laut.de-Kritik

Roots-Reggae braucht immer noch kein Hochdeutsch.

Review von

"Cha Nüt Defür" hieß es noch vor einigen Jahren. Mit dem inzwischen dritten Album wird es für Phenomden zunehmend schwieriger, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Für die Verbreitung der Erkenntnis, dass die Schweiz nicht nur für erstklassiges Grünzeug, sondern auch für jamaikanisch eingefärbte Klänge besten Boden bietet, dafür kann der Zürcher mit dem chronischen "Lied Im Ohr" sehr wohl.

"Ich säge was mi nervt, wil i nöd andersch chan." Statt sich dabei auf Heulsusentum, das Beklagen der herrschenden Zustände und Jammereien auf hohem Niveau zurück zu ziehen, liefert der phänomenale Dennis Furrer ein weiteres, fröhliches, durchgehend höchst vergnügliches Roots-Reggae-Paket, das kein Prädikat mehr verdient als uplifting.

In der Tat handelt es sich um "Songs voller Nachricht und Melodie", beispielsweise wenn Phenomden "Moderni Ziite" unter die Lupe nimmt: Fortschritt, ja bitte, jedoch nicht um jeden Preis. Die "Chugle", der Erdball, wird sich ungeachtet dessen, was die Menschen anstellen werden, um sich gegenseitig und selbst das Leben schwer zu machen, weiterdrehen. Schon deshalb empfiehlt sich ein wenig Respekt.

Hochachtung gegenüber den eigenen Roots ist Phenomden dabei ebenso wichtig wie ein In-Ehren-Halten der gesamten Reggae-Kultur: Zu einem von den Basler Scrucialists zusammen gezimmerten Riddim setzt es hier eine Geschichtsstunde erster Güte. Von den Anfängen im Calypso über Rocksteady und Ska bis direkt in die Dancehall huldigt Phenomden mit umfassendem Namedropping den Gründern, Entwicklern und Innovatoren des Genres.

Zwar stolpert er hin und wieder über den Rhythmus, wenn die Flut der herausdrängenden Silben, die Menge dessen, das zu sagen wäre, mit dem Mann am Mikrofon durchgeht. Eiskalte Perfektion ist allerdings gar nicht gefragt. Phenomden wirkt angesichts des hörbar eingeflossenen Herzbluts nur noch sympathischer.

Selbst in der doch eher wohlhabenden Schweiz zu Hause, wagt er gemeinsam mit Rebellion The Recaller aus Gambia einen Blick über die Grenzen: "Vill Lüüt händ immer no nüüt, vill lided immer no", davor täuscht aller Optimismus des Sounds nicht hinweg. Phenomdens Singjay-Style und Rebellions dunkler gefärbtes Toasting gehen dabei ebenso einträchtig Hand in Hand wie Englisch und Schweizerdeutsch.

Da sich die großen Zusammenhänge ohnehin nur dem erschließen, der sich selbst kennt, thematisiert Phenomden zudem seine eigene Situation. Herzerfrischend unaufgeregt beschreibt er seine Intention als Musiker ("Stah Da"), erinnert sich an eine verflossene Liebe ("Schriibe") oder den Sommerurlaub ("Dance Im Olivehain"), hadert mit den Tücken einer Wochenend-Beziehung ("Zrugg Zu Dir") und sinniert über die Traumfrau "Für Immer". Auf, Mädels: Der Posten scheint noch vakant!

Neben den Scrucialists, die Phenomden live den Rücken freihalten, setzt er auf eine wahre Armee von Reglerschiebern. Rootdowns Hausproduzent Teka kommt zum Zuge, der Berliner Ganjaman oder Ingo Rheinbay aus den Reihen des Kölner Pow Pow Movements. Jr. Blender gabelte Phenomden im Umfeld des wohl dienstältesten deutschen Reggae-Soundsystems auf, in Hamburg bei den Silly Walks.

Diese Masse an Köchen verdirbt keineswegs den Brei, im Gegenteil: Phenomden verführt mit dem runden Aroma satter Basslinien, Keyboard-Akzenten, wohl dosiertem Backgroundgesang, hie und da eingestreuten Bläser- und Percussion-Einlagen, ausgefeiltem Songwriting und sitzenden Hooks definitiv zu wiederholtem Genuss. Rewind.

Trackliste

  1. 1. Stah Da
  2. 2. Roots
  3. 3. Steinig
  4. 4. Schriibe
  5. 5. Moderni Ziite
  6. 6. Vill Lüüt Feat. Rebellion The Recaller
  7. 7. Dance Im Olivehain
  8. 8. Für Immer
  9. 9. Was Isch D'Liebi
  10. 10. Chugle ft. IBK Tribe
  11. 11. Reggae-Kultur
  12. 12. Zrugg Zu Dir
  13. 13. Lied Im Ohr
  14. 14. Gangdalang

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