laut.de-Kritik

Große Stimme an schlimme Schmachtfetzen verschwendet.

Review von

Falls es einen Gott gibt, dem die Musik am Herzen liegt: Er muss Seal geküsst haben. Eine Stimme wie seine, längst anheimelnd vertraut, angenehm sanft und dabei leicht kratzig wie frisch gewaschene, im Wind getrocknete Handtücher - nach Vergleichbarem sucht man im Pop-Zirkus lange und vergebens.

Wie kommt es bloß, dass einen Seals Alben trotzdem immer enttäuscht, mit einem faden Geschmack im Mund zurücklassen? Dass man sich enttäuscht abwendet und den Eindruck einfach nicht los wird, dass ein fantastischer, ein begnadeter Sänger gar, chronisch hinter seinem Möglichkeiten zurück bleibt?

Am Gesang liegts nicht. Seal macht jeden Tempo-, Stimmungs-, Atmosphärenwechsel mit. Er bietet gleichermaßen Dynamik, Engagement und Gefühl auf. Wie ein Virtuose sein Instrument beherrscht und kontrolliert Seal seine Stimmbänder in beeindruckender Weise. Besonders oft und gern angestimmte lange, getragene Töne zeigen seine Sicherheit und bringen die charakteristische Heiserkeit exzellent zur Geltung.

Welche Verschwendung, solche Begabung in ebenso unentschlossenen wie absehbaren und dazu noch durchgehend überfrachteten Pop-Schmachtfetzen zu verpulvern! Mit der Zusammenarbeit mit David Foster tut sich Seal keinen Gefallen. Der kann sich dreimal den Beinamen 'Hit Man' geben - "Commitment" zeigt davon nichts, fährt noch nicht einmal eine einzige eingängige Hookline auf.

Hinter leisen Song-Einstiegen, in denen der Gesang blendend zur Geltung kommt, lauern in unschöner Regelmäßigkeit theatralischer Streichermumpf und klassisch-ausgelutschtes Balladen-Piano. Modern soll es ja bitteschön auch klingen, also propft man jeder einzelnen Nummer wahlweise ein bis zwei krasse Richtungswechsel, eine Andeutung von elektronischem Chillout-Sound oder beides auf. Das wirkt allerdings weit weniger aufgeschlossen denn ratlos.

Warum ersäuft man, vom Gesang mal ganz abgesehen, gelungene Basslinien wie in "If I'm Any Closer" oder "The Best Of Me" in unnötig opulentem Beiwerk? Warum zerdrückt man bei letzterem gleich noch den hübschen 70er-Touch, den die Nummer anfangs noch auffährt?

Ein wenig besser macht es eigentlich nur "Secret", das mit seiner in einen lockeren Walzertakt einschwenkenden Akustikgitarre (und dem Umstand, dass Gattin Heidi sich hier zwar im zugehörigen Video räkeln, nicht aber zum Mikrofon greifen darf) selbst über platte "I belong to you and you belong to me"-Phrasen hinwegtröstet. Oder "Letting Go", das - ebenfalls zur Akustikgitarre - eine noch zartere, noch intimere Stimmung kreiert. Eine Stimmung, die allerdings die aufdringlichen Streicher des folgenden, ungünstigst platzierten "Big Time" umgehend in Fetzen reißen. Schade.

Vielleicht sollte Seal irgendwann einmal ein Unplugged-Album aufnehmen. Das - oder aber einen erneuten Alleingang seiner Stimme wie weiland zum Bass von Adamskis "Killer" - würde ich wirklich gerne hören. Dann passt vermutlich auch die Zeile: "You bring out the best of me."

Trackliste

  1. 1. If I'm Any Closer
  2. 2. The Weight Of My Mistakes
  3. 3. Silence
  4. 4. Best Of Me
  5. 5. All For Love
  6. 6. I Know What You Did
  7. 7. The Way I Lie
  8. 8. Secret
  9. 9. You Get Me
  10. 10. Letting Go
  11. 11. Big Time
  12. 12. If I Could Ever Make You Love Again

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2 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Ich fand ja das Album "System" ganz annehmbar, weil mir eben halt u. a. dieser Stuart-Price-Soundteppich ziemlich gut gefallen hat. Da gab's allerdings auch einen Tiefpunkt, nämlich als seine Schnitte (besser bekannt unter Heidi "ich hab' heute leider kein Foto für dich" Klum) mitgesungen hat. Schade, schade. So, denk' ich, wird es bei anderen Alben nicht anders sein. Dabei gefallen mir doch wirklich einige Songs von ihm ("The Right Life", "Crazy", "Killer").

  • Vor 13 Jahren

    die single hab ich letztens gehört *secret* wow , war die grausam. beim text hab ich mich geschüttelt so schmalzig war der.
    wenn das ganze album so sein soll, verlass ich mich auf die Kritik und lass das album links liegen.
    tja wieder ein Artist mit guter Stimme aber völligen verpassten Sound.
    ist ja nicht das erste mal!!