laut.de-Kritik

Hier sind die Bässe dicker als die Hosen ...

Review von

Oh, Mann. Selten habe ich in letzter Zeit ein so furchtbar verpacktes Album untergeschoben bekommen - von "Artwork" wollen wir in diesem Zusammenhang mal lieber nicht reden. Glücklicherweise zwangen mich die äußeren Umstände, über diesen Makel hinweg zu sehen. Die Anweisung "Hab dich nicht so. Augen zu und durch!" bescherte mir im Fall Deluxe Records doch erhebliches Hörvergnügen.

Klar, wenn Samy Deluxe seine Lieben um sich schart, wenn sich Illo zurück meldet, die Headliners an Bord kommen, wenn Hamburgs Finest an den Start gehen, dann ist mit ordentlich Selbstdarstellung zu rechnen. Da wird, kaum ist der "Startschuss" gefallen, gezeigt, wo der Hammer hängt. "Man kann's oder kann's nicht / Hat's oder hat's nicht"; die Frage, auf welcher Seite Samy Deluxe einzuordnen ist, stellt sich eigentlich gar nicht. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass ich diesen Herrn für einen der größten deutschsprachigen Styler überhaupt halte. Inhaltlich kommt zwar weder der "Startschuss" noch die "Illo Anthem" über 'Hier sind wir also, let's go'-Posen hinaus, so lange allerdings die Bässe mindestens ebenso dick sind wie die Hosen, geht das vollkommen in Ordnung.

Heimatland, die Beats erweisen sich gleich zu Beginn als wahre Genickbrecher. Kaos flickt für Illo aus orientalischen Versatzstücken und krachenden Bassschlägen ein Fundament zusammen, dem es in seiner Schrägheit weder an Wucht noch an Originalität mangelt. Tropf untermauert das "Sag Ihnen Bescheid" der Headliners mit einem derart schiebenden Elektrobeat, dass sich seine Zugehörigkeit zu "Hamburgs Finest" von selbst erklärt. Rob Easy setzt für "Dies Ist HF" ebenfalls auf Orient-Sound. Breitwandige Bässe verleihen dem Track eine absolut hypnotische Wirkung. Ich stelle fest, ich leiste der Auforderung "Die Leute wollen was Neues hören / Also dreh' es auf" schier willenlos Folge.

Aber gibt es denn wirklich Neues zu hören von Deluxe Records? Nun, zumindest verblüfft "Let's Go" mit seinem Abwechslungsreichtum. Zu der üblichen vollmundigen Herumtönerei, unter anderem bombastisch in "Let's Go" zelebriert, gesellt sich ein doch nicht unerheblicher Anteil an ausgefeiltem Storytelling. So wird das Tourleben abgefeiert ("Die Reise Ist Das Ziel"). Illo legt seine Beziehungen zur Damenwelt offen ("S.O.S. Liebe", eine schmalzig eingesungene Hookline von J-Luv passt hier bestens ins Bild). Neo und Eddy Soulo scheuen sich in "Ach Was, Mama" nicht, den Schrecken eines Schulmassakers, wie es im vergangenen Jahr nicht nur Erfurt erschütterte, zum Thema zu machen.

Nicht nur Themenvielfalt, sondern auch die Art der Präsentation lässt Langeweile keine Chance. Den (im Übrigen exzellenten) Ratschlag "Verlieb Dich Nie In Ein' Rapper" erteilen Samy und Dashenn, unterstützt von Eddie Soulo, im Rahmen einer Latenight-Anruf-Radio-Talkshow auf (wie könnte es anders sein?) Deluxe FM. Ein Beatbox-Skit beweist: Neo braucht nicht mal Beats, um zu rappen. In der Tat kommen hier nicht die schlechtesten Schulhof-Erinnerungen auf. Überhaupt machen die Headliners-Kollegen Neo, Dashenn und Eddy Soulo ihre Sache gut; letzterer tönt mir zwar stellenweise ein wenig zu gezwungen sonor, dafür bewegt sich Dashenn vollkommen unpeinlich hart an der Grenze zum Gesang. Ob einzeln oder gemeinsam (in "Homie" richten sie zu von Phrequincy schön in Szene gesetzten Melodien eine nicht allzu schwülstige Hymne an den besten Freund): Erzählt mir, was ihr wollt. Ich höre diesen Jungs gerne zu.

Samy selbst drischt in "Let's Go" ausgesprochen clubtauglich abwechselnd in den Magen und ins Genick, schlägt aber auch nachdenklichere Töne an. Ich möchte nicht wissen, wie viele Witze über seinen Nachnamen sich dieser Mann schon hat anhören müssen: Der "Sorge Song" kann als ein Resultat davon gewertet werden. Gesungene, hübsch melodische Hooklines unterteilen den mit elektronisch blubberndem Beat versehenen Track. Veritable Lacher bescherte mir "Schönste Frau": "Wir können doch nicht so einen Gesangs-Schwuchtelscheiß hier fabrizieren"? Oh, doch! Die ebenso quakende wie groovende Nummer bildet mein persönliches Highlight.

In "Warte Ma Sam" lugt dann auch gleich noch König Kool Savas um die Ecke. "Land In Sicht" schließt mit den Worten "Wir sind so weit gegangen, doch nicht ganz am Ziel". Gut so, dann ist aus dem Hause Deluxe Records ja noch einiges zu erwarten. Ich werde auch nie wieder nach dem Cover urteilen. Versprochen.

Trackliste

  1. 1. Startschuss - Samy Deluxe, Eddy Soulo & Dashenn
  2. 2. Illo Anthem - Illo & Samy Deluxe
  3. 3. Verlieb' Dich Nie In Ein' Rapper - Samy Deluxe & Dashenn
  4. 4. Sag Ihnen Bescheid - Headliners
  5. 5. Let's Go - Samy Deluxe
  6. 6. Beatbox Skit - Samy Deluxe, Neo & Eddy Soulo
  7. 7. Extra Extra - Samy Deluxe, Neo, Illo & Eddy Soulo
  8. 8. S.O.S. Liebe - Illo & J-Luv
  9. 9. Sorge Song - Samy Deluxe
  10. 10. Dies Ist HF - Samy Deluxe, Neo & Dashenn
  11. 11. Ach Was, Mama - Eddy Soulo & Neo
  12. 12. Die Reise Ist Das Ziel - Samy Deluxe & Brooke Russel
  13. 13. Schönste Frau - Samy Deluxe, Neo & Dashenn
  14. 14. Warte Ma Sam - Samy Deluxe
  15. 15. DSB - Illo & Rob Easy
  16. 16. Homie - Headliners
  17. 17. Land In Sicht - Samy Deluxe & Neo

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