laut.de-Kritik

Unterm Kopfhörer jagt eine Gänsehaut die nächste ...

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Und hier hätten wir also neben "Mechanical Spin Phenomena" von Mnemic, den zweiten Anwärter auf das Metal-Album des Jahres. Dieses Mal aus dem Hause Century Media, bei denen Nevermore aus Seattle ja schon seit ihrer Gründung unter Vertrag stehen. Hauen Mnemic den Groove-Hammer so lange auf den Sack, bis die Eier leuchten, so schrauben Jeff Loomis' Gitarrenriffs wieder jede Birne aus ihrer Fassung, und Sänger Warrel Dane durchlebt sämtliche emotionalen Sphären des menschlichen Geistes.

Über Warrels begnadeten Gesang großartig Worte zu verlieren, ist in etwa so notwendig wie ein Afro-Kamm für Kollege Dobler. Der Mann schafft es einfach immer wieder, seine intensiven, intelligenten Texte mit seiner Stimme derart zu vertonen, dass man schon beinahe nicht mehr auf den Inhalt achten muss und allein durch die Emotionalität der Artikulierung den Sinn seiner Lyrics zu erahnen vermag.

Doch all das wäre nichts ohne die geniale musikalische Untermalung von Jeff Loomis, der wohl als einer der unterbewertetsten Gitarristen dieses Planeten in die Geschichte eingehen wird. Ich kenne kaum einen zweiten Sechssaiter, der es wie dieser Mann schafft, brettharte Riffs mit komplexen Anschlagformen und herzzerreißenden Melodien zu verbinden, und dazu noch dermaßen furiose Soli zu zocken, dass einem die Kauleiste ständig auf Halbmast hängt.

Der eröffnende Titeltrack war mir schon vom letztjährigen Bang Your Head-Festival bekannt und bestätigt den formidablen Eindruck, den ich damals hatte, gekonnt. Schon allein in diese fünf Minuten spielt die Band ihr ganzes Können perfekt aus und zeigt den Millionärssäcken von Metallica mal deutlich, wie aggressive Riffs und eine wütende Stimme zu klingen haben. "Ambivalent" setzt noch einen drauf und macht nur im Chorus kurz Pause. "Never Purify" geht dann etwas sperriger und progressiver zu Werke, ehe mit "Tomorrow Turned Into Yesterday" eine niederschmetternde Ballade folgt, die beinahe an "Dreaming Neon Black" heran reicht. Ebenfalls von der ruhigeren Sorte ist "Who Decides", auch wenn Nevermore es zum Eingang und zum Ende hin mal kurz krachen lassen.

Orientalisch und etwas nervenstrapazierend wird's mit "Noumenon", doch unter'm Kopfhörer jagt eine Gänsehaut die nächste. Der Rausschmeißer "Seed Awakening" macht dann rifftechnisch noch mal alles nieder, was nicht bei drei auf dem Boden liegt, und den Griff zur Repeat Taste zur reinen Gewohnheit. Ganz große Leistung!

Trackliste

  1. 1. Enemies Of Reality
  2. 2. Ambivalent
  3. 3. Never Purify
  4. 4. Tomorrow Turned Into Yesterday
  5. 5. I, Voyager
  6. 6. Create The Infinite
  7. 7. Who Decides
  8. 8. Noumenon
  9. 9. Seed Awakening

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11 Kommentare

  • Vor 20 Jahren

    Wahnsinn! Brillant! Riesengroß!!

    Das Laut-Review hat meine vollste Zustimmung.
    Wer glaubt, dass nach es nach "Dead Heart In A Dead World" keine Steigerung mehr geben kann, wird mit EoR eines besseren belehrt.
    Von der Komplexität des Songwritings geht es wieder zurück zu den Alben "Dreaming Neon Black" und "The Politics Of Ecstasy". Während mir bei denen aber die endlosen Frickelorgien, die zum großen Teil einfach nicht auf den Punkt kommen wollten, etwas gegen den Strich gingen, blieb es hier bei der Eingängigkeit der "Dead Heart". Kaum ein Song, der länger als 5 Minuten geht, aber das ist IMHO auch gut so.

    Hört euch nur mal den Titeltrack = Opener an und ihr werdet süchtig sein nach diesem Album.
    Kaufen!

  • Vor 20 Jahren

    ist es wirklich so gut? Würde mir das Album als AiC-Fan gefallen? Bin wegem dem laut.de-test neugierig geworden...

  • Vor 20 Jahren

    hab sie mir in wacken gekauft, aber noch net komplett durchgehört. urteil folgt.