laut.de-Kritik

Jedes Element hat seinen Platz: World-Pop auf höchstem Niveau.

Review von

"Chimurenga Soul" ist die grandiose Debütvorstellung der jungen, britisch-simbabwischen Sängerin Netsayi Chigwendere, die bei mir ähnliche Begeisterungswallungen entfacht, wie vor kurzem Dee Dee Bridgewaters "Red Earth". Ausgestattet mit einem feinen Gespür für Fusion, zelebrieren Netsayi und die zwei Seelen in ihrer Brust ein rauschendes World-Pop-Fest.

Zum ausgeklügelten Gesamtkonzept gesellen sich abwechslungsreiche Kompositionen, prächtige Chorsätze, eine betörende Stimme voll echter Emotionen, hervorragende Arrangements und eine herausragende Produktion. Jedes musikalische Element hat hier seinen Platz, an dem es sich bestens aufgehoben fühlt und jedes studiotechnische Schiebereglerchen genießt seine Position im Bewusstsein, an etwas Großem mitzuwirken.

Netsayi eröffnet mit dem namengebenden "Chimurenga Soul", einer gelungenen Synthese aus Soul, Pop und Jazz auf der Grundlage der musikalischen Traditionen ihrer Heimat. World-Pop auf höchstem Niveau, wie man ihn sonst nur von einer Marie Daulne aka Zap Mama serviert bekommt. Und tatsächlich erinnert der Singstil, die Melodieführung und die Stimmlage mancherorts an die Grande Dame der Worldmusicszene.

Mit würdevollem Spoken Word-Habitus stolziert "Missionary's Prayer" durchs Gelände. Neben den Chorsätzen überzeugt Netsayis feines Händchen für filigrane und abenteuerlustige Instrumentierungen, bei denen Susi Hyldgaard und Sidsel Endresen um die Ecke zu winken scheinen. Bis auf die Melodieführung, die während des gesamten Albums den musikalischen Bogen zu Netsayis Heimat spannt, verzichtet "Funny" auf weltmusikalische Aspekte. Statt dessen demonstriert die Sängerin, dass sie ebenso emotionalen Jazz-Soul-Pop zu produzieren im Stande ist, wie eines ihrer erklärten Vorbilder: Sade.

Deutlicher zum Vorschein kommt ihre Herkunft in "Tatters". Der von einem Protestgedicht inspirierte Song lehnt sich sanft am Kwaito an, ohne ihn zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Als Traditionals geben sich "Kwazwai", "Kuzanga" "Zarura" und "Bukatiende" zu erkennen, die die Musikkultur Simbabwes für unsere Ohren zugänglich machen. Mit grandiosen Chorsätzen und tollen Arrangements, die sich mit klatschenden Händen, einer Mbira (Fingerklavier) oder reduzierten Trommel-Grooves begnügen, berauschen sie die Seele, die sich in ihrem Innersten erkannt fühlt.

Betörend: "Beyond The Moon". Der mit dem schönsten Cello seit Little Venus' "Marie" ausgestattete, experimentierfreudige World-Pop-Song berührt mit unglaublicher Intensität. "Hondo" wärmt mit einem perfekten Amalgam aus Blues, Rock und Folk das westliche Herz. Netsayi singt "Honda", wie einige andere Titel auch, auf Shona, einer in Simbabwe verbreiteten Sprache.

"The Refugee Song" offenbart sich als hervorragender Soul-Pop mit starkem Refrain, leidenschaftlichem Akustikgitarrensolo und einem tollen Aufbau. Als Closing-Track eine der stärksten Nummern des Albums zu platzieren ist ja schon fast frech. Das kann man sich nur erlauben, wenn man sich seiner Sache, ein rundum gelungenes Werk ohne Längen abzuliefern, sicher ist. Und so ist es auch. Netsayis Debüt ist uneingeschränkt empfehlenswert und es wundert nicht, dass die britische Tageszeitung The Guardian "Chimurenga Soul" 2006, dem englischen Erscheinungsjahr, als "eines der besten Debütalben des Jahres" feierte.

Trackliste

  1. 1. Chimurenga Soul
  2. 2. Funny
  3. 3. Tatters
  4. 4. Like
  5. 5. Kwazwai
  6. 6. Lion
  7. 7. Hondo
  8. 8. Kuzanga
  9. 9. Nguwo Yangu
  10. 10. Beyond The Moon
  11. 11. Zarura
  12. 12. Missionary's Prayer
  13. 13. Bukatiende
  14. 14. The Refugee Song

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