Die Punkband soll am Samstag beim Tollwood spielen. Ein pro-palästinensischer Song sorgt für Empörung.

München (ebi) - Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München will verhindern, dass die spanische Punkband Ska-P am kommenden Samstag beim Münchener Tollwood Festival im Olympiapark auftritt. In einem offenen Brief fordern der Verband Jüdischer Studenten in Bayern (VJSB), der Verband Deutscher Sinti und Roma in Bayern sowie das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft München (JuFo) die Veranstalter:innen auf, den Gig abzusagen. Konkreter Anlass ist ein über 20 Jahre alter Song namens "Intifada".

Antisemitische Stereotypen

Die Vorwürfe, "Intifada" bediene antisemitische Stereotypen, sind dementsprechend nicht neu, linke Gruppierungen kritisieren die Lyrics schon lange. So heißt es in dem Song u.a.: "Sechs Millionen Juden, die auf grausamste Weise vernichtet wurden. Ein imperialistischer Völkermord durch faschistische Armeen, aus der Geschichte müssen wir lernen. Die Opfer sind zu Henkern geworden, alles hat sich verkehrt."

Der Streit um den Song zeigt insofern ganz gut die Frontlinien auf, an der die aktivistische Diskussion um den sogenannten Nahostkonflikt oft verläuft: Während die einen, so z.B. BDS-Unterstützer Roger Waters, ausschließlich ihre Solidarität mit den Palästinenser:innen betonen und Israels Besatzungspolitik als rassistisch und imperial brandmarken, sehen andere wie die Münchener Aktivisten eine "Täter-Opfer-Umkehr": "Intifada" sei ein "Paradebeispiel für linken israelbezogenen Antisemitismus. Opfer der Schoa und ihre Nachkommen in Israel werden für die 'Kolonisierung' palästinensischer Gebiete verantwortlich gemacht, für dortige militärische Auseinandersetzungen und das Leiden Palästinas."

So entschuldigte sich etwa der Hamburger Fußballclub FC St. Pauli schon vor einigen Jahren dafür, den Song im Stadion gespielt zu haben: Das Lied enthalte "antisemitische Textzeilen" und hätte deshalb nie abgespielt werden dürfen, da es gegen die Werte des Vereins und des friedlichen gesellschaftlichen Zusammenlebens verstoße, hieß es damals. Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München geht nun davon aus, dass der Song am Samstag wieder in der Ska-P-Setlist auftauchen wird.

Die Haltung der Tollwood-Veranstalter:innen

Die Tollwood-Veranstalter:innen beschreiten nun eine Art Mittelweg. Gegenüber der Münchner Abendzeitung betonen sie: "Das Festival ist darauf ausgerichtet, Spiegelbild einer multikulturellen Gesellschaft zu sein" und stehe für "Meinungs- und Kunstfreiheit im demokratischen Rahmen". Aber: "Im Falle des Konzerts von Ska-P distanziert sich Tollwood vom Inhalt des Songs 'Intifada', den die Band als Kritik an den israelischen Militärs versteht." Man habe die Band gebeten, den Song nicht zu spielen, auch wenn dieser "nicht auf dem Index" stehe. Außerdem könne man die Band aus vertraglichen Gründen nicht ausladen, man habe keine rechtliche Handhabe, könne aber die Kritik des Bündnisses nachvollziehen, heißt es weiter. Insgesamt stufe man Ska-P aber nicht als antisemitisch ein, sondern als "linksorientiert" und mit "sozialkritischen Texten".

Gleichwohl habe das Kreisverwaltungsreferat das Tollwood schon vor Monaten auf den Song aufmerksam gemacht und eben aufgefordert, zu verhindern, dass die Band "Intifada" aufführe. Die für Veranstaltungen zuständige Behörde betonte die "überzogenen und absurden Vergleiche zwischen der NS-Zeit und der Besetzung palästinensischer Gebiete" in dem Song, auch wenn er unter die Kunst- und Meinungsfreiheit falle.

Was sagt die Band

Ska-P selbst, die sich auf Abschiedstour befinden, verwehren sich in einem Insta-Post auf Spanisch dagegen, als antisemitisch bezeichnet zu werden. So respektiere man etwa alle religiösen Menschen. Gleichzeitig betont die Band aber ihre antizionistische Haltung. Dies sei nicht dasselbe wie Antisemitismus.

Weiterlesen

laut.de-Porträt Ska-P

Anfang des neuen Millenniums breitet sich in Deutschland langsam aber sicher ein Virus aus. Aus Spanien dringt dieser in hiesige Gefilde vor. Der Name: …

6 Kommentare mit 25 Antworten

  • Vor 9 Monaten

    Der Text des Songs ist, wenn mensch der Übersetzung dieses Bündnisses glauben darf, schon etwas heikel. Allerdings ist deren offener Brief alles andere als sachlich und neutral, finde es schon problematisch, wenn die das Leiden Palästinas in Gänsefüßchen setzen, und die alleinige Schuld für die Besetzung Palästinas bei den Palästinensern zu suchen überschreitet dann spätestens eine Grenze. Könnte den Brief auch Stück für Stück auseinandernehmen, da sind jede Menge mindestens fragwürdige Argumentationen.

  • Vor 9 Monaten

    Es ist offenbar mehr als politisch korrekt das Leid der Palästinenser zu relativieren, ach was, ihnen auch noch selbst die Schuld für die israelische Aggression zu geben. Dieser "linke" Bund soll doch selbst mal bewerten, wie er die israelische Innen- wie Außenpolitik bewerten würde, wenn sie vom deutschen Staat ausgehen würde.

    • Vor 9 Monaten

      Israel ist aber nicht Deutschland, sondern ein Staat, der seit seiner Gründung in seiner Existenz bedroht ist. Seine Nachbarn wollen diesen Staat von der Landkarte getilgt, und dessen (jüdische) Bewohner im schlimmsten Fall physisch vernichtet sehen.
      Sicher muss man die israelische Politik nicht in allen Punken mögen, besonders nicht die, der aktuellen Regierung, aber das trifft auf die Politik der arabischen Nachbarn und der Hamas genauso zu. Letztere sind für das Leid der Palästinenser mindestens ebenso verantwortlich, wie die radikalen jüdischen Siedler, da sie diese Menschen seit über 70 Jahren quasi in Geiselhaft halten, um ihren fanatischen Kampf gegen den Staat Israel am Laufen zu halten.
      Vielleicht sollte eine spanische Band auch einfach die Fresse halten, anstatt sich in diesem Konflikt auf einfachste und platteste Art zu positionieren.
      So weit ich weiss war dieses Lied auch nicht der einzige Ausfall dieser Combo in die Richtung. Ich meine mich erinnern zu können, dass auf einem Plattencover dereinst eine Karikatur enthalten war, die an übelste antisemitische Klischees anknüpfte.

    • Vor 9 Monaten

      Vielleicht sollte ein Linkes Bündnis auch einfach die Fresse halten, anstatt sich in diesem Konflikt auf einfachste und platteste Art zu positionieren.

    • Vor 9 Monaten

      Jüdische Studenen und das Deutsch-Israelische Forum dürfen sich aber positionieren, oder?

    • Vor 9 Monaten

      "einzigeSo weit ich weiss war dieses Lied auch nicht der einzige Ausfall dieser Combo in die Richtung. Ich meine mich erinnern zu können, dass auf einem Plattencover dereinst eine Karikatur enthalten war, die an übelste antisemitische Klischees anknüpfte."

      Wenn es "¡¡Que corra la voz!!" sein sollte musst du mir aber mal ganz genau erklären, was daran antisemitisch sein sollte.

      "Jüdische Studenen und das Deutsch-Israelische Forum dürfen sich aber positionieren, oder?"

      Meiner Ansicht nach hat das Recht auf Partizipation am gesellschaftlichen Diskurs nichts mit Herkunft, Religion, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Sexualität, Aussehen, Bildung, Vermögen, Nationalität oder ähnlichen Eigenschaften zu tun.

    • Vor 9 Monaten

      @Capsi:
      Wie du sagst!
      Außerdem finde ich, sollten wir der israelischen Bevölkerung wesentlich mehr zutrauen. Gehen sie doch zu zigtausenden auf die Straße, um gegen die radikale Regierungspolitik zu demonstrieren.
      Mal sehen, wie viele hier den Hintern auf die Straße kriegen, wenn der A(bfu**)fD noch mehr Fans generiert.

    • Vor 9 Monaten

      Was an diesem Typen mit Reichadleranstecker sagt dir, dass es ein Jude sein soll? Wer dort einen Juden sehen will, sollte mal überdenken, ob mensch nicht vielleicht selbst antisemitische Vorurteile pflegt.

    • Vor 9 Monaten

      Sieht aus wie Richard Nixon

    • Vor 9 Monaten

      Wer das Cover antisemitisch findet, hat wahrscheinlich noch ein Jungle World Abo.

    • Vor 9 Monaten

      Nunja, das Cover ist eher ein Nebenkriegsschauplatz, und geriet seinerzeit erst nach Veröffentlichung von "Intifada" ins Gerede, wenn ich mich recht entsinne.
      Der Song selbst ist allerdings (linker) Antisemitismus in Reinform, wie immer getarnt als "Israelkritik".

    • Vor 9 Monaten

      "Nunja, das Cover ist eher ein Nebenkriegsschauplatz und geriet seinerzeit erst nach Veröffentlichung von "Intifada" ins Gerede, wenn ich mich recht entsinne."

      Sehr martialische Ausdrucksweise. Welcher Krieg gegen wen? Und warum soll das Cover antisemitisch sein?

      "Der Song selbst ist allerdings (linker) Antisemitismus in Reinform, wie immer getarnt als "Israelkritik"."

      Antisemitismus in Reinform, aha. Also (mindestens) auf einer Stufe mit "Tod allen Juden" oder dem Geschwafel vom "internationalen Finanzjudentum", einer " jüdischen Weltverschwörung" oder Geschichten von Kinderblut trinkenden Juden? Bezüglich einzelner Textstellen kann ich die Kritik an dem Song nachvollziehen. Die Erwähnung von JHWH und die anfängliche Referenz auf den Holocaust bringen die Kritik am Staat Israel leider ziemlich nah an Kritik an einer Religionsgruppe, die damit an sich nichts direkt zu tun hat. Allerdings ist es da leider auch schwer zu differenzieren, da Israel als Staat sehr eng mit der Religion der Juden verbunden ist. Nichtsdestotrotz hätte mensch das besser schreiben können und es ist legitim angesichts des Textes besorgt zu sein oder auch darin antisemitische Tendenzen zu vermuten, wobei ich bezweifle, dass diese gewollt sind, zumal das ja auch ausdrücklich angesprochen wird.

      Ich finde es nur sehr schwierig und besorgniserregend, wenn Kritik an der israelischen Politik relativ pauschal mit Antisemitismusvorwürfen begegnet wird. Auch wenn Antisemitismus definitiv real ist und auch ein großes Problem darstellt, befürchte ich, dass mit diesen Vorwürfen legitime Kritik einfach weggewischt wird. Diese Befürchtungen sind nicht neu und auch kritische Nachkommen von jüdischen Shoa-Überlebenden wurden schon als Holocaust-Leugner tituliert, weil sie die Menschenrechtsverletzungen Israels kritisiert haben, siehe Norman Finkelstein.

    • Vor 9 Monaten

      Das Antisemitismus erst bei "Tod allen Juden" oder beinharten Verschwörungstheorien anfängt ist allerdings auch eine gewagte These.
      In dem Lied wird die IDF quasi mit der SS gleichgesetzt, und Israel durchgängig als Aggressor, sowie die Palästinenser als Opfer dargestellt. Das ist nunmal eine einfältige Geschichtsklitterung, die sicherlich weit von "Tod allen Juden" entfernt ist, aber eben auch Antisemiten auf beiden Seiten des politischen Spektrums in die Karten spielt.

      Sich dann als Künstler auch 20 Jahre nach Erscheinen des Machwerks hinzustellen, und naiv zu behaupten, dass sei ja nicht so gewollt und gemeint gewesen, und den Song 2023 noch immer live zu spielen ist dann schon etwas schräg.
      Ich hab die früher - eben bis zu jenem Song - selbst gerne mal gehört, und halte die Typen eigentlich nicht für so doof oder unbedarft, dass sie nicht genau wussten, was sie da verzapft haben, und wenn doch, dann sollte man das Stück eben aus dem Live-Set nehmen.

    • Vor 9 Monaten

      "Das Antisemitismus erst bei "Tod allen Juden" oder beinharten Verschwörungstheorien anfängt ist allerdings auch eine gewagte These."

      Die ich nirgendwo aufgestellt noch verteidigt oder sonstwas habe.

    • Vor 9 Monaten

      Dieser Kommentar wurde vor 9 Monaten durch den Autor entfernt.

    • Vor 9 Monaten

      "In dem Lied wird die IDF quasi mit der SS gleichgesetzt"

      An welcher Stelle? Muss ich überlesen haben...

      "und Israel durchgängig als Aggressor, sowie die Palästinenser als Opfer dargestellt. Das ist nunmal eine einfältige Geschichtsklitterung,"

      Ich sehe nicht, wo der Songtext einen Anspruch darauf erhebt, die ganze Geschichte zu erzählen. Wie sollte das auch in Songtextform möglich sein, dafür ist die Thematik viel zu komplex. So ein Song über ein derart heikles Thema ist schon gewagt bis problematisch, wenn er die Perspektive einer Seite dieses Konfliktes einnimmt, und sicher kann darüber diskutiert werden. Aber warum ist die Kritik an der israelischen Seite im Nahostkonflikt antisemitisch? Selbst wenn sie einseitig ist und es auch berechtigte Gründe zur Kritik an der anderen Seite gibt: das macht diese Kritik nicht direkt antisemitisch.

    • Vor 9 Monaten

      Kritik ist ja immer irgendwie "einseitig". Und wenn man sich als Künstler immer nur absolut neutral positionieren dürfte, würde da ja jegliche (sinnvolle!) Streitkultur zum Erliegen kommen. Daher: NEIN zu Antisemitismus, JA zur (meinetwegen auch polemischen) Kritik als Betrag zu einer Debatte oder auch nur um die Wut rauszulassen. Klar gibt es da einen Grenzbereich. In diesem Fall würde ich sagen, lässt die den Song doch spielen. Sonst gibt man denen, die immer eine "Cancel Culture" an die Wand malen, noch Recht...

    • Vor 9 Monaten

      Die würden sich eh so oder so dämlich positionieren. Sollte der Song gespielt werden, dann eben nach dem Motto ",Aha, linke Bands dürfen also alles!"

      ... Usw.

    • Vor 9 Monaten

      Mh da hast du wohl Recht! Fände jedenfalls ein Auftrittsverbot mit der Begründung in dem Fall doof...

  • Vor 9 Monaten

    Ständig soll irgendwer, irgendwo nicht spielen dürfen. Das wird langsam anstrengend.

  • Vor 9 Monaten

    Habe nach "Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München" aufgehört zu lesen. Nichts für ungut, ich würde mich persönlich tendenziell auch eher links verorten, aber die inflationär verteilten Antisemitismusvorwürfe werden allmählich zu einer mühsamen Angelegenheit. Das Thema ist hochgradig komplex, wird aber viel zu häufig in Schwarz und Weiss eingeteilt. Das kann man Ska-P genauso vorwerfen wie besagtem linken Bündnis, aber ob das die eine Partei direkt zu Antisemiten degradiert und die andere zur letzten Verteidigungslinie gegen letztere macht, darf zumindest angezweifelt werden. Vielleicht täte es auch mal gut, unterschiedliche Standpunkte auszuhalten und nicht bei allem direkt nach dem Verbot zu lechzen oder das größtmögliche Urteil ("Antisemit") zu sprechen, wenn man selbst, wie man in dem offenen Brief nachlesen kann, wenig bis nichts Gehaltvolles beizutragen hat.

  • Vor 9 Monaten

    Der Song scheint wirklich ein dummer zu sein. Halte es da allerdings mit kulturellem Pragmatismus. Solange die Band diesen alten Song nicht mehr performt, würde ich sie nie im Leben nur deswegen ausladen wollen. Normalerweise wären Textänderungen auch akzeptabel, aber das scheint bei dem Track nicht zu reichen. Solange das aktuelle Material samt Setlist freundlich sind, sehe ich erst mal kein Problem.

    • Vor 9 Monaten

      Leider gehört der Song bis heute zum Live-Programm der Band.

    • Vor 9 Monaten

      Offenbar ist für den Song ja auch bereits eine rechtliche Bewertung abgegeben wurden, was das ganze nochmal unnötiger und polemischer erscheinen lässt. Hatte gedacht, das gerade bei jüngeren Leuten ein Bewusstsein dafür da ist, dass die Ausweitung der Siedlungen international eher nicht so gut ankommt. Ja, der Text hat einen derben Vergleich, aber muss ich mich von einer linken Skaband, die in München iwo auf der Parkbühne auftritt, so triggern lassen?

    • Vor 9 Monaten

      Wenn ich mich unbedingt triggern lassen will, dann schon.

      Allerdings hab ich mal in die Musik reingehört. Alter, ist das mindestens seit Wizo scheiße langweilig.

  • Vor 9 Monaten

    Wer 2023 noch Geld zahlt um ska-p zu sehen gehört verhindert.