laut.de-Kritik

Spannend wie die Hostienverteilung des Frühgottesdienstes.

Review von

Nach UFO-Theorien, Ausflügen in esoterischen Spiritualismus und indischen Mystizismus nun also Jesus: Nina Hagen scheint ihre persönliche Religion - zumindest vorübergehend - gefunden zu haben. Auf "Personal Jesus" besingt sie Christus in Form neuinterpretierter Gospels und Traditionals. Mittendrin: Depeche Modes titelgebender Klassiker.

Hagen ist freilich nicht die erste, die sich an "Personal Jesus" wagt. Auch Marilyn Manson und Johnny Cash interpretierten den Song auf berührende (Cash) oder zumindest eigenwillige Weise (Manson) neu. Im direkten Vergleich kann Hagen hier gleich einpacken: Zwar überzeugt ihre stimmliche Leistung - und das auf der gesamten Platte. Das muffige Klanggewand im uninspirierten Country-Rock-Format spielt aber jede provinzielle Dixie-Band bei Firmenfesten zumindest ebenbürtig.

Da helfen auch die ständig gerrrollten Rrrs und zwischenzeitliches (kirrrchlich-keusches) Fauchen seitens der Sängerin wenig. Eine enorm düstere oder vielleicht sogar rotzige Neuinterpretation hätte man schon erwartet. Stattdessen macht sich weihrauchgeschwängerte Langeweile breit.

Nicht anders verhält es sich mit dem Rest. Hagen schwurbelt sich die Stimmleiter rauf und runter, haucht, vibriert und predigt mittels Gospel ("God's Radar", "Mean Old World"), Blues("Nobody's Fault But Mine", "Sometimes I Ring Up Heaven"), Country ("Just A Little Talk With Jesus", "Help Me"), Rock'n'Roll ("Take Jesus With You", "On The Battlefield") Gottes Wort, doch kommt dabei so viel Spannung auf wie bei der Hostienverteilung während des Frühgottesdienstes.

Das kurze Cover des Faschistenjägers Woody Guthrie ("All You Fascists Bound To Lose") hingegen wirkt gar zu überdreht und aufgesetzt, in etwa so, wie die Sendungen mit diesen amerikanischen Fernsehpredigern und ihren Dämonenaustreibungen.

Eine Nina Hagen, die alte Spirituals und Gospels interpretiert, fühlt sich ungefähr so an, als würde sich Siouxsie auf einmal die Bach-Passionen vorliebnehmen. Es will schlichtweg nicht so richtig passen, religiöse Überzeugung hin oder her. Zudem kommt einem dabei allzu oft der Bo Katzman-Chor in den Sinn, an sich schon eine grausige Assoziation.

Hagen machte bereits mit Irgendwo Auf Der Welt Musik für verdammt alte Leute. Das hat sich mit "Personal Jesus nicht geändert. Der einzige Unterschied liegt darin, dass diese alten Leute nun zu ihrer Musik auf dem lokalen Kirchenfest begeistert mit Bibeltexten wedeln werden.

Trackliste

  1. 1. God's Radar
  2. 2. I'll Live Again
  3. 3. Personal Jesus
  4. 4. Nobody's Fault But Mine
  5. 5. Down At The Cross
  6. 6. Just A Little Talk With Jesus
  7. 7. Mean Old World
  8. 8. Help Me
  9. 9. Take Jesus With You
  10. 10. On The Battlefield
  11. 11. Run On
  12. 12. All You Fascists Bound To Lose
  13. 13. Sometimes I Ring Up Heaven

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LAUT.DE-PORTRÄT Nina Hagen

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16 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    @Evil_Waschbaer (« Wenn du dich über Lyrik unterhalten willst, dann hör dir Bands wie Element Of Crime, Nick Cave And The Bad Seeds oder Skyclad an. Als ich Schwimmen gelernt habe, bin ich nachher ja auch nicht mehr in das ekelig vollgepisste Kinderbecken gesprungen. »):

    der war gut , lach :-)))

  • Vor 13 Jahren

    @lautuser (« Warum eine Review für eine lebende Leiche? Die ist doch völlig durch.. »):

    mag man halten wie man will, aber fakt ist : die dame hat mit vielen tabus in den 70er gebrochen, hat worte in ihren songs gebraucht die auf index standen !! für die damalige zeit schon ein skandal ( bin ein kind der 70er ) und meine generation wird verstehen was ich meine.
    und die frau kann wirklich singen !!
    macht halt ihren eigenen kram der auch zu wünschen übrig lässt.
    vielleicht gelingt ihr ja mal ein richtiges Comeback wie Udo lindenberg ?
    wer weiss !
    gute produzent , gutes songwriting dann erleben wir vielleicht mal wieder eine überraschung.
    --ach ich vermisse ... aufm bahnhof zoo im damen klo ...........oder ........es riecht so gut , pass auf das du nicht geschnappt wirst , du alter kiffern , sie sind nämlich hinter dir her .....
    - meine generation wird wissen was gemeint ist --

    African Reaggae lief in den damaligen clubs auf heavy rotation !!
    also sei nicht so streng mit der durchgeknallten Hagen :-)))

  • Vor 13 Jahren

    Wichtig für mich ist, ob jemand authentisch wirkt. Und das ist bei Nina Hagen 100%ig der Fall. Daß sie in der heutigen durchgestylten Landschaft provoziert wo es nur geht ist doch gut. Und warum soll sie sich nicht auch taufen lassen und Gospel singen? Bei den texten sollte man nicht alles für bare Münze nehmen, so wie man es bei den Bibeltexten eben auch nicht tun sollte. Vielleicht macht sich ja der eine oder andere auf den Weg zu ergründen, was den Leuten ,die damals die Bibelgeschichten aufgeschrieben haben, so alles durch den Kopf ging... Das hilft ungemein, sich ein klareres Bild von unserer Welt zu machen. Aber ich will mal nicht abschweifen. Für mich ist "Personal Jesus" ein schöner Kontrast zum Mainstream-musikgeschäft, genauso wie z.B. "Songs around the world: Playing for change" :-)