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Das Merch-Problem, Teil 1

Zurück zu ernsteren Themen. In den letzten Wochen kam immer wieder in neuen Kontexten das Thema Merchandise-Preise auf, weshalb es wohl langsam Zeit wird, die Sache auch hier anzusprechen. Schon im Februar gab es zum Beispiel einen kleinen Aufschrei im Netz, als jemand Gojiras Merchandise-Stand abfotografierte und auf Twitter stellte. Der Grund: Die sonst so auf Fairness bedachte Band verlangte bei Konzerten in Großbritannien schlappe 40 Pfund – also umgerechnet rund 45 Euro – für ein T-Shirt. Hoodies lagen bei 90 Euro.

Das vergegenwärtigte noch mal deutlich, wie stark die Merch-Preise in den letzten Monaten gestiegen sind. Zwar veranschlagten einzelne Acts (wie zum Beispiel Ghost) schon vor der Coronapandemie ähnlich hohe Preise. In der Regel bekam man Shirts von Bands der Größenordnung Gojira jedoch zwischen 25 und 30 Euro, die kleinerer Bands kosteten oft sogar 'nur' 20 Euro. Mittlerweile geht unter 30 Euro in der Regel nichts mehr (case in point: Brutus rangieren aktuell genau auf dieser Marke, ebenso wie Leprous und Devin Townsend auf ihren aktuell laufenden Touren), bei größeren Bands muss man mit weitaus mehr rechnen (Rina Sawayama verkaufte Shirts zuletzt ab 35 Euro, die Backstreet Boys wollten bis zu 50 Euro haben). Supportacts müssen in der Regel die Preise des jeweiligen Headliners mitgehen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Merch-Verkäufe seit Jahren essentiell für viele hauptberufliche Musiker:innen sind, um überhaupt ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können und auf einer Tournee schwarze Zahlen schreiben zu können. Lamb Of God-Sänger Randy Blythe bezeichnete sich deshalb in einem Gastartikel für Revolver 2017 zynisch als "glorifizierter Händler für schwarze T-Shirts". Schon mehrfach berichteten wir an dieser Stelle über die in den vergangenen Monaten enorm gestiegenen Logistik-Kosten für Bands auf Tour (u.a. hier) - um diese zu kompensieren, müssen zwangsläufig Ticket- und Merch-Preise angehoben werden, damit Konzertreisen überhaupt noch rentabel bleiben.

Ein weiterer Grund für die hohen Merch-Kosten sind allerdings längst zur gängigen Praxis gehörende Abschlagszahlungen an die Veranstaltungsorte. Dafür, dass Bands in den Venues verkaufen dürfen, müssen sie in der Regel einen bestimmten Prozentsatz der Einnahmen an diese abgeben. 20 Prozent oder mehr sind dabei inzwischen keine Seltenheit mehr. Ende Februar sorgten die aktuell mit Leprous durch Europa tourenden Monuments für Aufsehen, als sie ihre Endabrechnung nach einer Show in Mailand online posteten. Nach Abzug von Steuern (22 Prozent) und Venue-Konzession (25 Prozent) blieben der Band gerade einmal 53 Prozent der Einnahmen. Sprich, von einem 30 Euro teuren T-Shirt bleiben der Band gerade einmal 15,90 Euro – ohne die Herstellungskosten zu berücksichtigen. Ein paar Tage später in Athen, wo ähnliche Konditionen herrschten, verzichteten Monuments deshalb komplett darauf, Merch zu verkaufen.

Auf ihre Postings erhielt die Band viel positiven Zuspruch, sowohl von Fans als auch Kolleg:innen. "Ja, das geht zu weit", kommentierte etwa Carpenter Brut. "Ich denke, wir werden entweder aufhören, Merch zu verkaufen oder können nur noch in steuerfreien Venues spielen." Ghostkid-Gitarrist Chris Canterbury fügte hinzu: "Wir hatten exakt dieselbe Situation in Mailand. Am Ende sagten wir 'Fuck it', schlossen den Merch-Stand und verkauften unser Merch draußen am Bus. Diese Scheiße muss aufhören." Betraying The Martyrs bekräftigten: "Was zur Hölle? Lasst uns sichergehen, dieses Venue künftig zu meiden ..." Schon früher hatten unter anderem Dark Funeral und Architects Ähnliches zum Thema gesagt.

Wichtig zu betonen ist in der Sache jedoch auch, dass die Lage vieler Venues derzeit ebenfalls alles andere als rosig aussieht. Für die meisten fielen wegen der Corona-Lockdowns und darüber hinausgehende Veranstaltungsverbote fast zwei Jahre lang weite Teile, wenn nicht sogar sämtliche Einnahmen aus, was sie wiederum dazu zwingt, stellenweise an der Kostenschraube zu drehen. Schwierig wird es vor allem dann, wenn die Venues zu Megakonzernen gehören, die mehr und mehr gen Monopolisierung des Konzertmarktes drängen, und Bands kaum eine andere Wahl haben als die veranschlagten Konditionen zu akzeptieren.

Zur eingangs genannten Diskussion um Gojira haben die Kolleg:innen von Metal Injection übrigens einen guten Artikel veröffentlicht, in dem sie die Lage gut darstellen. Nachzulesen hier.

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