Porträt

laut.de-Biographie

Psychedelic Furs

Wer glaubt, die 80er Jahre hatten lediglich nervige Plastikmusik und schlimme Fashion-Crimes zu bieten, der kennt die Psychedelic Furs nicht. Obwohl sie nie groß die Charts stürmen, zählen sie zu den einflussreichsten britischen Bands überhaupt und stehen zu Recht neben stilprägenden Größen wie New Order, The Cure oder Depeche Mode. Heute zählen sie zu den Heroen der Postpunk-Bewegung.

The Psychedelic Furs - Made Of Rain Aktuelles Album
The Psychedelic Furs Made Of Rain
Die New-Wave-Spezialisten kommen im Hier und Jetzt an.

Kern der Truppe sind die Brüder Richard (Gesang) und Tim Butler (Bass). Mitten auf dem Höhepunkt der Punkwelle verfolgen sie eine für die damalige Zeit eher ungewöhnliche Vision. Psychedelischer Rock, knackiger New Wave, große dramatische Melodiebögen und ein paar poppige Bläser hie und da verschmelzen sie zu einem ganz einmaligen Sound. Zusammen mit Richards charismatischem Gesang schaffen sie einen eigenen Sound mit Suchtpotential.

Dabei gestaltet sich der Beginn eher holprig. Zwischen der Gründung 1977 und 1979 firmiert die Combo unter insgesamt vier Namen, bis man endlich bei den bewusstseinserweiternden Fellen angelangt. Zunächst nennen sie sich RKO, dann Radio und The Europeans. Mit dem Namen Psychedelic Furs geht alles rasend schnell. Ein Plattenvertrag ist schnell bei der Hand. Bereits das unbetitelte Debüt zeigt die Butlers in kompositorischer Hochform. Doch die Welt scheint noch nicht ganz bereit zu sein. In Großbritannien entern sie dennoch die Top 20 und erhalten viel Anerkennung von Fans und Medien. Der Rest des Planeten bleibt vorerst im Dornröschenschlaf.

Bereits ein Jahr später veröffentlichen sie ihren Schlüsselsong "Pretty In Pink". Das Lied geht um die Welt und inspiriert letztlich den amerikanischen Regisseur John Hughes zu seiner gleichnamigen Kult-Teeniekomödie aus dem Jahr 1986. Bis heute ist der Track die Visitenkarte der Band. Als One-Hit-Wonder gehen sie dennoch nicht in die Musikgeschichte ein. Unbeirrt halten die Briten an ihrem Soundbild fest. Ihre Suche nach dem perfekten Pop-Song manifestiert sich etwa in den Hochkarätern "Love My Way" (1984) und "Heartbreak Beat" (1987), die auf zahlreichen Soundtracks und im TV Verwendung finden.

1991 veröffentlichen die Furs das superbe und sehr gereifte Album "World Outside". Trotz melancholischer Übersongs wie "Don't Be A Girl" bleibt der verdiente kommerzielle Erfolg aus. Grunge steht bereits in den Startlöchern und fegt die Wave-Ästheten erst einmal hinfort. Zu uncool für den Zeitgeist! Die Band löst sich auf. Doch die Saat ist gesät. Irgendwo im verschlafenen Provinznest Nephi in Utah sitzt der zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alte Brandon Flowers, für dessen spätere Band The Killers die Psychedelic Furs alles andere als unwichtig sind. Auch Dave Grohls Foo Fighters leisten später Abbitte.

Die Butlers lassen sich derweil nicht unterkriegen und komponieren unter dem Titel Love Spit Love weiter. Mit Gitarrist Richard Fortus und Schlagzeuger Frank Ferrer (später Guns N' Roses) entstehen zwei Alben, denen der kommerzielle Erfolg trotz der eingängigen Single "Am I Wrong" 1994 ebenso versagt bleibt wie der finalen Furs-Platte. Zum Millennium passiert dann das Unerwartete: Die Butler Brothers reformieren die Psychedelic Furs. Zwar machen sie keinerlei Anstalten, eine neue Scheibe zu veröffentlichen, touren aber zur Freude einer neuen Generation an Rock-Fans mit den alten Songs durch die Welt.

In der Folge berufen sich zahllose Indie-Bands auf die Furs als wichtigen musikalischen Einfluss. Speziell die erwähnten Killers werden nicht müde, die britischen Waverocker in der Öffentlichkeit zu preisen. Und es klappt: Vor allem Amerika erwacht aus seinem Schlummer: dort gelten die Furs in ihrer Sparte als ähnlich wichtig und wegweisend wie The Velvet Underground. Der Lohn: 2010 treten sie sogar in der renommierten Hollywood Bowl auf und legen einen umjubelten Auftritt hin. Bei "Pretty In Pink" winkt Richard Butler seine Killers-Fans auf die Bühne. Gemeinsam mit Flowers intoniert er eine wahre Gänsehautversion.

2017 erklingt "Love My Way" in Luca Guadagninos oscarnominiertem Film "Call Me by Your Name" und spätestens mit "The Ghost In You" in der 80s-Kultserie "Stranger Things" findet ein junges Streaming-Publikum erstmals Zugang zu den rund 30 Jahre alten Glanztaten der Band. Apropos Streaming: Im Spotify-Zeitalter stehen die Psychedelic Furs exzellent da. Mehr als 150 Millionen Streamabrufe weisen ihre Songs im Jahr 2020 auf. 2018 lädt Cure-Chef Robert Smith die Band auf das von ihm kuratierte Meltdown Festival ein. Im Mai 2020 ist es dann soweit: Mit "Made Of Rain" erscheint die erste Platte mit neuen Songs seit 1991. Zur Band gehören neben den Butlers Mars Williams (Saxofon), Paul Garisto (Schlagzeug), Amanda Kramer (Keyboards) und Rich Good (Gitarre). Mit dem New Wave ihrer Anfangstage haben die Songs nur noch wenig gemein. "Made Of Rain" klingt laut und düster, nur Richard Butlers charismatische Stimme erinnert an die Band, die in den Achtzigerjahren die britische Post-Punk-Szene mitprägte.

Während Corona erinnert der Sänger Depeche Mode-Songwriter Martin L. Gore an die ältere Idee, gemeinsam Songs zu schreiben. Nachdem die ersten Songs im Kasten sind, fragt ihn Gore zu seiner großen Überraschung, ob er die Songs für ein kommendes Depeche-Album benutzen dürfe. Dadurch erhält Butler Credits auf dem 2023er Album "Memento Mori". Nach Ende der Pandemie gehen seine Psychedelic Furs wieder auf große Tournee und laden in den USA ihren Freund Evan Dando (Lemonheads) ein.

Am 21. November 2023 vermeldet die Band, dass Saxofonist Mars Williams im Alter von 68 Jahren an Gallenblasenkrebs gestorben ist. Der seltene Tumor wurde ein Jahr zuvor entdeckt. Williams kam von der Band Waitresses 1983 als Live-Mitglied zu den Furs, blieb dann bis 1989 in der Band und kehrte erst 2005 zurück. Als er erfuhr, dass die Medikamente den Krebs nicht aufhalten können, beschloss er, die letzten Monate seines Lebens mit seinen Freunden auf der Bühne zu verbringen.

Alben

The Psychedelic Furs - Made Of Rain: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2020 Made Of Rain

Kritik von Stefan Mertlik

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