laut.de-Kritik

Mundet wie "Pflaumenbrand aus Bruderland".

Review von

Als ich vor ca. einem halben Jahr durch Zufall zum ersten mal mit Rummelsnuff und seiner Musik in Form des "Sliwowitz"-Videos Bekanntschaft machte, war ich zugegebenermaßen einigermaßen erstaunt. Was war denn das? Da agierte ein mit dem Adjektiv muskelbepackt nur unzureichend beschriebener Bär von einem Mann in (Kriegs-) Käpitänsmontur.

Obenrum weitgehend haarlos und bei allem martialischen Gestus doch mit einer unübersehbar friedfertigen Aura. Ein wenig sentimal obendrein.

Und dieser Mann erzählte mir dann mit einem Reibeisen im Hals von "Pflaumenbrand aus Bruderland", von "Punkmusik aus Ostdeutschland" und "längst vergessnen Schlachten". All das in Wortwahl und Sprachduktus offensichtlich ein wenig altertümlich, ungut gemahnend an eine Zeit, in der leben in Deutschland ungemütlicher war als heutzutage.

Alles zusammen musikalisch verpackt in, ich zitiere, "derbe Strommusik", die, unter uns gesagt, so derbe gar nicht ist. Und ebenso wenig einfältig. Interessant. Neu. Aber auch grenzwertig, irgendwie zumindest.

Nun also bringt uns Roger Baptist, so der bürgerliche Name hinter der Kunstfigur des Rummelsnuff, mit "Halt Durch!" in den Genuss eines ganzen Longplayers. Und da beim Gesamtkunstwerk Rummelsnuff die Optik eine wichtige Rolle einnimmt, grüßt uns der Käpt'n mit trotzig-verträumtem Blick und tennisballformigem Trizeps testosteronprächtig vom Cover.

13 Songs im Schlepptau. Die funktionieren allesamt so ähnlich wie das bereits erwähnte und auch hier vorhandene "Sliwowitz": Elektronischer Hintergrund plus Begleitband bewegen sich in einem musikalischen Gebiet zwischen Seemannshanty und DAFscher Elektropumpe.

Darüber verbreitet Rummelsnuff in deutscher Sprache seine ebenfalls recht derbe Poesie, die bei oberflächlichem Konsum schon mal falsche Assoziationen wachrufen kann. Doch gerade hier beginnt das Spiel, das Rummelsnuff virtuos zu spielen weiß: die verquere Kombination von unterschiedlichen Versatzstücken, Anmutungen, Zitaten, die sich einerseits in (vordergründig) patriotischen bzw. faschistoiden Worthülsen, andererseits in geradezu homoerotischem Männlichkeitswahn ausdrücken: "Ich ein Mann, du ein Mann und beiden juckt das Fell" oder "Trieb und Kraft, Leib um Leib, Mut und Geist, uns zum Kampfe rief" ("Ringen").

Stets schwingt jedoch im Subtext genug Hirn, Herz und Seele mit, dass nur ein mittelprächtiger Dummbatz die Sache ernsthaft missdeuten könnte. Von dieser Spezies existiert aber auch eine große Zahl auf Erden und so ist nicht ganz ausgeschlossen, dass sich Rummelsnuffs Freunde in einem recht heterogenen Publikum wiederfinden dürften. Aber das muss wohl billigend in Kauf genommen werden.

Musikalisch erreicht Baptist seine stärksten Momente, wenn er die Seele ein wenig baumeln lässt und weniger vom Kampfe als vom Herzeleid und Leibesfreud berichtet. Dies ist dann, der Thematik angemessen, meist im Midtempo und kompositorisch durchaus ansprechend weniger derbe instrumentiert und funktioniert in der Kombination aus Text und Musik ganz fabelhaft.

So gehören beispielsweise "La Rochelle", "Halbstark" und "Laut" sowie der Titeltrack sicher zu den Höhepunkten von "Halt durch". Ebenso das wunderbare "Sliwowitz" und das Devo-Cover "Mongoloid".

Wenns wieder ganz in die Vollen geht ("Vollnarkose", "Fett In Die Fresse"), wird mir Rummelsnuff allerdings doch zu platt, musikalisch wie inhaltlich. Allerdings gibt es auch da sicher genug Menschen, die das genau andersherum sehen. Fest steht jedenfalls, dass Rummelsnuff mit "Halt Durch!" sein komplexes Gesamtkonzept ein erstes Mal in einen Longplayer gießt und das eigentlich ganz gut funktioniert. Und wir endlich einmal wieder einen Brocken vorgesetzt bekommen, der erstmal geschluckt werden will. Und am Ende sogar noch gut schmeckt. Etwa so gut wie "Sliwowitz".

Trackliste

  1. 1. Der Hund
  2. 2. Halt' Durch!
  3. 3. Ringen
  4. 4. Halbstark Und Laut
  5. 5. Hammerfest
  6. 6. Mongoloid
  7. 7. Sliwowitz
  8. 8. Vollnarkose
  9. 9. Fett In Die Fresse
  10. 10. Lauchhammer
  11. 11. Rummelkpät'n
  12. 12. La Rochelle
  13. 13. Kumpel, Glück Auf!

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8 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Tjo,
    diese Kritik hier gelesen,
    ein paar Sachen auf der Rummelsnuff-Seite gehört
    und zwei Youtube-Videos gesehen ...

    Urteil: Hier liest sich jemand gern schreiben.

    Nix gegen Kritiker, die tief und gründlich analysieren.
    Aber die Analyse sollte schlussendlich dann auch passen.
    Das erreicht man zum Beispiel dadurch, dass man seine eigenen Statements noch mal kritisch überprüft.

    Jedenfalls habe ich nach dieser Kritik Zwispältigeres, Provokanteres und schrägere Musik erwartet.

    Mein erster Eindruck ist aber, dass es sich um
    einen lustigen Spass handelt.
    Ähnlich wie Knorkator, aber textlich anscheinend noch lange nicht so derb.
    Und musikalisch derber als Rummelsnuff ist Rammstein oder auch Scooter und viele andere ...
    Das Reibeisen im Hals kann man Bonny Tyler oder Rod Stewart auch eher andichten als Rummelsnuff, der teilweise stimmlich sogar sehr sanft klingt - wirklich rauh wirkt sein Organ nun wirklich nicht (hab aber auch erst 5 Lieder gehört, ok).
    Ob man jetzt männliches Muskelgeprotze und Kampfparolen mit "patriotischen bzw. faschistoiden Worthülsen" beschreiben sollte, wage ich zu bezweifeln.
    Sowas könnte ausserdem auch von einem Hetero-Bodybuilder wie Arnie stammen, hat nicht unbedingt was mit Homoerotik zu tun,
    auch wenn der Mann vielleicht selbst schwul sein mag.

    Davon abgesehen wirkt das alles so augenzwinkernd auf mich, dass ich es ähnlich geniessen kann wie Monty Python-Sketche.

    Die würde der Autor dieser Plattenkritik wahrscheinlich ähnlich danebenanalysiert beschreiben, so dass man kaum wüsste, dass
    er über "Das Leben des Brian" schreibt, auch wenn man den Film schon hundertmal gesehen hat.

  • Vor 15 Jahren

    was einen allerdings schon etwas grübeln lässt, ist der text von "fett in die fresse" - ich werd' das bei gelegenheit mal zitieren.

  • Vor 15 Jahren

    stand auch in der visions.

    letzte woche beitrag zu rummelsnuff bei polylux.