laut.de-Kritik

Glänzendes Debüt der Erfurter Klangkünstler.

Review von

Nach einigen sehr feinen Singles erscheint mit "Reach The Sun" nun das erste vollständige Album von Northern Lite. Wer die sympathischen Erfurter bislang in die rein elektronische Ecke stellte, wird umdenken müssen. Zwar bauen sich auf "Reach The Sun" noch immer alle Songs um ein elektronisches Grundgerüst herum auf, allerdings spielt doch plötzlich ein neues Instrument eine tragende Rolle im Northern Lite-Kosmos: die Gitarre! Der Grund hört auf den Namen Larry Lowe, kommt aus South Carolina und hat schon in einigen Bands den Sechssaiter bedient.

Nachdem das Intro noch angenehm zaghaft dahin fließt, so setzt schon beim Titeltrack ein treibender Bass ein, der die einzelnen Bestandteile zu einer tanzbaren Mischung formt. Zusammen mit der Stimme von Andreas Kubat entwickelt sich das Stück zum Knaller. "Gone" kommt ähnlich mitreißend, und wieder geben Stimme und Lyrics dem Stück erst den letzten Kick. Hier tauchen dann auch zum ersten Mal Wave-Anleihen auf, Northern Lite öffnen noch eine weitere Schublade.

Auch "Trustin Blind" vereint wieder gekonnt Elektronisches mit Analogem, und doch offenbart sich hier der einzige Schwachpunkt der Platte: man fühlt sich recht schnell an den zuletzt gehörten Track erinnert. Tatkräftige Unterstützung erfährt dieser Umstand ironischerweise gerade durch das neu hinzugekommene Instrument. Zwar gibt sich Larry Lowe keine Schwäche an seinem Instrument, allerdings ist der Sound seiner Gitarre leider den Großteil des Albums über vollkommen identisch. Etwas mehr Abwechslung, und Northern Lite hätten die Höchstnote verdient gehabt.

Trotzdem finden sich natürlich noch einige Perlen auf dem Album. Das zunächst ruhige "Even When" entwickelt in der zweiten Hälfte eine recht hypnotische Wirkung, "Ways Ain't Working" fräst sich bei jedem Hören schön langsam immer weiter ins Hirn. Das schon bekannte "Treat Me Better" kickt auch mit Gitarre noch gewaltig. Kurz vor Ende gibt es zwar noch ein kleines Zwischentief, doch ganz zum Schluss steht das wiederum über jeden Zweifel erhabene "My Pain". Großer Abschluss für ein glänzendes Debüt.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Reach The Sun
  3. 3. Gone
  4. 4. Trusting Blind
  5. 5. Even When
  6. 6. Ways Ain't Working
  7. 7. Treat Me Better (Treat Me Harder)
  8. 8. Away From You
  9. 9. Take Them Away
  10. 10. Looking At You
  11. 11. I Cannot Fall
  12. 12. Everybody Loves You
  13. 13. My Pain

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1 Kommentar

  • Vor 20 Jahren

    NORTHERN LITE - Reach The Sun

    Release: 23.02.2004
    Label: 1st Decade / Alive
    Stil: Elektro Rock

    NORTHERN LITE bereichern die Thüringer Elektroszene seit 1997 in verschiedenster Form, und so findet man auf dem kürzlich erschienenen Erstlingswerk auch Resultate des musikalischen Schaffens aus allen zurückliegenden Jahren. NORTHERN LITE, das sind Sänger Andreas Kubat und Soundbastler Sebastian Bohn alias DJ Boon, die zwischenzeitlich ihr eigenes Label "1st Decade" aufbauten und dort auch ihr nun endlich vorliegendes Debüt "Reach The Sun" herausbrachten. Die viel beachteten "Neo Pop Compilations" gehen ebenso auf ihre Kappe wie der Feinschliff zur Single "Planet Dada" (2003) von YELLO oder "Set It Off" von PEACHES. Eine echte Klangneuerung ist die erst kürzlich gestartete Unterstützung des Duos durch den aus South Carolina stammenden Gitarristen Larry Lowe, der für meine Ohren dem Elektroniksound genau den richtigen Schub verpasst hat, wobei neben filigranem Gitarrenspiel vor allem die Bass- und Rhythmussektion von ihm bedient wird und sich fabelhaft den groovenden Basisarrangements einfügt. Das Resultat dieser Trioarbeit ist Elektro Rock mit einer ganz besonderen Note.

    Das Fundament aus Elektronik wird durch den exzellenten, ganz verschiedenartig eingesetzten und gelegentlich elektronisch modulierten Gesang von Andreas Kubat, die treffsicheren Lyrics und wunderbar hypnotische Melodien veredelt und mit Larry Lowes Klampfengriffel feingeschliffen, wobei die einzelnen Elemente recht minimalistisch zum Einsatz kommen und dadurch für einen sehr differenzierten Sound auf dieser Edelproduktion sorgen. Als Referenznamen könnten oben angesprochene YELLO, NEW ORDER, DEPECHE MODE oder gar KOVENANT Erwähnung finden. Die Mucke bewegt sich zwischen hypnotischem Trance, tanzbarer Clubtauglichkeit und Cyber Rock, der oftmals steril im Industrialsinne und monoton aufgebaut ist und irgendwo zwischen Retro, Wave und Future Pop angesiedelt werden kann.

    Es braucht einen aufmerksamen Durchlauf, um die zunächst blutarm wirkenden Klangwelten wirken zu lassen, aber nach dieser Inkubationszeit breitet sich der NORTHERN LITE-Virus im Körper aus, versetzt ihn in genussvolle Zuckungen, die zappelnden Hände gehen bei Takt, Riff und Groove mit und der Hörer wird vom fesselnden Melodiezauber erfasst, der in akute Mitsinggefahr münden kann. Eine knappe Stunde auditives Vollbad mit Genussgarantie und einer Fülle potenzieller Hitgranaten, vor denen man nicht in Deckung gehen sollte. Zugreifen!

    Anspieltipps: Reach The Sun; Trusting Blind; I Cannot Fall; My Pain

    Meine Originalrezension unter http://www.powermetal.de/cdreview/review-3… (mit Cover, Tracklist, Homepage dazu).
    (c)Powermetal.de

    Dark blessings
    Daimon Sinister