11. Dezember 2002

"Wir gaben Madonna Gitarrenunterricht"

Interview geführt von

Der Mann ist flexibel. Prongs Tourmanager Dave hat Tommy Victor vor zwei Minuten mitgeteilt, dass ein Interview ansteht, und schon sitzt er da, neben einem Müllhaufen in der Garderobe der Stuttgarter Röhre. Ziemlich klein geraten, mit unverkennbarem Bauchansatz, schaut uns die New Yorker Hardcore-Legende an und wartet, was passiert. Gut, fangen wir einfach an.

Wie läuft eure Tour bisher?

Bis jetzt ziemlich gut.

Und wie gefällts dir in Europa?

Das ist schwer zu sagen. Es ist lange her, dass ich das letzte Mal hier war. Aber die Leute sind nett, die Locations sind gut und alles ist üblicherweise gut organisiert.

Gibt es da Unterschiede zu Amerika?

Ja, dort ist die Organisation nicht so gut – zumindest in den Clubs.

Kommen wir auf die Wiedergeburt von Prong zu sprechen. Ihr wart sechs Jahre weg vom Fenster. Was sind die Gründe für euer Comeback?

Ich habe eigentlich nie richtig aufgehört. Ich spielte ein Jahr mit Danzig und war sechs Monate bei Rob Zombie, es brauchte einfach ein Weilchen, um das Ganze wieder zum Laufen zu kriegen. Es hat wirklich lange gedauert und war eine unschöne Sache. Ich habe meinen Record-Deal verloren und ich musste eine Menge Dinge wieder aufbauen. Eine Zeit lang wollte ich mit niemanden etwas zu tun haben und habe mich einfach isoliert. Außerdem ist es hart, die Jungs zusammen zu halten. Du willst etwas starten und dann sind sie alle verschwunden. Es war nicht so einfach. Nun machen wir ein neues Studio-Album, das im April rauskommt.

War das der Grund, weshalb es Prong wieder gibt?

Ja, ich wollte eine neue Platte machen. Ich habe schon eine ganze Weile am Material gearbeitet, und nochmal: Ich habe nicht wirklich aufgehört. Ich habe meinen Deal verloren und musste ein neues Management finden. Das hat einfach lange gedauert. Ich lebe in LA und alles dort ist ein bisschen langsam. Prong war auch nicht immer mein Hauptfokus. Nachdem Epic Prong fallen gelassen hatte spielte ich mit Danzig, Ted (Parsons) ging nach Norwegen um bei Godflesh zu spielen.

Lass uns über das neue Album "100% Live" sprechen. Es ist eigentlich ein Prongs Greatest Hits-Album geworden. Soll es eine Art Brücke von den alten zu den neuen Zeiten schlagen?

Es ist eine Kombination mehrerer Dinge. Es ist eine Sammlung der Best Hits und es hat damit zu tun, dass die frühen Sachen nicht mehr gepresst werden. Die Leute fragten, wo sie "Prove you Wrong" herkriegen. Auch "Unconditional" und "Beg to Differ" sind drauf. In den Staaten war "Cleansing" das erfolgreichste Album, und viele kennen die alten Sachen gar nicht. Auch "Rude Awakening" wurde ziemlich übersehen. Wir wollten die Songs noch mal bringen. Es waren also einige Ideen, die zu dem Album führten. Eigentlich war es nicht meine Idee, ein Live-Album zu machen. Unser Manager und Locomotive Music wollten es, und ich dachte, es ist eine gute Idee. Wir konnten es ohne großen Aufwand, während wir die Vorbereitungen für das Studio-Album trafen, produzieren.

Monte Pittman, euer zweiter Gitarrist, hat mal mit Madonna zusammen gespielt. Das ist ja eine ganz andere Welt. Wie kam es dazu?

Oh, er spielt immer noch mit Madonna. Er war vorher bei Prong. Er zog von Texas nach LA, wo ich ihn traf. Ich suchte jemanden zum Arbeiten und er ist ein wirklich guter Gitarrist. Also arbeiteten wir zusammen, und dann bekam er den Madonna-Gig. Er fing an, mit ihr zu arbeiten und gab Madonna Gitarrenunterricht. Sie fragte ihn dann, ob er mit ihr auf Tour gehe. Dadurch hat es ein Jahr länger gedauert, Prong wieder zusammen zu bringen, weil ich auf ihn warten musste. Mit ihm werden wir auf unserem neuem Album zusammen arbeiten.

Also ist er jetzt Teil von Prong?

Das ist schwer zu sagen. Natürlich steht Madonna bei ihm an erster Stelle. Sie könnte ihn jede Minute zurück rufen. Ich weiß es nicht. Aber er hat definitiv am neuen Material mitgearbeitet. Jetzt gerade, heute, ist er bei Prong.

Lass uns noch ein wenig die Vergangenheit aufarbeiten. Warum löste sich Prong 1996 auf?

Der Hauptgrund war, dass uns Epic fallen ließ. "Rude Awakening" war drei Wochen draußen und dann zogen sie den Stecker raus. Wir hatten keine Promotion mehr und ich ging nach Hause. Es war schrecklich. Ich hatte keinen Job und wirklich viel Arbeit in "Rude Awakening" investiert. Da war 'ne Menge Enttäuschung. Wir waren finanziell in ganz schlechter Lage und das war der eigentliche Grund.

Anfang der 90er war Prong eine der ersten Hardcore/Metal Bands, die elektronische Samples in ihrer Musik verwendeten. Denkst du ihr seid damals eurer Zeit voraus gewesen?

Nicht unbedingt. Ich denke, diese Weiterentwicklung war unausweichlich. Wenn wir das nicht gemacht hätten, hätte es jemand anders gemacht. Da gab es auch die Nine Inch Nails, und ich mag es nicht, herumzulaufen und zu sagen, dass wir die Ersten waren. Denk an Bands wie Chrome, die vor Jahren mit Tape-Loops und Synthesizern experimentiert haben, oder sogar an Pink Floyd. Es ist alles elektronisch in dem Moment, in dem du den Verstärker einsteckst.

Was können wir von eurem Studioalbum im Frühjahr erwarten?

Es wird eine sehr harte Scheibe. Sehr einfach, big beats und catchy hooks. Nichts sehr Kompliziertes. Wir haben wieder ein bisschen mehr unsere Hardcore-Roots eingebracht. Ich weiß nicht, ob es eine Mainstream-Scheibe wird – wahrscheinlich nicht. Aber ein paar Leute werden es sehr interessant finden und gerne hören. Jeder Song ist anders, eine eigene Einheit. Insgesamt wird sie etwas langsamer und mit fetten Gitarrenriffs sein.

Meinst du, mit Blick auf Bands wie Korn oder Rammstein, dass ihr heute erfolgreicher mit eurer Musik sein werdet?

Keine Ahnung. Ich kann das nicht voraussagen. Das sind Erwartungen und Projektionen, die ich nicht machen kann. Korn sind erfolgreich wegen ihres Songwriting. Es ist unglaublich: Ihr Stil, welche Mittel sie benutzen, Elektronik und was auch immer sie in ihrer Musik einsetzen. Sie verdienen den Erfolg.

Würdest du auch gerne den Erfolg dieser großen Band haben, oder bist du auch so zufrieden mit deiner Musik?

Ich will genug Geld haben, um die Wünsche meiner Kinder zu erfüllen und die Schule zu bezahlen. Die öffentlichen Schulen in Amerika sind schlimm. Wenn du Karriere in der Musik machst, kannst du solche Dinge nicht erwarten. Du musst glücklich sein, wenn du überlebst. Wie viele Leute überleben so viele Jahre im Musik-Business? Ich hatte eine Menge Glück. Ich kann nicht wirklich mehr verlangen.

Das Interview führte Hagen Wäsche

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