laut.de-Kritik

Der 'Bob Marley von Aachen' versüßt trübe Sonntage.

Review von

"Outside it's raining badly / So I stay inside today / Listen to slow music / Have my thoughts all let astray / Smoking marijuana / For the purpose of not getting bored / When I'm sitting round for hours / Hoping it will rain a lot more."

Hat man schon einmal einen passenderen Soundtrack für einen trüben Sonntag gehört? Der Blick aus dem Fenster ergibt: Es schüttet. Beste Voraussetzungen also, sich von den Ratschlägen Sebastian Sturms den Wochenend-Ausklang versüßen zu lassen. Er zeigt - unter anderem in "Time To Say No" - einige der dreitausend möglichen Wege hin zum allseits angestrebten "Good Life". Zu Traurigkeit besteht wahrlich keinerlei Grund.

Mal fröhlich, mal besinnlich, immer angenehm und nie zu stressig plätschert "This Change Is Nice" aus den Boxen und verschafft mir instantan eine Ahnung davon, warum dieser junge Mann an verschiedener Stelle bereits hochtrabend als "Bob Marley von Aachen" gehandelt wird. So weit würde ich nicht gehen, dazu mangelt es mir bei Sebastian Sturm doch ein wenig an inhaltlichem Biss. Stimmlich spielt der Newcomer allerdings tatsächlich in der Oberliga.

Jin Jin erfüllen auf exzellente Weise die Aufgabe einer Backing-Band. Hier sind unüberhörbar Routiniers am Werk, die handwerklich sicher klassische, eingängige Reggaegrooves bauen. Im Einstieg zu "Tell Them The Truth" darf es außerdem ein wenig Dub sein. Die Griffe sitzen, keiner dieser alten Showhasen hat es nötig, sich besonders in den Vordergrund zu spielen. Ab und an eingesetzter Background-Gesang gestaltet sich ebenfalls recht verhalten. Das Rampenlicht überlässt man hier gerne dem Neuzugang am Mikrofon.

Gefühlvoll und leicht kratzig meldet sich Sebastian Sturm "Back Among The Living", fragt in "Without A Trace", was die Zukunft wohl bringen mag, sorgt sich um die Jugend und zaubert nur einen Track später das Allheilmittel aus dem Zylinder: "Reggae Makes The Youth Free". Obwohl ein stark roots-lastiges Album, verzichtet "This Change Is Nice" auf ansonsten in diesem Genre üblicherweise zur Schau gestellte Religiosität.

Anstatt in jeder zweiten Zeile Jah the Most High zu preisen, verlegt sich Sebastian Sturm auf die Betrachtung alltäglicher Szenarien. Der erwähnte verregnete Tag, die Traumfrau aus der Nachbarschaft und die unaufhaltsam verstreichende Zeit bieten Aufhänger genug. "Soldierman" wettert nicht stumpf gegen Krieg sondern illustriert die No-More-War-Haltung glaubwürdig am Fall des eigenen Großvaters. Mit "This Change Is Nice" gelingt Sturm schließlich eine Liebeserklärung an ein Baby, die zur Abwechslung einmal nicht vor Rührseligkeit trieft. "Down from the roots up to the tree": Da möchte man doch nur von Herzen Glück wünschen.

Auch, wenn dem Hörer nicht allzu viel abverlangt wird und obwohl ich zuweilen etwas mehr Druck und Tempo und insgesamt eine härtere Gangart bevorzugt hätte, so schließt sich mein Urteil doch uneingeschränkt dem Albumtitel an: "This Change Is Nice". Meinetwegen darf es gerne noch ein bisschen weiterregnen.

Trackliste

  1. 1. Back Among The Living
  2. 2. Without A Trace
  3. 3. Tell Them The Truth
  4. 4. Reggae Makes The Youth Free
  5. 5. No Need To Be Sad
  6. 6. I Just Want You
  7. 7. Good Life
  8. 8. Time To Say No
  9. 9. Social Living
  10. 10. Time
  11. 11. Soldierman
  12. 12. This Change Is Nice

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