeichnung zweier Auftritte, die Young im August 2005 in der ehrwürdigen Grand Old Opry in Nashville absolvierte. Der Anlass war die Vorstellung seines neues Albums "Prairie Wind" mit einer Gruppe gestandener Musiker und der Gospelgruppe The Jubilee Singers. Mit dabei waren auch Ehefrau Pegi und die wie immer hörens- und sehenswerte Emmylou Harris.
Zwei Ereignisse überschatteten die Aufnahmen der neuen Stücke: Ein Aneurysma in Youngs Hirn, das vor dem Konzert erfolgreich heraus operiert wurde, und der Tod seines Vaters. Reflexionen und Erinnerungen an die guten alten Zeiten bildeten die Grundlage eines weniger gelungenen Albums, das mehr als nur eine Spur zu schnulzig geriet.
Als nach zehn Minuten Vorgeplänkel endlich die Konzertaufzeichnung beginnt, steht Young ganz cool mit Stetson und hellgrauem Anzug auf der Bühne. Der Opener "The Painter" kündigt an, dass das neue Material live wesentlicher besser rüberkommt als im Studio, nicht zuletzt dank der erwartbaren tadellosen Kameraführung, die stets ruhig bleibt, lange auf dem Objekt verweilt und auf jeglichen Spezialeffekt verzichtet. Im Mittelpunkt steht nicht unbedingt die Musik, sondern eher der Mensch Neil Young.
Gerade darin liegen die Stärke und zugleich die Schwäche des Streifens. Wäre Young gestorben, hätte "Heart Of Gold" den perfekten Nachruf für einen einfühlsamen und tiefgängigen Künstler mit Gitarre abgegeben. Spätestens bei "This Old Guitar" könnte man kaum die Tränen unterdrücken, zumal Young passend dazu die Gitarre spielt, die Hank Williams bei seinem letzten Konzert an der gleichen Stätte um den Hals hängen hatte, und Harris zauberhaft mitsingt.
Nach dem unerträglichen "When God Made Me" am Flügel beginnt der Best Of-Teil, der es so oder so in sich hat. "I Am A Child" bestreitet Young alleine, "Heart Of Gold" hinterlässt vor allem wegen der Pedal Steel von Ben Keith einen guten Eindruck. "Old Man" erzählt die Geschichte, wie der Kanadier zu seiner kalifornischen Ranch kam, "Needle And The Damage Done" ist nach wie vor ein zeitloser Klassiker.
Nach den arg countryesken "Comes A Time" und Ian & Sylvias "Four Strong Winds" mit zehn Gitarren in einer Reihe kommt mit dem abschließenden "The Old Laughing Lady" der Höhepunkt des Konzerts: Young sitzt alleine auf der Bühne des leeren Saals und packt, während die Schlusstitel laufen, sein Instrument weg. Der Job ist getan, ich gehe nach Hause (oder ins Grab), lautet die Botschaft.
Neben der entspannten Stimmung, Youngs außergewöhnlicher Erzähllaune und einigen schönen Momenten führt "Heart Of Gold" vor allem zu einer Erkenntnis: Zum Glück fand Neil wenige Monate später zu seinem elektrischen und wütenden Alter Ego in Form von "Living With War" zurück.
Besser als auf dieser DVD ist sein akustisches Ich dennoch nie zu sehen gewesen. Vielleicht die erste Hälfte von "Live Rust" ausgenommen - das war aber fast 30 Jahre zuvor. Einen guten Kaufgrund bietet auch die beigefügte Bonus-DVD. Die Dokumentationen zum Film schaut man sich zwar nur einmal an, Youngs Auftritt bei der Johnny Cash Show 1971 mit einer gelebten Version des damals brandneuen "Needle And The Damage Done" ist aber trotz seiner Kürze das Geld absolut wert.
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