laut.de-Kritik

Kindergeburtstagsstampfer aus Prozac und Zuckerwatte.

Review von

"It's Not My Fault, I'm Happy" - angesichts des musikalischen Fröhlichkeitszwangs, auf den Passion Pit mit ihrer zweiten LP bestehen, wirkt der Titel des elften Tracks fast wie blanker Hohn. Trotzdem erscheint es logisch: Solange man als Künstler mit dem eigenen Werk zufrieden ist, kann man etwaige Schuldzuweisungen, die einem aus der öffentlichen Kritik entgegenschlagen, selig von sich weisen. Das gute Recht eines jeden Musikers.

Wenngleich Übellaune paradoxerweise genau das ist, wogegen der Elektropop-Fünfer mit beharrlicher Unbeugsamkeit ankämpft, stimmt einen "Gossamer" missmutig. Nach dem Trubel um ihr erstes auf EP gebanntes Lebenszeichen "Chunk Of Change" sowie den allseits gelobten Langspieler "Manners" lagen die Erwartungen hoch. Der Druck, unter dem die Combo aus Cambridge, Massachusetts nach ihrem Debüt gestanden haben muss, war vielleicht ein ähnlicher wie der, den man derzeit von den Gesichtern der Olympia-Teilnehmer ablesen kann.

Die Anspannung als Folge des vorangegangenen Enthusiasmus hat sich in den Sound des Zweitlings eingeschlichen: Gehört oben genannte Nummer noch zu den angenehmeren Zwischentönen, sticht sie im Umfeld ihrer gehetzt wirkenden Nachbarn gar positiv heraus, verreckt der überwiegende Rest an einer überdosierten Kombination aus Prozac und Zuckerwatte.

Zwar sind die Stilelemente, aus denen Passion Pit ihre Kindergeburtstagsstampfer zusammendrehen, mehrheitlich dieselben geblieben. Der sympathisch-poppige Synthie, die leichtfüßigen Melodie-Ideen und der sorglose Gesang von Michael Angelakos luken auch hier um die Ecke und wirken stellenweise greifbar nah. Doch die Chipmunk-Stimmensamples und Handclaps von "Sleepyhead", die honigsüß zirpende Sentimentalität und Ohrwurm-Qualität von "I've Got Your Number" erreicht keiner der Songs auf "Gossamer".

Nachdem das Glockenspiel-Intro und die falsettige Mehrstimmigkeit des Openers "Take A Walk" noch ganz gut gefällt, werden die Nerven bald auf die Probe gestellt: "I'll Be Alright" überreizt das, was Purity Ring gerade so eingängig und mühelos zelebrieren, bis ins kaum Erträgliche. Ähnlich wie das kanadische Duo, noch ähnlicher wie Hot Chip versuchen sich Passion Pit manches Mal vergeblich an der Zusammenkunft des R'n'B und Elektro-/Synthpop ("Constant Conversations", "Cry Like A Ghost"). Nach den ersten zehn Minuten in der Partyzwangsjacke wirken selbst Billo-Beats wie auf "Carried Away" nicht mehr augenzwinkernd.

Seichheit ersetzt die Leichtigkeit der ersten beiden Veröffentlichungen. Passion Pit torkeln zwischen trivialer Beatüberlastung, überspannter Gefallsucht und unhinterfragter Happiness. Mit blutigen Brechstangen nötigt die Band zum hirnfreien Hedonismus. Nicht selten fühlt man sich, als ertränke man unter stummen Schreien in einem riesigen quietschbunten Bällebad, während um einen herum unbarmherzig weitergefeiert wird.

Jeder Küchenpsychologe weiß: Nach Hoch folgt Tief, nach Euphorie die Depression. So auch hier: Wie in der manischen Phase einer bipolaren Störung tyrannisieren Passion Pit ihr Publikum mit der Verpflichtung zur guten Laune. Dabei stehen die überzuckerten Bonbon-Kompositionen im scharfen Kontrast zu den teils düsteren Texten, die sich mit Themen wie Drogen- und Alkoholmissbrauch, Bindungsängsten und Selbsttötung beschäftigen. Dieser Antagonismus macht das Album allerdings nur bedingt interessanter, wirkt er doch eher angestrengt als raffiniert.

Die bedrohlich anmutende Hochstimmung erinnert ein bisschen an einen Traum, den ich kürzlich hatte: Übergroße, mehräugige Manga-Figuren mit fratzenhaftem Grinsen im Stil des japanischen Künstlers Takashi Murakami drifteten aus allen Richtungen auf mich zu, bis sie mich in eine Sackgasse gedrängt hatten, um mich dort langsam und genüsslich zu verspeisen. Seine abstrus überzogene Kunst bezeichnet Murakami übrigens als "superflat" - superflach. Manchmal ist die Grenze zwischen Kunst und Kitsch eben sehr dünn.

Trackliste

  1. 1. Take A Walk
  2. 2. I'll Be Alright
  3. 3. Carried Away
  4. 4. Constant Conversations
  5. 5. Mirrored Sea
  6. 6. Cry Like A Ghost
  7. 7. On My Way
  8. 8. Hideaway
  9. 9. Two Veils To Hide My Face
  10. 10. Love Is Greed
  11. 11. It's Not My Fault, I'm Happy
  12. 12. Where We Belong

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18 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    ey anne bra, was bei dir denn schief gelaufen?? ham dir ma beim konzert nen autogramm verweigert? oder bumst dein macker ne andere???
    so eine schlechte und unzutreffene review hab ich seit gefühlten 20 jahren nicht gelesen.
    du versuchst auch zwanghaft das album schlecht zumachen.
    und zur fröhlichkeit: solltest zum kontrast auch noch ma die story vom leadsänger einbringen (pitchfork.com ---- geb dir lieber quellen; mit journalismus haste es ja nich sooo).

    persönlich finde ich das album absolut weltklasse.
    besser als das 1., obwohl das auch scho gut war.
    wo i`ll be alright nerven soll, weist wohl auch nur du nußi...

  • Vor 11 Jahren

    ey crunker, geht's auch n bisschen sachlicher und unpersönlicher? ist ja schön, dass das dein album des Lebens ist, aber solche eindrücke sind nun mal subjektiv. in diesem sinne, halt mal die Finger still!

  • Vor 11 Jahren

    pitchfork.com! na dann ist ja alles klar...