laut.de-Kritik

Ohne Mund-Nase-Maske in die Schlagerpop-Hölle.

Review von

"Von mir aus kann's heut' regnen, das ist der beste Tag des Lebens", singt Oli. P gewohnt euphorisch und gut gelaunt. Die Nachricht, dass die Zeit der Lockdowns, Masken und Impftermine vorbei ist, ist nun auch im Hause Petszokat angekommen. Grund genug, um alles andere stehen und liegen zu lassen und die zurückgewonnene Freiheit noch einmal so richtig wertzuschätzen und abzufeiern. Oli. P ist ein Experte, wenn es um ungefilterte gute Laune geht. Der mittlerweile 44-Jährige kann gar nicht anders. Sobald der ehemalige GZSZ-Star ein Mikrofon in die Hand gedrückt bekommt, scheint einfach die Sonne.

Wie schon vor 25 Jahren, als Oli. P den Grönemeyer-Hit "Flugzeuge Im Bauch" durch den Trash-Pop-Reißwolf drehte, dienen auch im Sommer 2023 wieder einige bekannte Melodien als Katapulthilfe in Richtung Charts-Thron. So fällt der Berliner mit dem Achim Reichel-Singalong "Aloha Heja He" gleich ganz ungeniert mit der Tür ins Haus.

Der Titel des Openers ("Hey Freiheit") ist Programm. Den Sprung aus dem Dunkel ins Licht befeuern handzahm pumpende Eurodance-Klänge. Einmal im Flow, lässt Oli. P nicht mehr locker. Trötige Keyboardtupfer gaukeln dem Hörer karibische Vibes vor. Die musikalische Detailverliebtheit kommt so filigran um die Ecke wie ein Diagonalpass von Benedikt Höwedes. Im Hintergrund zwitschert irgendwer die bekannte Echt-Melodie aus dem 90er-Hit "Du Trägst Keine Liebe In Dir".

Weiter gehts mit aufgesetzten "Ha, Ha, Ha"-Seufzern des Hauptdarstellers und einer Prise Michael Holm ("Freudentränen"). So langsam, aber sicher wendet sich das Sound-Blatt. Was zu Beginn noch in Richtung Großraumdisco schielte, bittet nun zum Tanze auf dem Schlagerpop-Parkett. Gemeinsam mit Kirmes-König Matthias Reim zieht Oli. P alle Drumcomputer-Register. Bumtschak, Bumtschak, und alles nochmal von vorne ("Ich Hab' Geträumt Von Dir"). Die Hälfte ist geschafft.

Ein musikalischer Gruß an Wolle Petry läutet die zweite Albumhälfte ein ("Einer Von Uns"). Dann kommt der Anwärter auf den "Cover des Jahres"-Titel: Oli. P trällert die Jürgens-Schmonzette "Die Sonne Und Du", inklusive "Uhuhuuu" und "Lalala". Bis hierhin und nicht weiter, denkt man sich vor den Boxen. Aber Oli legt noch eine Schippe drauf. "Nie Wieder Allein" ist ein Song "im Old-School-Gewand", ein Trademark-Ausrufezeichen mit gerappten Strophen. Oli. P im Sprechgesang-Modus: Das ist zweifelsohne erlaubt und nicht strafbar. Aber muss das wirklich sein? Künstlerisch wertvoll ist das sicherlich nicht. Will man bis zum Ende durchhalten, muss man aber auch diese Hürde nehmen.

"Komm', lass' uns fliegen, solange wir leben, du musst nur dran glauben, es geht hoch", verspricht der Mutmacher "Fliegen". Kurz vor der Remix-Zugabe, in der Ehefrau Pauline noch schnell ein hauchzartes "Lalala" beisteuert ("Melodie") und eine blubbernde Tropical-Version von "Nie Wieder Allein" den Schlusspunkt setzt, stimuliert Oli. P noch einmal die Fantasie. Ach, wie schön, wenn man jetzt wirklich fliegen könnte. Irgendwie will man nämlich nur noch weg. Ganz weit weg.

Trackliste

  1. 1. Hey Freiheit
  2. 2. Bester Tag
  3. 3. Traum In Sicht
  4. 4. Freudentränen
  5. 5. Ich Hab' Geträumt Von Dir
  6. 6. Einer Von Uns
  7. 7. Die Sonne
  8. 8. Nie Mehr Allein
  9. 9. Meine Welt
  10. 10. Fliegen
  11. 11. Leichtigkeit Des Seins
  12. 12. Melodie (feat. Pauline)
  13. 13. Eine Von Millionen (Fresh Mix)
  14. 14. 1000 Liebeslieder (Fresh Mix)
  15. 15. Nie Mehr Allein (Thörban Tropical Mix)

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LAUT.DE-PORTRÄT Oli. P

Oliver Alexander Reinhard Petzokat, geboren 1978 in Berlin/ Spandau, ist eigentlich kein Sänger, sondern macht "deutschen Sprechgesang", wie er selbst …

7 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor 9 Monaten

    Der Beweis dafür, dass es egal was man schon für eine Scheiße macht, es immer noch reichlich Luft nach unten gibt.

  • Vor 9 Monaten

    Mir gefällt, dass sich das Songwriting wieder an den frühen Heldentaten des Genres orientiert, auch an den ersten zwei eigenen Platten. Manch jungen Hörer mag das rohe Soundbild erschrecken, aber so (oder so ähnlich) klang Black Metal in den glorreichen 90ern. Jede Diskussion erübrigt sich, wenn der klassische Blastbeat einsetzt, weit entfernt vom klinischen Drumsound der letzten Platten. Die waren auch geil, aber schon etwas verkopft und progressiv.
    Solide 4/5 bis jetzt. Mal sehen, was die Zeit daraus macht.

    • Vor 9 Monaten

      Irgendwo zwischen Deathspell Omega und den frühen Wolves in the Throne Room. Er lässt das Höllenfeuer jedenfalls ordentlich knistern. One-man-army im Auftrag des Gehörnten.

    • Vor 9 Monaten

      Krass, das hören da wirklich wenige raus. Aber ja, genau. Wobei ich den Satanismus hier in seiner philosophischen Betrachtung auch echt erwachsener finde, als dieses old-schoolige Kirchenverbrenner-Ding. Wenn Oli P. so weitermacht, ist er vielleicht der nächste Niklas Kvarforth.
      Hoffnung im Black Metal, haha, aber ich hoffe, dass er seinen Weg geht und nicht zu einem mainstreamigen, deutschen Dani Filth wird.

    • Vor 9 Monaten

      Mich spricht seine subversive, hinterhältige Attitüde total an. Bisschen schwierig, die Growls und Screams richtig zu verstehen, aber ich meine er kommt bei "Bester Tag" (einer Ode an das Ende der Welt) mit "Gestern wars hier noch grau, jetzt sind hier überall Farben", rein, um dann dem Hörer direkt mit dem schwarz-grauen, nackten, blutbefleckten Satanistenarsch ins Gesicht zu springen und ihm die Gedärme rauszureißen.
      Aber ich merke, Du steckst da, was die sonstigen Protagonisten und Opfer der Szene anbelangt, deutlich tiefer als ich im schwarzen Game. Für mein Unwissen geißele ich mich ne Runde, indem ich alle Incel/Pro Rammstein/usw.-Posts der letzten vier Monate auf laut.de mit eigenem Blut an die Friedhofswand schreibe.

    • Vor 9 Monaten

      Dani "Fromm" Filth hier crap zu geben verbittet sich freilich. Trotzdem gute Beobachtungen, Jungs!

    • Vor 9 Monaten

      War nicht abwertend gemeint, "200 impaled female MCs in a midnight mass" ist schon echt ne geile Platte. Aber es ist halt doch ein eher theatralischer Ansatz, während ich Oli P. total abnehme, dass er diesen Hass in seinen Texten auch wirklich lebt.
      Dem will ich jedenfalls nicht im Treppenhaus begegnen, wenn er nach nem blutigen Motiv für sein nächstes Plattencover sucht.

    • Vor 9 Monaten

      *Selbst-

      Ansonsten on point rezessiert von dir, Respekt!

    • Vor 9 Monaten

      Danke, aber im depressive Black Metal heißt es "Reh seziert".

    • Vor 9 Monaten

      Bei Re sag ich automatisch Contra und wenn das so weiter geht kommen wir auch wieder bei Schwarz raus, also fair enough :)

    • Vor 9 Monaten

      Oder wir kommen bei Schwartz raus. So düster und hoffnungslos Olis Rap-Parts sind, frag ich mich eh schon lang, ob er und Blokkmonsta nicht eine Person sind. Die Szene munkelt.

    • Vor 9 Monaten

      Dunkelt! Sie dunkelt. Nach. War längst überfällig.

  • Vor 9 Monaten

    Da ich nun Oli P. Karriere wenig verfolge und auch nicht bereit bin diese Musik zu hören, mal die Frage:
    Woher kommt dieses Freiheit und Maske Stückchen in der Rezension? Bezieht sich der Oli irgend aufs Impfen und so, oder war der da mal kritisch?