laut.de-Kritik

Gefangen im Loop der Pubertät.

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Pressetexte sind schon was Feines: Da erfährt man etwa, dass dies bisher das "persönlichste, komplexeste und vielschichtigste" Album der Künstlerin sei. Und irgendwie will man das auch glauben. Im Falle von "Revival" klafft angesichts der rein musikalisch betrachtet eher unscheinbaren Karriere der Selena Gomez allerdings schnell eine Glaubwürdigkeitslücke: Wo nichts ist, kann auch nichts wachsen.

Sicherlich, die Leute kaufen ihre Platten, als sei sie der Heilsbringer der Popmusik - mehr als einen Tupfer steuert sie zur bonbonbunten Popmusik aber auch 2015 nicht bei. Der Opener "Revival" hat noch einen lässigen Beat zum Herunterfahren und einen Refrain, der nicht weh tut. Dass Selena singen kann, hat sie ja des Öfteren bewiesen, doch Auto-Tune erstickt ihr zartes Stimmchen in Geblubber.

Die Verfremdungsmaschine variiert Gomez' Stimme über das komplette Album hinweg, als sei sie in einem Loop der Pubertät gefangen. So wie in der ruhigen Low-Tempo-Nummer "Hands To Myself", bei der sie augenscheinlich ihre Finger nicht vom Angebeteten lassen kann. Davon könnte der Bieber wohl ein Lied von singen ... und hat es im Zweifel höchstwahrscheinlich auch. Immer wieder eine Freude wenn dir die Texanerin sinnig ins Ohr haucht, musikalische Qualität sieht trotzdem anders aus. Seis drum. Hatte ich schon erwähnt, dass das Musik ist, die nicht weh tut?

Bei wohlwollender Herangehensweise ist "Sober" ebenfalls ein recht gefälliger Mix aus generischem Beat (Boom-clap) und Mäuschenstimme. "You don't know how to love me when you're sober"? Dann würde ich mir Gedanken machen, liebe Selena, und bei der nächsten Zeche mal eher einen Mann angeln, der sich ausschließlich an Johannesbeerschorle gütlich getan hat. Nüchtern ist "Sober" recht schwer zu ertragen. Sobald flüssiges Gold im Spiel wäre, sähe das wohl ganz anders aus. Kurz gehalten und ideal für den nächsten Mädchenabend bei einem Gläschen Hugo.

Das Schema auf "Revival" reicht von locker bis flockig wie zehn Tage alte Milch in der Sonne und wabert wie ein Dunstschleier über H&M-Flanier-Musik. So schummelt sich mit "Camouflage" noch eine lupenreine Ballade ins Portfolio, in der es (haltet euch fest) um gebrochene Herzen geht. "Body Heat" rundet das Gesamtpaket mit einem Flamenco-Beginn ab, der in eine astreinen Post-Sommer-Hymne eskaliert. Warum auch nicht, kann man machen, muss man aber nicht.

Mit jeder verronnenen Sekunde erkennt man das mangelnde Potenzial des Sternchens Gomez. Da hilft der Gedanke, dass sie als Co-Schreiberin mitgewirkt hat nicht viel. Alles ein wenig selbstgefällig, alles ein wenig zu vorhersehbar, alles zu viel Bewältigung mit Liebesproblemen. Vielleicht sollte sie sich ein Scheibchen von der Cyrus abschneiden.

Trackliste

  1. 1. Revival
  2. 2. Kill Em With Kindness
  3. 3. Hands To Myself
  4. 4. Same Old Love
  5. 5. Sober
  6. 6. Good For You
  7. 7. Camouflage
  8. 8. Me & The Rythm
  9. 9. Survivors
  10. 10. Body Heat
  11. 11. Rise

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6 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    Das "tut nicht weh" kann ich so nicht unterschrieben. Hab mir letztens Nachts, als ich nicht schlafen konnte gedacht, komm hörste rein. Bis Hands On Myself (Track Nr. 3) war ich wach, plötzlich bin ich aufgewacht mit einem Druck auf dem rechten Ohr, welcher bis heute nicht weg ist und Schmerzen as hell! Body Heat lief und es tat wirklich weh!

  • Vor 8 Jahren

    "Good For You" finde ich erstaunlich gut. Der Rest ist wie immer Müll

  • Vor 8 Jahren

    Die Devi Lovato find ich eigentlich schlimmer. Good for you ist ein netter Song.

  • Vor 8 Jahren

    Ein, jedenfalls für mich, erstaunliches Album, weil weit abwechslungsreicher als erwartet. Was bis jetzt aus der Ecke kam, war für mich an der Grenze des ertragbaren "Sternchengeträllers". Nun, die junge Dame unterstreicht konstant, dass sie jetzt "selbständig" ist. Aber für "eigenständig" ist das Ganze noch zu glatt gebügelt und bei einigen Komponisten eingekauft. Problemlos könnten viele der Songs von Miley, Sharkira, Marina oder auch Maroon5 interpretiert werden. Auffallen würde es nicht. Trotzdem bin ich insgesamt angenehm überrascht. "Hands to myself" oder "Sober" sind beispielsweise musikalisch richtig gut. Auf die Texte möchte ich aber eher weniger eingehen.
    Dazwischen fallen sogar ein paar Effekte weg und man hört, dass sie ja doch singen kann. Aber eben, mutig ist nochmals anders. Trotz aller Unkenrufe ist das Album angenehm durchhörbar und das kann man bei weitem nicht bei jeder amerikanischen Produktion der letzten Monate behaupten.
    Ein Schritt nach vorne - vielleicht kommt mehr Mut und Eigenständigkeit das nächste Mal.

  • Vor 8 Jahren

    Mir gefällt es so zum nebenbei hören. Die Leute kaufen ihre Scheiben nicht wegen Ihres tollen Gesanges sondern wegen Ihrer Person. Durch die Geschichten mit Justin Bieber hat sie dann den Imagewandel von kleinen Mädchen zur jungen erwachsenen Künstlerin ganz gut hingekriegt. Man muss sie autotunen, dass man überhaupt einen Track fertigstellen kann. Sie ist hip, aber eine tolle Sängerin ist sie nicht. Hat der Nico sie mal live gehört? Da hat Demi Lovato mehr Talent, wenn auch nicht perfekt wie die Classic Crossover Sängerinnen oder Celine Dion.

  • Vor 8 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.