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Morrissey "Autobiography"

Es ist die Autobiographie des Jahres, vor allem in Großbritannien. Dort setzte die 480 Seiten starke Lebensrückschau des Ex-Smiths-Sängers Morrissey in der ersten Woche 35.000 Exemplare ab, ein Spitzenwert im Bereich der Memoiren und sogar fast 20.000 Stück über der Bestmarke des Musikbiographien-Rekordhalters Keith Richards ("Life", 2010).

Und wofür? Steven Patrick Morrissey schüttet sein Seelenleben vor uns aus, das restliche zumindest, das noch nicht den Weg in Songform an die Öffentlichkeit gefunden hat. Seine Sprache ist anspruchsvoll, entwickelt aber bei intensiverer Lektüre eine charmante Eigendynamik. Dass er dem Tod im Vergleich zu Sex einen weiträumigeren Platz kredenzt, sollte keinen Kenner verwundern.

Bereits auf den ersten Seiten sterben zuerst sein Großvater und danach sein geliebter Onkel, letzterer mit nur 24, Morrisseys erste James Dean-Tragödie. Natürlich bleibt nicht unerwähnt, dass bereits seine Geburt die eigene Mutter aufgrund der Größe seines Kopfes fast das Leben kostete.

Seine Beobachtungen über den ganz alltäglichen, kleinbürgerlichen Horror im Manchester der 60er und 70er Jahre, über den Katholizismus und die Armut gerät dabei fast interessanter als die späteren Einblicke in seine Zeit als Popstar. Vieles davon reimte man sich als Fan bereits so zusammen (der Gerichtsstreit gegen die Smiths-Mitglieder Rourke und Joyce füllt etliche Seiten).

Die Aufnahme dieser Lebensgeschichte in den Klassikerkanon des Penguin-Verlags darf man vermessen finden. Über vier Jahre nach seinem letzten musikalischen Lebenszeichen erinnert "Autobiography" jedoch daran, warum der Brite zu den Künstlern zählt, die vor allem aufgrund des geschriebenen Wortes zur Legende wurden.

Penguin Classics, 480 Seiten, englisch, 9,90 Euro. Wertung: 5/5.

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